Immer wieder höre ich Christen, sogar Pastoren,
sagen: "Was wir brauchen ist nicht so viel Lehre, sondern mehr praktisch
gelebtes Christsein."
Die Haltung kommt zum Beispiel zum Ausdruck, wo
Predigten verlangt oder gehalten werden, die weniger Erklärung des Biblischen
Textes, seiner Bedeutung und seines Zusammenhangs enthalten und stattdessen
eine Aneinanderreihung von Erlebnissen und Geschichten sind.
Hausbibelkreise sind ebenfalls meist nur
Austauschrunden, in denen man seine persönlichen Erfahrungen zum Besten gibt.
Wir finden denselben Trend auch, wenn wir in
Christliche Buchkataloge oder Buchhandlungen schauen: es gibt da kaum mehr
Bücher über Themen wie z.B. Rechtfertigung, Heilssicherheit, Dreieinigkeit,
Sünde, usw. oder Auslegungen biblischer Bücher. Stattdessen wimmelt es von
Ratgebern für alle möglichen Bereiche des alltäglichen Lebens wie z.B. Umgang
mit Geld, Eltern mit schwierigen Kindern, Management, Gesprächsführung,
Mitarbeiterführung, usw. all dies mit dem Anspruch, aus Christlicher
Perspektive zu sein.
Das Stichwort ist
"praxisorientiert". Lehre wird als anstrengend und für das
tägliche Leben als Christ irrelevant angesehen, praktische Ratgeber dagegen als
lebensnah und hilfreich.
Wenn wir diesen Trend kritisieren, darf es
natürlich nicht darum gehen, gegen ein gut und richtig praktiziertes
Christenleben zu reden.
Wir könnten genauso gut den Fehler machen, dass
wir zu verstehen geben, man müsste nur die richtige Lehre im Kopf haben, es sei
dabei egal, wie man praktisch lebt.
Die Bibel gibt uns klar zu verstehen, dass ohne
Heiligung niemand den Herrn sehen wird. Das Streben nach einem guten, vom
Heiligen Geist geprägten und geführten Christenleben ist unverzichtbar.
Worum es mir geht, ist zu zeigen, dass wir das eine
nicht ohne das andere haben können.
Mit anderen Worten: es gibt kein praktisches
(gutes, richtiges) Christenleben ohne eine gründliche Lehrgrundlage.
Wer sogenannt "praktisches Christsein"
gegen eine Betonung und Pflege der Lehre ausspielt, sägt an dem Ast, auf dem er
sitzt. Und er ist etwas kurzsichtig in seinen Aussagen, er widerspricht seiner
eigenen Lebenshaltung.
Niemand, der einen Arzt aufsucht, möchte, dass der
Arzt in der Weise praxisorientiert ist, dass er nicht viel von der Lehre der
Medizin hält. Im Gegenteil, je besser dieser sein Fach studiert hat, desto
besser kann er helfen. Ich bin froh, wenn ich mit Schmerzen in der Nierengegend
zum Arzt gehe, wenn dieser nicht einfach mal ein Skalpell nimmt, mich
aufschneidet und nachsieht, was er da finden kann. Ich wäre froh, wenn er ein
möglichst breites Wissen über die Funktionen und Krankheiten des menschlichen
Körpers hat, das er ständig erweitert, indem er sich in seinem Fach
weiterbildet – also seiner praktischen Arbeit viel Lehre zugrunde legt.
Niemand, der Auto zum Mechaniker bringt, will,
dass dieser einfach daran rumschraubt, ohne ein gutes Fachwissen zu haben, das
er ebenfalls ständig pflegt. Ich wähle mit Vorzug einen Mechaniker, der so gut
gelehrt ist, dass er mir auch noch erklären kann, wie gewisse Teile meines Autos
funktionieren und wie ich damit fahren kann, dass mein Auto optimal läuft und
lange hält.
