ein Gast-Artikel von Brad Beevers
Stell dir vor, du sprichst mit einem ungläubigen Freund über all die Kriege und politischen Konflikte in den Nachrichten (die eigentlich immer drin sind, nicht wahr?). Irgendwie kommt ihr auf das Thema Versöhnung zu sprechen. „Das ist es“, sagt er, „was die Menschen brauchen; sie sollen lernen, sich zu versöhnen.“ Plötzlich erblickst du eine Gelegenheit, mit ihm über das Evangelium zu reden!
„Ja“, sagst du, „das ist es, was Menschen brauchen – echte Versöhnung lernen. Aber das ist nur mit Gottes Hilfe möglich, denn Menschen müssen innerlich verändert werden, damit sie lieben statt hassen, einander schätzen statt bekämpfen. Das ist es, worum es in der Bibel geht.“
„Dein Ziel ist gut, das sehe ich auch so“, entgegnet er, „Wertschätzung und vor allem einander stehen lassen lernen. Aber ich glaube nicht, dass Gott oder die Bibel da hilft. Im Gegenteil! Sie ist ja selber vollgespickt mit Kriegen. Ständig werden Menschen umgebracht, und das alles sogar auf Gottes Befehl hin! Soll das wirklich helfen? Sollen Palästinenser und Juden ein Bibelstudium über Versöhnung machen? Da wären sie schlimmer daran als vorher!“
Hmmm. Was entgegnest du?
Ich vermute, dass viele Christen die Sicht dieses Freundes eigentlich teilen würden. Was hat das Alte Testament mit Versöhnung zu tun?
In der Tat, sehr viel. Versöhnung ist eines der Hauptthemen des Alten Testaments – allerdings, Versöhnung in einem anderen, ja, in einem viel tieferen Sinne als sie unser Freund versteht. Das Hauptaugenmerk des ATs (des NTs auch!) liegt nicht auf Versöhnung zwischen Menschen, sondern auf der Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Und sie packt das Thema viel tiefer an, als die Welt gewöhnlich Versöhnung versteht – nämlich, indem sie das tatsächliche Problem, den ungelösten Punkt, das Unrecht, das zwischen den Parteien steht und Versöhnung unmöglich macht, lösen will.
„Ja“, sagst du, „das ist es, was Menschen brauchen – echte Versöhnung lernen. Aber das ist nur mit Gottes Hilfe möglich, denn Menschen müssen innerlich verändert werden, damit sie lieben statt hassen, einander schätzen statt bekämpfen. Das ist es, worum es in der Bibel geht.“
„Dein Ziel ist gut, das sehe ich auch so“, entgegnet er, „Wertschätzung und vor allem einander stehen lassen lernen. Aber ich glaube nicht, dass Gott oder die Bibel da hilft. Im Gegenteil! Sie ist ja selber vollgespickt mit Kriegen. Ständig werden Menschen umgebracht, und das alles sogar auf Gottes Befehl hin! Soll das wirklich helfen? Sollen Palästinenser und Juden ein Bibelstudium über Versöhnung machen? Da wären sie schlimmer daran als vorher!“
Hmmm. Was entgegnest du?
Ich vermute, dass viele Christen die Sicht dieses Freundes eigentlich teilen würden. Was hat das Alte Testament mit Versöhnung zu tun?
In der Tat, sehr viel. Versöhnung ist eines der Hauptthemen des Alten Testaments – allerdings, Versöhnung in einem anderen, ja, in einem viel tieferen Sinne als sie unser Freund versteht. Das Hauptaugenmerk des ATs (des NTs auch!) liegt nicht auf Versöhnung zwischen Menschen, sondern auf der Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Und sie packt das Thema viel tiefer an, als die Welt gewöhnlich Versöhnung versteht – nämlich, indem sie das tatsächliche Problem, den ungelösten Punkt, das Unrecht, das zwischen den Parteien steht und Versöhnung unmöglich macht, lösen will.
