Immer wenn ich über die Einheit der Christen nachdenke, dann beschleicht mich ein leichtes Unbehagen und ich komme zu dem Schluss, dass dieses Thema (zumindest für mich) noch nicht befriedigend und abschliessend diskutiert ist.
Ich habe den Eindruck, dass die Einheit, wie sie Jesus den Jüngern (und damit auch uns) verordnete, etwas ist, das weder die oekumenisch Gesinnten noch die abgegrenzt Konservativen ganz richtig leben.
Ich zähle mich tendenziell eher zu der zweiten Gruppe. Mich beunruhigen die Anordnungen Jesu, weil ich denke, dass wir (und ich) mehr das Gespräch mit Andersdenkenden suchen sollten, als uns von ihnen abzugrenzen, wenn sie in einer Lehre nicht unserer Auffassung entsprechen. Mit Andersdenkenden meine ich nicht Leute, die in den zentralen Lehren des Christlichen Glaubens von der Bibel abweichen. Mit solchen Leuten sollen wir keine (religiös orientierte) Gemeinschaft haben.
Echte Einheit kann nur auf der Grundlage der biblischen Lehre bestehen. Dass wir nach Einheit streben sollen, heisst, dass wir uns in der richtigen Sicht von Gott, von Christus und dem Heil vereinen sollen.
Wir sollen danach streben, zusammen mit anderen Christen herauszufinden, was die biblische Wahrheit über diese Fragen ist und uns dann gemeinsam darüber freuen und den gemeinsam anhand der Schrift erkannten Gott anbeten.
Dazu müssen wir natürlich miteinander im Gespräch sein, um einander Dinge aufzeigen zu können. Um gemeinsam Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten zu können - was Jesus als die richtige Weise der Anbetung bezeichnet - müssen wir zuerst gemeinsam um die Bibel sitzen.
Aber schon hier gibt es meiner Meinung nach Grenzen - mit wem soll oder kann ich um die Bibel sitzen? Kann ich mit Leuten zusammen sitzen, von denen ich von vornherein weiss, dass sie zentrale Wahrheiten der Schrift ablehnen oder falsch darstellen?
Was sind die zentralen Wahrheiten der Schrift, die keine Diskussion zulassen? Die wir auch nicht noch einmal von neuem hinterfragen dürfen?
Es sind die biblischen Aussagen über die Person Jesu Christi und über das Heil, also die Christologie und die Soteriologie, die keine Diskussion zulassen und die auch in der Geschichte der Kirche immer dazu geführt haben, dass man über jemanden (m.E. biblisch gerechtfertigt) das Anathema aussprach.
Paulus tat das bereits im Hinblick auf die Irrlehrer in Galatien. Sie verwarfen das Solus Christus, das Sola Fide und das Sola Gratia, das Paulus lehrte. Und er sagte im Namen Gottes, dass wenn jemand das Evangelium anders predigt, als er es ursprünglich verkündigte, der soll verflucht sein.
Eine falsche Lehre über die Person Christi oder über das Heil in Christus ist ein Grund, die Gemeinschaft zu kündigen. Mit jemandem, der hier daneben liegt, müssen und sollen wir keine Einheit suchen. Er hat sie selbst schon zerstört. Sie kann nur durch die Umkehr des falschen Lehrers (wieder)hergestellt werden.
Gemeinschaft und Einheit ist aber da möglich, wo man ekklesiologisch unterschiedliche Sichten pflegt. Auch Unterschiede in der Glaubenspraxis und ethische Sichtweisen müssen nicht unbedingt zur Trennung führen.
Eine unterschiedliche Sicht über Geistesgaben, über die Liturgie, die Taufpraxis, oder auch die Eschatologie kann unter Umständen nicht in der gleichen lokalen Gemeinde gepflegt werden. Die Diskussion über die Gemeinde-, resp. Denominationsgrenze hinaus kann jedoch mitunter sogar fruchtbar sein.
Wenn die Einheit bereits aufgrund des rechten christologischen und soteriologischen Verständnisses besteht, wird sie durch die Diskussion über solche wichtigen Nebenfragen nicht zerstört, sondern kann sogar vertieft werden.
Hat jemand weitere Gedanken?
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Was ist z.B. mit George Whitefield, der als Calvinist sehr viel Wert auf Gemeinschaft mit Arminianern legte?
AntwortenLöschenEr war ein Friedensstifter sondersgleichen, und eben unter seiner Führung gab es eine fruchtende Zusammenarbeit zwischen beiden Lagern.
Ich bin mit dieser Frage (vor allem der Gemeinschaft zwischen Calvinisten und Arminianern) auch noch nicht durch, merke ich doch jedesmal die Probleme die eine gute und offene Gemeinschaft schwierig und anstrengend machen.
Zumindest könnte man hier offener sein, als sich viele (ich selbst) oft geben, meine ich.