Eine Besinnung
auf das Zentrum des Evangeliums
Um
einen Kurs vorzubereiten, der Christen helfen sollte, Aussenstehenden das
Evangelium zu erklären, machte ich eine Umfrage in christlichen Buchläden und
an anderen Orten, wo ich annahm, dass andere Christen anzutreffen sind.
Ich
bat die Befragten, mir im Zeitrahmen von etwa einer Minute das Evangelium zu
beschreiben.
Das
Resultat war vernichtend. Die wenigsten konnten nur annähernd eine richtige
Definition geben. Die wenigen, die den biblischen Begriff am Treffendsten
widergaben, sagte etwas wie: "Jesus starb am Kreuz für uns."
Ich
fragte schliesslich am Anfang des Kurses die Teilnehmer. Das Resultat war
ähnlich mager. Und dieselbe Erfahrung habe ich immer und immer wieder gemacht,
wenn das Thema 'Evangelium' zur Sprache
kam. Ein Grossteil der Christenheit, die bekennt, an Jesus Christus zu glauben,
kann zwar sagen: "Jesus Christus starb für mich, für uns…", aber was
dies im Einzelnen bedeutet; warum Christus starb, was er damit genau bewirkte
und was das für Implikationen hat, können die Allerwenigsten erklären oder gar
gegen falsche Ansichten verteidigen.
Im
Gegenteil: es kursieren unzählige irrige Meinungen darüber, was Christus durch
sein Leben und Sterben beabsichtigte und bewirkte. Die Botschaft, die die
Kirche als Evangelium verkündet, wird
dadurch zunehmend unklar.
Es
ist darum dringend notwendig, dass wir uns neu darauf besinnen, was uns Gottes
Wort über das Sühneopfer Christi lehrt, damit wir das Evangelium in genügend
umfassender Weise darstellen können.
Im
Folgenden sollen deshalb die Notwendigkeit, die Natur, die Vollkommenheit und
die Auswirkungen des Sühneopfers Jesu Christi dargelegt werden.
Die Notwendigkeit des Sühnopfers
Gerade
in dem kulturellen Kontext, in dem wir heute leben, ist es wichtig, die Frage
nach der Notwendigkeit eines Sühneopfers neu zu stellen. Wir sind uns gewohnt,
dass man uns von allen Seiten Programme anbietet, die unsere gegenwärtigen
Probleme lösen sollen. Diese Angebote sind durchweg Menschen-zentriert. Das
bedeutet, dass sie darauf ausgerichtet sind, die Unzulänglichkeiten zu
ergänzen, die Fehler zu beheben, die wir als
störend empfinden. Die Lösungen, die angeboten werden, sollen uns in unserem Vorankommen und für unser Wohlbefinden hilfreich sein.
So
wird auch von christlicher Seite oft verkündet: „Die Bibel hat Antworten auf
alle deine Fragen.“ Das mag ein Stück
weit stimmen. Es stimmt aber vorwiegend dann, wenn wir die richtigen Fragen
stellen. So müssten wir aus biblischer Perspektive eigentlich vielmehr sagen:
„Die Bibel hilft dir, die richtigen Fragen zu stellen.“
So
ist eben die Frage nach der Notwendigkeit des Sühneopfers eine solche richtige
Frage.
Warum
muss es überhaupt ein Sühneopfer geben? Warum musste das sein, dass Gott der
Sohn Mensch wurde und an einem Kreuz ausserhalb Jerusalems hingerichtet, eben
geopfert wurde?
Der
Kern der Antwort liegt in der vollkommenen Verderbnis des Menschen durch die
Sünde, dem Abfall des Menschen von seinem Schöpfer. Der Ungehorsam des ersten
Menschen, Adam, hat seine ganze Nachkommenschaft mit der Sünde verunreinigt und
verdorben, so dass nun alle Menschen in derselben Auflehnung gegen Gottes
Autorität und in derselben unheiligen und bösen Haltung gefangen sind. Die Bibel
nennt diesen Zustand auch ‚Tod‘. Von Natur aus ist jeder Mensch durch die Folge
der Sünde Adams abgetrennt vom Leben Gottes. „Darum, wie durch einen Menschen
die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, so ist der Tod
zu allen Menschen durchgedrungen“ (Röm 5:12).