Hass und Versöhnung ohne objektiven Grund
Lass mich das etwas erklären. Es ist möglich, wenn zwei sich streiten, dass dieser Streit von keinem tatsächlichem Unrecht zwischen den Beiden ausgegangen ist. Vielmehr mögen sie z.B. Kulturunterschiede, verschiedenes Aussehen oder unterschiedlichen Hintergrund nicht, oder sie sind einfach schlecht gelaunt und ärgerlich. Das einzige Problem ist im Herzen des Einzelnen; der andere hat ihm kein Leid angetan. Bloss weil er ihn ablehnt oder in schlechter Verfassung ist, gibt es ein Konflikt. Das können wir den subjektiven Aspekt eines Konflikts nennen.
Dies ist die Art, wie Menschen Gott ablehnen. ER hat sich nicht an ihnen versündigt – sicher nicht! Im Gegenteil, er ist ihnen gegenüber immer fair und sogar gnädig gewesen. Trotzdem hassen sie ihn und erkennen Sein Recht in ihrem Leben nicht an. Um in dieser Hinsicht mit Gott versöhnt zu werden, muss der Mensch von seiner ungerechten und grundlosen Feindschaft umkehren. Er muss verändert werden, um anders (nämlich treffend/richtig!) über Gott zu denken. Er hat nichts objektives gegen Gott. Auch wenn Gott schweres Leid in seinem Leben gesandt hat, hat er weitaus weniger gelitten, als er es verdient hätte. Wenn Gott ihm das gegeben hätte, was er verdient hat, wäre er schon lange tot und in der Hölle. Gott hat ihm Seine Gnade und Liebe gezeigt. (Darum ist es vollkommen gotteslästerlich, davon zu reden, dass wir Gott vergeben sollen). Die Versöhnung, die vom Menschen aus stattfinden soll, ist rein subjektiver Art; etwas in ihm muss anders werden, damit er nicht mehr gegen Gott ist.
Dieser Aspekt der Versöhnung bildet – leider – meistens in unserer Evangelisationspraxis die eigentliche Botschaft. Wir unterstreichen die Notwendigkeit der Umkehr, und vermitteln unterschwellig, dass diese Umkehr alles ist, was getan werden muss, um Gott und Mensch zu versöhnen. Manchmal wird sogar gesagt, dass Gott kein Problem mit dem Menschen hat, nur der Mensch mit Gott. Dem ist aber gar nicht so. Dabei wird den Aspekt der Versöhnung, der im AT und NT zentral ist, völlig ausser Acht gelassen: die Schuld, das tatsächliche Unrecht, das zwischen Gott und dem Menschen steht und gesühnt werden muss – die Sünde.
Objektive Versöhnung = Sühne
Zu Beginn nannten wir als Beispiel einen Streits, in dem eine Partei (der Mensch) die andere (Gott) ablehnt, obwohl Gott nichts Falsches getan hat. Dies ist aber nicht das eigentliche Problem in unserer Beziehung mit Gott. Vielmehr ist es der objektive Aspekt des Streits, der ungelöste Punkt, das Unrecht, das zwischen uns und Gott steht und eine Versöhnung unmöglich macht. Um ein menschliches Beispiel zu nehmen: wenn jemand mein Auto stiehlt, bin ich nicht von der Bibel aufgefordert, ihm „einfach so“ zu vergeben. Wenn er um Vergebung bittet, aber nicht bereit ist, das Auto zurückgeben bzw. seine Verantwortung für allfälligen Schaden ernst zu nehmen, würde ich ihm nicht vergeben. Das wäre keine Umkehr! Ihm unter diesen Umständen zu vergeben würde tun, als ob Recht und Gerechtigkeit eigentlich unwichtig wären. Die Bibel aber legt grossen Wert auf eine objektive und gerechte Wiedergutmachung. Wenn ein konkretes Unrecht vorliegt, kann echte Versöhnung nur dann zu Stande kommen, wenn das Unrecht beseitigt wird. Es braucht mehr, als dass die Person umkehrt bzw. eine andere Haltung einnimmt.