Jeder Beruf und jeder Lebensbereich 'funktioniert'
nach bestimmten Gesetzen oder theoretischen Grundlagen. Man kann überhaupt nur
gut sein im Leben oder im Beruf, wenn man diese Grundlagen, bzw. Gesetze, gut
kennt und sie in der Praxis berücksichtigt.
Das ist im Christenleben besonders wichtig. Wo es
beim Auto nur um materielle Teile geht, die kaputt gehen können, und wo es in
der Medizin 'nur' um den Körper geht, der Schaden nehmen kann, geht es in der
Theologie, in der Christlichen Lehre, um das ewige Leben.
Wenn sich hier Fehler einschleichen, hat das ewige
Konsequenzen.
Deshalb sind der Herr Jesus und die Apostel so
bemüht, uns die richtige Lehre zu bringen, sie von der falschen zu
unterscheiden.
Jesus selbst hat sehr viel gelehrt. Er hatte nicht
nur mit den Schriftgelehrten lange Diskurse, sondern hat auch seine Jünger
darin geschult, ihre Bibel zu verstehen, sie richtig auszulegen und falsche
Lehre zu verurteilen.
Die Apostel haben dieses Beispiel übernommen. Ihre
Briefe bestehen zum grössten Teil aus Lehrgrundlagen. Sicher, sie enthalten
viele praktische Anweisungen. Aber die meisten ihrer Briefe beginnen mit
grundsätzlichen Belehrungen über Gott, den Menschen, die Sünde, Christus, und
erst dann kommen die daraus folgenden Anleitungen zur Umsetzung des Gelernten.
In der gleichen Weise muss unser Christenleben
gelebt werden.
Wir werden Christen, indem wir gelehrt werden: Wer
Gott ist, wer wir als Mensch sind, warum wir Christus nötig haben, was er für
und getan hat und tut, wie wir in seine Gemeinschaft kommen und darin bleiben
können, usw. dann versuchen wir, als Christen Gottes Willen gemäss zu leben.
Wir machen Fehler, verstehen Dinge falsch, fallen in Sünde oder verzweifeln an
unseren Unzulänglichkeiten. Was tun wir dann?
Wir gehen zurück zur Lehre und versuchen, sie noch
besser zu verstehen. Nur das wird uns schliesslich helfen, besser praktisch zu
leben.
Lehre ist nicht nur die Theorie über christliche
Dinge im Kopf, sondern sie ist auch Nahrung für den Geist. Sie stärkt uns und
macht uns fit für das Leben.
Die gute Lehre ist der Nährboden, aus dem unser
geistliches Leben genährt wird. Falsche Lehre ist wie Gift, das dem Leben
schadet.
Ein guter Baum bringt gute Frucht. Aber ein guter
Baum, der in einem schlechten oder verseuchten Boden steht, wird nicht nur
keine gute Frucht bringen (sprich gutes, praktisches Christenleben), sondern
wird eingehen und sterben.
Wenn wir diese Dinge bedenken, müssen wir da nicht
einsehen, dass wir uns eigentlich gar nicht zu viel mit der Lehre beschäftigen
können?
Schliesslich müssten die Leute, die
"praktisches Christenleben" gegen fleissiges Studium der Lehre
biblischer Themen ausspielen wollen, zugeben, dass sie damit auch etwas lehren.
Sie lehren falsch. Sie behaupten eigentlich, man
müsse nicht den ganzen Ratschluss Gottes kennen, um nach Gottes Willen zu
leben.
Damit bereiten sie den Boden für Lehren von
Menschen, die nicht Christus entsprechen. Sprich: Irrlehre.
Wenn uns das bewusst wird, dann werden wir
erkennen, dass kein Weg daran vorbei führt, dass wir uns als (normale) Christen
fleissig und regelmässig mit Lehre beschäftigen müssen. Wir werden dann immer
mehr erkennen und wissen, was wir glauben und warum wir es glauben. Das wird zu
einem guten und richtigen praktischen Christenleben führen.
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