Die Auswirkung davon ist, dass
kein Mensch mehr die Forderung Gottes erfüllen kann, nämlich gerecht und heilig
zu leben, seine Gebote zu halten. „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da
ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. Alle sind
abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes
tut, da ist auch nicht einer.“ (Röm 3:10-12)
Diesen
Zustand hat Gott Adam vorhergesagt, bevor dieser von ihm abfiel. Er hat ihm den
Tod als Gericht angekündigt, sollte er von dem verbotenen Baum essen. Gottes
Gerechtigkeit und auch seine Glaubwürdigkeit fordern es, dass er dieses Gericht
ausführt. Es ist unwiderruflich: Der Mensch, der sündigt, muss sterben. Und
weil der Mensch gegen den ewigen Gott gesündigt hat, muss er auch einige ewige
Bestrafung, den ewigen Tod, die ewige Trennung von Gott, erleiden. Das fordert
wie gesagt Gottes absolute Gerechtigkeit.
Aber
Gott hat nicht nur diese Eigenschaft der absoluten Gerechtigkeit. Er ist auch
der Gott der Liebe. In seiner Liebe will er nicht alle seine Geschöpfe dem
Verderben des Gerichts überlassen, sondern will eine grosse Schar dieser Sünder
vor dem ewigen Tod bewahren.
Aus
dieser Absicht entsteht nun die Notwendigkeit eines Sühneopfers. Die Frage, die
diese Notwendigkeit begründet, ist: „Wie kann Gott in seiner Beurteilung und
seinem Handeln gerecht sein und gleichzeitig ungerechte Sünder vor dem
gerechten Gericht verschonen?“ Gottes Zorn über die Sünder ist vollkommen
richtig und kann nicht aufgehoben werden, indem Gott einfach über ihre
Ungerechtigkeit hinwegsieht – aus Liebe sozusagen. Die Liebe Gottes kann nicht
seine Gerechtigkeit ausser Acht lassen. Genau genommen kann Gott als Gerechter
nur das lieben, was seinem Wesen entspricht, seiner Liebe würdig ist. Damit ein
Mensch in diese Form kommen kann, müsste er zuerst vollkommen sein; d.h. dem
Willen Gottes für sein Sein und Handeln vollkommen entsprechen. Er müsste nicht
nur die ganze Gerechtigkeit Gottes, die in den Geboten ausgedrückt ist, in
allem tun, sondern auch in seinem Wesen vollkommen heilig und rein sein. Nichts
falsches, nichts Mangelhaftes, nichts Böses dürfte an ihm sein.
Das
ist absolut unmöglich, weil – wie wir gesehen haben – das ganze Erbgut der
menschlichen Rasse bereits vollkommen verdorben ist. Und kein Mensch ist in der
Lage, dies zu reparieren. Wir können unsere Natur nicht zum Guten verändern und
können auch nicht die geforderten gerechten Werke tun. Und es ist uns auch
nicht möglich, Gottes Zorn in Bezug auf unsere bereits begangenen
Ungerechtigkeiten zu besänftigen.
All
dies wäre aber notwendig, damit Gott uns als ihm ebenbürtige und seiner
Gemeinschaft würdige Geschöpfe annehmen könnte.
Um
es noch einmal zusammenzufassen: damit Menschen in die Gemeinschaft Gottes
gebracht werden können, ist eine Aktion notwendig, die Gott in Bezug auf unser
Wesen und unsere praktische Gerechtigkeit zufriedenstellt. Unsere bestehende
Schuld müsste vollkommen beglichen werden und wir müssen in unserem Wesen
heilig gemacht und auch befähigt werden, unser Leben vollkommen nach Gottes
Willen zu führen.