Die Beseitigung des Unrechts ist die Art, in der Gott mit uns versöhnt werden muss. Es ist zwar so, dass Menschen Gott hassen, obwohl Gott ihnen kein Unrecht getan hat, aber das Umgekehrte ist nicht der Fall. Es steht ein grosses, objektives Unrecht zwischen uns – unsere Schuld. Solange dies zwischen uns steht können wir nicht mit Gott versöhnt sein. Die Bibel lehrt deutlich, dass in einem gewissen Sinne Gott nicht nur der Freund eines Sünders ist, sondern sogar sein Feind, bis die Schuld gesühnt ist. Bis das objektive Unrecht nicht mehr zwischen Gott und dem Mensch steht, ist eine Versöhnung unmöglich. Das ist eine wichtige Botschaft für eine Gesellschaft, die Gottes Güte und Segen als Selbstverständlichkeit versteht. Darum ist es deplaziert zu fragen, wieso Gott Leid zulässt. Haben wir wirklich Segen verdient? Sind wir so mit ihm umgegangen, dass er uns segnen soll? Die Wahrheit ist, dass Gott sowohl gnädig als auch strafend mit Menschen umgeht. In seiner Gnade sendet er (unverdiente) Gaben wie Regen, Sonne, und sogar das Evangelium. Gleichzeitig reagiert Er auf das tatsächliche Unrecht unserer Rebellion mit (wohl verdientem) passendem, heiligem Zorn, den Er immer wieder in Gerichtstaten spürbar macht.
Dieses Verständnis der Versöhnung wird durch das ganze AT klar betont: unsere Schuld muss beseitigt werden, damit wir zu Gott kommen können. Fast das ganze 3. Buch des Mose, zum Beispiel, wird dieser Frage gewidmet. Gott beschreibt die nötigen Opfergesetze und Reinigungsvorschriften in einer grossen Ausführlichkeit, damit sein Volk sich ihm nahen kann, ohne sterben zu müssen.
Wo finde ich einen gnädigen Gott?
Es ist beunruhigend, wie fremd uns dieser Gedanke der Gerechtigkeit und des Zornes Gottes ist. Ich habe in den 25 Jahren meines Dienstes selten Menschen erlebt, die bewusst mit der Frage „wie finde ich einen gnädigen Gott?“ als eine zentrale Frage des Glaubens gerungen haben. Unterschwellig ringen viele damit – Gott sei Dank! Unbewusst ist sie sowohl sehr häufig als auch sehr zentral. Viele kämpfen mit ihr in der Form einer nagenden Unsicherheit oder einer dumpfen Furcht, dass Gott sie bestrafen könnte. Aber die Frage wird oft nicht ernsthaft diskutiert oder ihr nicht nachgegangen; unser modernes Gottesbild lässt es kaum zu, dass wir uns Gott als Jemanden vorstellen, der wirklich Grund hat, uns zu bestrafen.
Diese Sicht ist aber wesentlich für unsere Erneuerung! Denke an die grösste Erweckung der Kirchengeschichte, die Reformation. Sie wurde durch eine biblische Antwort auf diese Frage ausgelöst. Die Macht und Kraft der Reformationsbotschaft lag in der Erklärung der Gnade Gottes. Warum ist die Frage nicht mehr zentral? Glauben wir denn nicht mehr an die Gnade? Eigentlich ist dies genau das Problem: wir glauben nicht mehr an die Gnade. Denn, um an Gnade zu glauben, muss Gnade wirklich Gnade sein – d.h. wir müssen innerlich begreifen können, dass eine ewige, von Zorn getriebene, höllische Strafe absolut passend ist. Wir haben sie reichlich verdient. Wir hätten nichts entgegenzuhalten, wenn wir uns schon dort befinden würden. Ja, ohne Gottes Gnade wären wir schon längst da. Diese Sicht ist für ein solides Verständnis der Gnade unerlässlich. Sonst ist sie billig, halb selbstverständlich, bloss natürlich. Sie ist kein Wunder mehr – sie ist keine Gnade mehr. Wer nicht überzeugt ist, dass er ein grosses Problem mit Gott hat – bzw., dass Gott zu Recht ein grosses Problem mit ihm hat – wird keine Gnade nötig haben.
Hier kann uns das AT mit seiner Versöhnungslehre sehr helfen. Denn das AT ist der Teil der Schrift, der am klarsten das lehrt, was unser moderner Zeitgeist nicht wahr haben will: nämlich, dass Gott heilig ist, unsere Schuld gross, und die passende Strafe schrecklich. Wenn wir Versöhnung mit Gott ohne die alttestamentliche Betonung verstehen wollen, werden wir wichtige Begriffe wie Gnade verdrehen und letztendlich falsch verstehen. Das AT ist nötig, um Jesus und das Evangelium zu verstehen; wenn wir das AT nicht begreifen, werden wir das NT missverstehen! Jesus lehrte diese enge Verbindung zwischen dem AT und seiner Botschaft: Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben? (Joh 5,46-47). Darum lohnt es sich, die Versöhnungsbotschaft im AT genauer anzuschauen.
Mose über die Not des Menschen
Was wir wohl als Erstes über Versöhnung mit Gott lernen, wenn wir im AT lesen, ist dies: wie heilig Gott ist, wie genau er unsere Schuld nimmt, und wie schrecklich er sie bestraft. Wir lesen von Usa, der die Bundeslade berührte, als die Ochsen ausglitten. Für diesen Frevel wird er von Gott getötet – aber es fällt uns oft schwer, darin den Frevel zu sehen. Oder wie Gottes Volk in der Wüste unzufrieden war und sich beschwerte, als sie kein Wasser und eine eintönige Diät hatten. „Ist das wirklich so schlimm?“, denken wir. Gott verhängte über sie die Todesstrafe. Selbst die Verfehlungen eines Mose, und zwar nachdem er erwählt und am brennenden Busch berufen wurde, nimmt Gott genau. Als Mose nach Ägypten reist, um sich mit Pharao zu treffen, will Gott ihn in der Herberge umbringen, weil er seinen Sohn nicht beschnitten hatte. Überraschend! Weil er den Fels schlug, statt mit ihm zu reden, darf er nicht in das verheissene Land, das seit 40 Jahren sein Ziel ist. Das schmerzt! Überall im AT nimmt Gott Sünden, die wir sogar täglich begehen, als etwas Schreckliches wahr. Für ihn sind sie Frechheiten, ein Versäumnis, seine Heiligkeit zu achten.
Eine zweite Wahrheit, die wir beim Lesen des ATs schnell merken, ist wie oft wir sündigen. Wie oft kommt zum Beispiel das Thema im AT auf, dass Gottes Volk versuchte, sich selbst zu helfen, statt auf den Herrn zu vertrauen – indem es z.B. Bündnisse mit anderen Nationen eingegangen ist, statt bei Gott allein Hilfe zu erwarten. Das ist ein Thema unseres Alltags! Sind wir nicht oft Israel ähnlich, und versuchen es durch unsere eigene Anstrengung zu machen? Ich bin es. Oder – ein anderes Beispiel – überlegen wir, was durch die ganz detaillierten Gesetze vermittelt wird. Gott nimmt Feinheiten des Lebens ernst! Sehr ausführlich schreibt Er Israel vor, was und wie sie essen sollen, wie sie mit Krankheiten umgehen sollen, wie ihre Felder zu bepflanzen und ernten sind, welche Opfer wann zu bringen sind, usw. Die kapitellangen Einzelheiten vermitteln ganz eindeutig, dass Gott über alle Details unseres Lebens wacht und genaue Richtlinien hat, wie wir uns verhalten sollen. Wir können alle mit David bekennen: ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir ... Siehe, ich bin als Sünder geboren! (Ps 51,7)
Diese Heiligkeit Gottes und unsere grosse Schuld ist vor allem dann furchterregend, wenn wir die dritte Wahrheit des ATs über unsere Sündennot anschauen: die schrecklichen Strafen, die diese Vergehen verdienen. Von Genesis bis Maleachi wird für fast jede Art von Sünde die Todesstrafe verhängt. Nicht nur Mord, Todschlag und Ehebruch werden so bestraft, sondern auch Götzendienst und die damit verbundene mangelnde Freude am Herrn (5Mo 28,47; wer von uns ist dessen nicht schuldig?), den Eltern oder Gott fluchen, oder Holz am Sabbat auflesen. Ganze Völker werden ausgerottet, mit Vieh und Gütern, weil das Mass ihrer Sünde voll geworden ist, und sogar Rebellen aus dem eigenen Volk werden von der Erde verschlungen. Das ganze AT verkündigt die höllische Strafe in mehreren Bildern.