Das
Dilemma, in dem wir allein in Bezug auf unsere verdiente Strafe für unsere
Schuld stecken, wird kaum an einem Ort so treffend beschrieben als im
Heidelberger Katechismus in den Fragen und Antworten 12-14:
F:
Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe
verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade
erlangen?
A:
Gott will zu seinem Recht kommen, darum müssen wir für unsere Schuld entweder
selbst oder durch einen anderen vollkommen bezahlen.
F:
Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?
A:
Nein, sondern wir machen sogar die Schuld noch täglich größer.
F:
Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?
A:
Nein, denn erstens will Gott an keinem anderen Geschöpf strafen, was der Mensch
verschuldet hat. Zweitens kann kein Geschöpf die Last des ewigen Zornes Gottes
gegen die Sünde ertragen und andere davon erlösen.
Der
Katechismus führt mit diesen Fragen zu eben dieser Tatsache, dass wir jemanden
brauchen, der für uns vermittelt. Konkreter ausgedrückt: wir brauchen jemanden,
der die Ansprüche Gottes für uns, an unserer Stelle erfüllt.
Was
kein Geschöpf für uns übernehmen konnte, hat Gott der Sohn selbst übernommen,
indem er Mensch wurde und als solcher die ganze göttliche Gerechtigkeit, die
von einem jeden Menschen gefordert ist, erfüllt hat. Und indem er
stellvertretend die Strafe für die Sünde trug, die Gottes Zorn über die
Menschen hervorgerufen hat.
Die Natur des Sühnopfers
Wir
können nicht die Notwendigkeit des Sühneopfers behandeln, ohne auf dessen Natur
oder Wesen zu sprechen zu kommen. Die Frage: „Warum brauchen wir ein Sühneopfer?“
führt zu der Frage: „Wie muss das Sühneopfer beschaffen sein, dass es die
Anforderungen erfüllt, die Gott an uns stellt?“
Was
wir bereits erkannt haben, ist dass kein Mensch in der Lage ist, eine Erlösung
bereitzustellen, die der göttlichen Forderung gerecht wird. Der sündige Mensch
ist nicht fähig, zu erkennen, dass er Erlösung braucht, und erst recht nicht,
wie eine solche Erlösung aussehen könnte.
Gott
allein weiss das. Und er ist in der Tat derjenige, der dem Menschen unmittelbar
nach dessen Fall in die Sünde sein Problem zu erkennen gab, die Lösung dazu
bekannt gemacht und den Erlöser angekündigt hat. Das Sühneopfer Christi ist
ganz und gar Gottes Design.
In
der Hauptsache hat Gott die Erlösung der Sünder durch ein stellvertretendes
Opfer offenbart und durchgeführt. Den ersten Hinweis auf dieses Opfer finden
wir bereits in 1Mo 3:15, wo gesagt wird, dass der Erlöser, der der Schlange den
Kopf zertreten wird, seine Ferse opfern wird. Und im folgenden V. 21, wo es
heisst, dass Gott die Blösse der Sünde von Adam und Eva mit Fellen von
Opfertieren zudeckte. Von Adams Sohn Abel lesen wir, dass er Gott ein Opfertier
darbrachte, in dem Bewusstsein, dass es ein solches sein muss, das für seine
Sünde sühnt. Heb 11:4 gibt ihm das Zeugnis, dass er im Glauben handelte, worauf
ihm dieses Opfer Gerechtigkeit bei Gott einbrachte. Das Opfer für Adam und Eva
und Abels Opfer sind sozusagen Prototypen für alle folgenden Tieropfer, die im
Gesetz Moses vorgeschrieben waren, durch welche dem Volk Gottes das endgültige
Opfer Christi vorabgebildet wurde.
In
ihrem Wesen waren diese vorbildhaften Opfer dasselbe wie das Sühneopfer
Christi, nämlich eine stellvertretende Hinrichtung an des Sünders statt.
Indem
Gott zuerst vorbildhaft selber ein Opfer für den ersten Sünder brachte und
anschliessend Opfer für Sünde verlangte, hat er gezeigt, dass er als gerechter
Richter die Sünde auf jeden Fall bestrafen muss und wird, nämlich mit dem Tod.
Und er zeigte auch, dass er einen stellvertretenden Tod akzeptiert.
Das
Gesetz Gottes sagt: Der Mensch, der sündigt, muss sterben. Wenn Gott nun einen
Stellvertreter für diesen Menschen akzeptiert, muss dieser stellvertretend den
Tod erleiden.
Genau
das hat Christus getan, indem er die Stelle der Sünder einnahm, die Gott retten
wollte.
Er
wurde an unserer Stelle zum Sünder gemacht (2Kor 5:21). Das heisst, dass ihm
nicht nur die einzelnen sündigen Taten dieser Menschen, sondern auch ihre
sündige Natur und alle nicht erfüllten guten Werke angerechnet wurden, als er
ihre Strafe trug. Das heisst: Christus nahm die Identität „Sünder“ an und wurde
entsprechend behandelt.
Nur
durch diese Art der Stellvertretung kann Gottes Gerechtigkeit überhaupt erfüllt
werden. Nur sie kann Grundlage für die wahre Erlösung sein. Damit Gott Sündern
‚vergeben‘ kann, muss seiner Gerechtigkeit Genüge getan werden. Gott vergibt
nicht, indem er einfach die Augen zudrückt und sagt: „…ist nicht so schlimm,
was du getan, wie du gelebt hast – ich verzeihe dir…“ Sondern er rechnet die
Sünde nicht mehr an, weil sie gesühnt ist, weil die gerechte Strafe dafür
tatsächlich ausgeführt ist. Die Versöhnung mit Gott geschieht so, „dass Gott
in Christus war [als er ihn anstelle der Sünder strafte] und die Welt
mit sich selbst versöhnt hat, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnete“
(2Kor 5:19).
Die Vollkommenheit des Sühnopfers
Unter
diesem Punkt wollen wir vor allem auf die Frage eingehen, was das Sühneopfer
Christi für Auswirkungen hat.
Die
Bibel lehrt, dass das Opfer Christi ein vollkommenes Opfer ist. Das ist es in
zweifacher Weise: Erstens bewirkt es das, was die unter den alten Bund
verordneten Tieropfer nicht vollbringen konnten, nämlich Sünder von ihrer Sünde
zu reinigen:
Denn
da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild
selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie
alljährlich darbringen, die Hinzunahenden für immer vollkommen machen. (Heb
10:1) ... denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehmen.
(Heb 10:4)
Die
Tieropfer waren, wie wir das schon erläutert haben, lediglich ein Schatten, ein
Vorbild des Kommenden, des vollkommenden Opfers Christi:
Denn
mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht.
(Heb 10:14)
Die
Tieropfer konnten dies nicht vollbringen, weil sie nicht die Voraussetzungen
erfüllten, die Christus erfüllt hat. Nämlich dass er vollkommener Mensch war,
der das göttliche Gesetz in allem erfüllte. Er war der erste und einzige Mensch
ohne Sünde, vollkommen rein und heilig. Als solchem konnte Gott ihm die Sünde
der Erwählten aufladen (anrechnen) und er konnte in vollkommener Weise für sie
die Strafe erleiden. Weil durch ihn die Strafe tatsächlich und in vollem
Ausmass bezahlt wurde, muss und wird sie den betreffenden Menschen nun nicht
mehr auferlegt werden. Dies ist sozusagen eine passive Form der Erfüllung des
Sühneopfers.
Zweitens
bewirkt das Sühneopfer das, was das Gesetz nicht vollbringen konnte: Denn
das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott,
indem er seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für
die Sünde sandte und die Sünde im Fleisch verurteilte, damit die Rechtsforderung des Gesetzes
erfüllt wird in uns (Röm 8:3-4).