Das Gesamtzeugnis des ATs in dieser Hinsicht ist erschütternd: ein vollkommen heiliger Gott nimmt unser Verhalten sehr genau. Unsere Sünden werden nicht nur in den krassen Angelegenheiten des Gesetzes gemessen, sondern in den unzähligen Feinheiten des Alltags, und auf diesen Sünden liegt die ewige Todesstrafe. Man könnte die Not so zusammenfassen: Was das Gesetz sagt, das sagt es . . . damit allen der Mund gestopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei ... Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. (Röm 3,19-20).
Diese erschütternde Botschaft ist nötig, denn die Gnadenbotschaft, die gute Nachricht, setzt eine Wahrnehmung unserer Not voraus. Gott aber sei Lob und Dank, dass er nicht bei dem geblieben ist, was zur Gerechtigkeit passt! Obwohl er allen Grund hat, mit allen Sündern unversöhnt zu sein, machte er in seiner Gnade, seit Anbeginn der Welt, den Weg zur Sühne frei. Auch dies gehört zu der Botschaft, in der – wie es Jesus sagte – Mose von mir geschrieben hat. Schon von Anfang an plante Gott den Weg zur Versöhnung, und verkündigte das Evangelium voraus (Gal 3,8)!
Mose über die Möglichkeit zur Sühne
Durch das ganze AT verkündigt Gott den Weg, wie unsere Schuld, die eine Versöhnung unmöglich macht, gesühnt und getilgt werden kann. Das erstaunliche an der Botschaft des ATs ist nicht, dass Gott unsere Sünde ernst nimmt und sie bestraft, sondern wie sehr er sich bemüht uns zu ermutigen mit der Tatsache, dass Er bereit ist, unsere Schuld zu tilgen. In 3. Mose, zum Beispiel, werden wir regelmässig an unsere Schuld durch die vielen Opfer erinnert. Sie weisen sogar leise darauf hin, dass die Schuld gar nicht wirklich weggenommen wird (Hätte nicht sonst das Opfern aufgehört, wenn die . . . ein für alle Mal rein geworden wären . . . Vielmehr geschieht dadurch alle Jahre nur eine Erinnerung an die Sünden. Denn es ist unmöglich, durch das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen. Heb 10,2-4). Aber diese Botschaft bleibt im Hintergrund; Gottes Bemühen ist es, uns wiederholt zu ermutigen, dass er die Schuld wegnehmen wird. Man bringt ja Sünd- und Schuldopfer; damit wird unmissverständlich vermittelt, dass diese Opfer gedacht sind, das Problem anzugehen. Man opfert auch Heilsopfer (Elberfelder), bzw. Friedensopfer (Schlachter 2000; 3Mo 3,1), was auch zeigt, dass Gott versöhnlich gestimmt ist. Mindestens 20 Mal wird in 3. Mose die Botschaft wiederholt: So soll der Priester die Sühnung für ihn vollziehen und ihm wird vergeben (1,4; 4,20,26,31,35; 5,6,10,13,16,18,26; 6,7; 7,7; 8,34; 9,7; 10,17; 16,30,34; 17,11; 19,22).
Das Gleiche wird durch die Gesetzgebung kommuniziert. Das Wunder am Sinai ist nicht, dass der Berg raucht, dass Blitze zucken und der Donner rollt, sondern, dass Gott mit sich reden lässt, und das von einem Menschen wie Mose, der ein widerspenstiges Volk wie Israel vertritt. Mitten in einer Stelle, die Gottes Schrecklichkeit und Heiligkeit zeigt (wer den Berg anrührt, der soll des Todes sterben; 2Mo 19,12; Als sie aber solches sahen, flohen sie und blieben in der Ferne stehen und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, wir wollen hören; aber lass Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben; 20,18-19) unterstreicht Gott Sein Ziel der Versöhnung: Fürchtet euch nicht (20,20) und Ach dass sie ein solches Herz hätten, mich zu fürchten und zu halten alle meine Gebote ihr Leben lang, auf dass es ihnen und ihren Kindern wohlginge ewiglich! (5Mo 5,28-29). Ja, dies gehört auch zur Versöhnung: Gottes Forderung, Vision und Verheissung, dass jeder in seinem Volk ein neues, reines Herz und einen neuen Geist bekommt, damit sie Ihn lieben und gehorchen können.