Das
Gesetz fordert vollkommene Gerechtigkeit, die vollkommene Erfüllung von Gottes
Willen. Es kann aber nicht bewirken, dass ein Mensch das auch tun kann, was es
verlangt. Dazu fehlt ihm die Kraft, da er durch die Macht der Sünde geknechtet
ist.
Durch
sein Sühneopfer hat Christus nicht nur den Göttlichen Zorn über die Sünde
ertragen und damit die Schuld gegenüber Gott beglichen, sondern er hat auch die
Macht der Sünde gebrochen. Derjenige, dem das Opfer Christi gilt, ist nun
befreit, den Göttlichen Willen zu tun.
Das
Sühneopfer Christi ist in dem Sinn vollkommen, dass es ein wirksames Opfer ist.
Es bewirkt all das, wozu es Gott entworfen und eingesetzt hat.
Es
stillt den Zorn Gottes über die Rebellion und den Ungehorsam des Menschen. Und
weil es die Sünde vollkommen weggenommen hat, befreit es auch von ihrer
knechtenden Macht.
Um
es in biblischen Begriffen auszudrücken: das Sühneopfer Christi bewirkt beides,
Rechtfertigung und Heiligung der Erwählten.
Dies
steht im Gegensatz zu der Römisch-Katholischen Lehre, die besagt, dass das
Opfer Christi lediglich von der Erbsünde befreien würde, und dass die
sogenannten „tätlichen Sünden“ anschliessend noch durch „Werke der Busse“
gesühnt werden müssten. Die Bibel widerspricht dem eindeutig: Denn mit einem
Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht (Heb
10:14).
Die
vollkommene Rechtfertigung und Heiligung ist aber nicht in der Weise geschehen,
dass die Heiligen faktisch schon heilig wären. So als ob Christi Gerechtigkeit
und Heiligkeit ihnen mittels einer sogenannten „Infusion“ gegeben wäre. Sie
sind nicht in ihrem ganzen Wesen bereits gerecht und heilig, sondern sie sind
‚gerechtfertigt‘ und werden ‚geheiligt‘.
Die
Rechtfertigung ist eine forensische (oder gerichtliche) ‚Gerechtsprechung‘.
Gott hat die betreffenden als gerecht erklärt, indem er ihnen Christi
Gerechtigkeit anrechnet, nachdem er ihm ihre Ungerechtigkeit angerechnet hat.
Heiligung bedeutet in dem Zusammenhang, dass sie erst noch heilig gemacht
werden, indem sie fortwährend in das Ebenbild Christi umgewandelt werden. Die
vollkommene Heiligkeit ist erst sichtbar, wenn wir am Ende der Zeit, in der
Erfüllung aller Dinge mit Christus vereint sind in seiner Wiederkunft (1Joh
3:2).
Das
Sühneopfer Christi ist vollkommen, weil er in seinem Erlösungswerk bereits
alles für uns erworben hat. Es muss nichts mehr von menschlicher Seite
hinzugetan werden.
Christus
hat Sünder, die von Natur mit Gott verfeindet waren, mit ihm versöhnt.
Definitiv. Es gibt keine Verdammnis mehr für die, die ‚in Christus‘ sind (Röm
8:1). Das Opfer Christ bewirkte, dass diese von Gott neu geschaffen sind. Sie
sind eine ewige Schöpfung, die durch nichts mehr zerstört werden kann. Sie sind
ausserdem befähigt, mehr und mehr in ihrem Wesen und Handeln Christus zu
gleichen.
Gottes
(neue) Schöpfung ist vollkommen, weil das ‚Mittel‘ dazu, Christus und sein
Erlösungswerk, vollkommen ist.
Der Umfang des Sühnopfers
Die
Frage nach dem Umfang des Sühneopfers ist einfach: „Für wen gilt das
Sühneopfer? Für wen ist Christus gestorben?“
Auf
diese Frage werden in der Christenheit grundsätzlich zwei verschiedene
Antworten gegeben. Die Einen behaupten: „Christus ist für alle Menschen
gestorben.“ Um dies zu belegen werden Bibelpassagen zitiert wie z.B.: Und er
ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern
auch für die ganze Welt (1Joh 2:2). Was man dabei übersieht, ist dass diese
Aussage vorwiegend auf dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Juden und
Heiden gemacht wurde (‚unsere Sünden‘ sind die der Juden, ‚die der ganzen Welt‘
sind die aller anderen). Ausserdem
werden solche aus dem Zusammenhang genommenen Stellen nicht der
gesamtbiblischen Lehre von der Versöhnung gerecht, die wir oben dargelegt
haben.
Es
wird argumentiert, dass Christus zwar für alle gestorben sei, aber nicht alle
in den Genuss der Sühne kommen, weil sie nicht glauben.
Wenn
wir aber die obengenannten Aspekte der biblischen Lehre über das Sühneopfer;
Notwendigkeit, Wesen und Vollkommenheit, berücksichtigen, kommen wir nicht
darum herum zu erkennen, dass Christus für eine ganz bestimmte, von Gott
vordefinierte Gruppe starb.
Damit
jemand wirklich vor Gott gerechtfertigt und geheiligt ist, braucht es ein
Opfer, das ihn tatsächlich von seiner Sünde reinigt. Die Bibel lehrt, dass das
tatsächlich und effektiv geschehen ist. Der Sünder braucht eine wirksame
Erlösung, die nicht nur ein Angebot ist, durch dessen Annahme er sich sozusagen
selbst befreit. Christus muss meine Sünde tatsächlich tragen (biblisch
ausgedrückt: an meiner Stelle zur Sünde gemacht werden), damit sie wirklich von
mir genommen ist. Und wenn das ‚für mich‘ geschehen ist, dann ist es eine
Realität, die ich nicht erst aktivieren muss. Wenn Gott etwas für mich getan,
ja mich neu geschaffen hat, dann kommt diese Realität in meinem Leben zum
Tragen. Wenn man sagen würde: „Christus ist für mich gestorben“ und ich
dann dadurch nicht wirklich gereinigt und gesühnt bin – was das erklärte Ziel
Gottes mit dem Sühneopfer ist (Jes 53:10-11) – dann wäre ja Christi Opfer nicht
wirksam für mich; das würde heissen: Gott hat sein Ziel nicht erreicht. Dieser
Gedanke ist des allmächtigen Gottes nicht würdig.
Als
Jesus in seinem Hohepriesterlichen Gebet für seine Jünger betet, schaut er
zurück auf den Plan, den sein Vater mit ihm und für ihn gefasst hat. Er spricht
mehrfach von den Jüngern und denen, die durch sie zum Glauben kommen, als von
einer Gruppe Menschen, die Gott ihm gegeben hat, damit er für sie hingehe und
sterbe und sie so zum Heil führe:
Vater,
die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich
verherrliche, wie du ihm Vollmacht gegeben hast über alles Fleisch, daß er
allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe (Joh 17:1-2).
Ich
habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.
Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben (Joh 17:6).
Schon
einige Kapitel vorher merkte er an, dass er sein Leben für seine Schafe geben
würde (Joh 10:11). Dies nachdem er immer wieder betont hatte, dass es solche
gibt, die zu seinen Schafen gehören und solche, die es nicht tun. Diejenigen,
die es nicht sind, sind es deshalb nicht, weil der Vater sie nicht dazu
bestimmt hatte. Z.B.: aber ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von
meinen Schafen (Joh 10:26). Folglich ist er auch nicht für diese gestorben.
Ganz
besonders deutlich kommt die Lehre von dem bestimmten Sühneopfer in Röm 8:28-30
zum Ausdruck.
Wir
wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken,
denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind. Denn die er vorher erkannt hat,
die hat er auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein,
damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er
auch berufen; und die er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; die er
aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.