Siehe das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt!
Diese alttestamentliche Versöhnungsbotschaft, in all ihren Aspekten, wird in Jesus Christus und im Evangelium erfüllt. Er ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Die Botschaft ist und bleibt aber eine alttestamentliche Botschaft, denn das AT verkündigt Jesus nicht weniger als das NT.
* Erstens, wird das Ausmass des Unrechts, das zwischen uns und Gott steht und Versöhnung unmöglich macht, in Jesus noch deutlicher sichtbar. Man spürt es in der energischen und harschen Kritik Jesu gegen Stolz und Selbstgerechtigkeit (die wir leider gut kennen) – ist das nicht ist die Hauptbotschaft der alttestamentlichen Propheten? Man spürt ihn auch in Jesu Erfüllung der Gerichtsstrafen im AT, wenn die Menschen sich in Klüften und Felsen verbergen und schreien: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! (Off 6,15-16). Aber am stärksten, am deutlichsten, und am wichtigsten, wenn es um unser Heil geht, spüren wir diesen Zorn als er am Kreuz hängt und den ganzen Zorn seines Vaters erträgt, bis hin zum Schrei: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Hier erfüllt er alle Opfergesetze; er wird unser Passalamm, unser Brandopfer, unser Sündenbock. Er wurde verlassen, damit wir in Ewigkeit nicht verlassen sein müssen; er hat die volle Strafe der ewigen Pein in diesen Stunden am Kreuz für alle Erlösten getragen. Halleluja!
* Zweitens, genau am Kreuz finden wir die Gnade Gottes. Es ist Gnade, weil Gott keinen Strich von seiner Gerechtigkeit abweicht, sondern sie vollkommen erfüllt. Es ist Gnade, weil er uns nicht erretten musste. Es wäre vollkommen gerecht, uns alle – ausnahmslos – in der Hölle zu bestrafen, wie er es bei den gefallenen Engeln tat. Er hätte ja ausreichend Grund dafür! Aber Gott erweist, durch die Aufopferung seines Sohnes, wie gnädig er mit uns umgehen will – wie stark er sich mit uns versöhnen will. Wir konnten das Unrecht, das zwischen uns stand, nicht beseitigen. Da tat Gott das Erschreckliche und das Wunderbare – er goss seinen vollen, ewigen, höllischen Zorn auf seinen unschuldigen Sohn. Wie er es durch das ganze AT tut, rettete er sein Volk selbst: Nicht ein Engel und nicht ein Bote, sondern ... Er erlöste sie, weil er sie liebte und Erbarmen mit ihnen hatte. Das Ausmass der Gnade wird in der Kreuzigung deutlich. Hier sehen wir Gottes Bestreben, Seinen Zorn zu besänftigen und uns zu vergeben. Es ist in dieser Hinsicht wichtig, dass in einem gewissen Sinne Jesus Christus sich nicht freiwillig für dieses Sterben gemeldet hatte. Vielmehr opferte Gott seinen Sohn, um sich mit uns zu versöhnen: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
* Drittens, in Jesus Christus wird die tatsächliche und endgültige Vergebung erfüllt. Das Opfergesetz liefert, wie oben bemerkt, eine doppelte Botschaft – uns ist vergeben und doch werden die Opfer wiederholt. Und das Blut von Tieren kann die Schuld menschlicher Sünde nicht wirklich wegnehmen. Mit Jesu Tod ist die volle Strafe der Menschheit von einem Menschen bezahlt, die volle Schuld getilgt, und den vollen Gehorsam Christi uns angerechnet.
* Viertens, in Jesus Christus wird die Vision des ATs für ein reines Volk erfüllt. Das Bestreben des Gesetzes und der Propheten, dass Gottes Volk rein wird, nicht nur zeremoniell, sondern vor allem mit der echten Beschneidung des Herzens, wird erfüllt. In Christus bekommen wir dies auf zwei Weisen: sowohl in dem Tausch am Kreuz, als nicht nur unsere Schuld getilgt wird, sondern auch sein ganzer perfekter Gehorsam uns angerechnet wird, als auch in der inneren Erneuerung durch den Geist Gottes, durch die wir – endlich! – das neue, beschnittene, reine Herz bekommen, das Gott aus innerem Antrieb fürchtet, dient, und liebt.