Viele
von uns lernten schon sehr früh die erste Hälfte von Vers 28 auswendig: „Denen,
die Gott lieben, werden alle Dinge zum Besten Dienen…“ Was wir oft übersehen,
ist die nachfolgende Erklärung, wer diese Menschen sind, die Gott lieben. Es
sind diejenigen, die er zum Heil vorherbestimmt hat – also dazu, dass Christus
für sie stirbt und damit bewirkt, dass sie „dem Bilde seines Sohnes
gleichförmig“ gemacht werden.
Ganz
deutlich lehrt uns Paulus in diesem Abschnitt, dass das Sühneopfer Christi und
seine Auswirkungen sozusagen ein Paket sind, das nicht auseinandergenommen
werden kann. Wenn wir Vers 30 genau lesen, erkennen wir, dass hier mehrere
Satzteile mit Aussagen über das Heil durch Relativpronomen zusammengehängt
sind: Die er aber vorherbestimmt hat, diese hat er auch
berufen; und die er berufen hat, diese hat er auch
gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch
verherrlicht.
Hier
wird eigentlich die gesamte biblische Lehre von der Erlösung in einem Satz
zusammengefasst. Wenn wir die Aussagen darin in mehreren Sätzen wiedergeben,
könnten wir es so formulieren: Gott hat sich von Anfang an, vor Erschaffung der
Welt (Eph 1:4) ein Volk erwählt, das er von ihren Sünden retten wollte. Er hat
sich dazu ein Sühneopfer bestimmt, das ihre Unreinheit und Ungerechtigkeit
stellvertretend auf sich nimmt und den Zorn und Fluch Gottes darüber erduldet.
Durch dieses Opfer rechtfertigt er dieses Volk und heiligt und verherrlicht es.
Das Sühneopfer ist für dieses bestimmte Volk notwendig und auch wirksam.
Für
Menschen, die nie an Christus glauben werden, und die deshalb auch nie
gerechtfertigt und geheiligt werden, muss kein Opfer gebracht werden. Es ist
nicht notwendig.
Christus
hat keinen Tropfen seines teuren Blutes unnötig vergossen. Auch ist sein Opfer
nicht für viele Menschen unwirksam geblieben – was diejenigen glauben müssen,
die sagen, Jesus sei für alle Menschen gestorben, sein Tod würde nur nicht für
alle zur Wirkung kommen.
Zusammenfassung
Das
Sühneopfer Christi ist ein grosses Thema mit so vielen Aspekten, dass wir es
unmöglich in einem Artikel, ja nicht einmal in einem einzigen Buch umfassend
beschreiben können.
Meine
Hoffnung ist, dass wir die wichtigsten Antworten auf die Frage: „Was ist die
zentrale Lehre des Evangeliums in Bezug auf das Sühneopfer Christi?“ gefunden
haben.
Das
Sühneopfer Christ ist notwendig, weil Gott zu Recht zornig ist über die
Sünde seiner Geschöpfe. Wir haben seine Heiligkeit beleidigt und uns gegen sein
Gesetz, und damit gegen ihn selbst, aufgelehnt. Diese Rebellion und die daraus
folgende Sünde muss gestraft werden, damit Gottes Gerechtigkeit Genüge getan
wird.
In
seiner Natur muss das Sühneopfer so beschaffen sein, dass es
stellvertretend die Sünde der Menschen tragen kann. Gottes Sohn wurde
(vollkommener) Mensch, damit er eben diese Anforderung erfüllen kann. Die
Sünde, durch den Menschen begangen, wird somit im Menschen bestraft.
Das
Sühneopfer Christi ist vollkommen. Es ist wirksam und versöhnt
tatsächlich. Es rechtfertigt und heiligt die Menschen, für die es gebracht
wurde.
Und
es ist begrenzt in dem Sinn, dass es für die Menschen gebracht wurde, die Gott
von Anfang an retten, rechtfertigen und heiligen wollte.
Das
ist das Evangelium, das wir verkündigen müssen.