Eine wichtige Endnote: wie sage ich es meinem Freund?
Diese Versöhnungsbotschaft aus dem AT liefert interessante und hilfreiche Hinweise für Versöhnung zwischen Menschen. Wenn wir das Gespräch mit unserem Freund jetzt wieder aufnehmen, gäbe es viele Möglichkeiten, weiter gewinnbringend über das Evangelium zu reden. (Nebenbei gesagt, schäme dich nicht, dies mit deinen Freunden auch viel später zu tun! Jeder von uns hat Situationen, in denen er um eine weise Antwort verlegen ist. Oder vielleicht haben wir eine Antwort gegeben, aber sie war nicht so treffend wie gewünscht. Es gibt keinen Grund, dies nicht später mit der Person wieder aufzunehmen! Man kann es einfach einleiten: „Ich dachte über unser Gespräch kürzlich nach – obwohl es etwas Zeit gekostet hat, kann ich dir dafür jetzt eine bessere Antwort geben.“)
Eine mögliche Anknüpfung wäre auf ein wichtiges Merkmal eines unlösbaren Streits hinzuweisen – nämlich, dass man sich vor allem mit dem Vergehen des Anderen beschäftigt, und nicht wirklich fähig ist, die eigenen Fehler zuzugeben. So laufen meistens politische Gespräche – wer gibt schon Schuld zu oder bittet um Vergebung? Die Bibel lehrt uns, uns in erster Linie mit uns selbst zu beschäftigen, und nicht so sehr mit den Fehlern des Anderen. Schliesslich steht jeder vor Gott und legt Rechenschaft ab für das, was er selbst gemacht hat. Würde diese Haltung nicht viele moderne Konflikte wesentlich entschärfen? Interessanterweise liefert gerade das AT viele Beispiele von politischen Konflikten, in denen Leute gerne mit dem Finger auf die Anderen zeigten. Aber Gott hat ihre Sünden auch nicht vergessen (Habakuk, z.B.). Gerade im langwierigen Konflikten kann man sehen, wie Gott sich nicht spotten lässt, und beide Konsequenzen für ihre Schuld tragen müssen, mal auf die eine, mal auf die andere Seite.
Natürlich ist das nur ein möglicher Anknüpfungspunkt. Es gibt unzählige! Wie interessant wäre ein Zeugnis von Israelis und Palästinensern, die die Bibel tatsächlich zusammen studieren und friedliche Beziehungen als gläubige Christen pflegen! Oder auf die Tendenz einzugehen, objektive Belange in einem Konflikt nicht wirklich gerecht lösen zu wollen. Meistens in unseren Gesprächen über Politik ist Rat recht oberflächlich – oft nicht mehr als „hört einfach auf zu streiten!“ Ein objektives Problem etwas genauer zu diskutieren (z.B. eine gerechte Teilung des Landes im Nahen Osten) kann ein Anknüpfungspunkt sein, um über unser objektives Problem mit Gott zu reden.
Das sind aber nur lautgedachte Ideen. Die Hauptsache ist: möge Gott uns Freude an unserer Versöhnung mit Gott geben und die Fähigkeit, sie in einer Freude und Vollmacht zu verkündigen!
Zusammenfassung:
Die Meinung liegt nahe, dass das AT uns wenig über Versöhnung vermittelt. In der Tat jedoch ist Versöhnung eine Hauptbotschaft des ATs, und es kann uns in unserem Verständnis des Heils sehr helfen. Das AT hilft uns, die Gnade Gottes als Gnade wahrzunehmen, denn sie zeigt uns, welches Unrecht zwischen uns und Gott steht, welche Strafe dies verdient hat, und was für ein Wunder es ist, dass wir mit Ihm vollkommen versöhnt werden können.
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Lieber Brad
AntwortenLöschenLieber Kurt
Auf folgendem Link sind Vorträge eines Israeli und eines Paläsinensers zu finden die am Männertag 2008 in Bern gemeinsam über Versöhnung berichtet haben.
http://www.maennerforum.ch/Maennerforum/webX.nsf/Content/MREN-7F3ADP!OpenDocument
Viele liebe Grüsse
Thomas