Mittwoch, 4. Februar 2009

Kirche ohne Kinder?

Durch die Beschäftigung mit dem Thema Kirche in den Bekenntnissen bin ich herausgefordert, das Verständnis der Kirche in den verschiedenen Bekenntnissen zu vergleichen.
Bei einem Vergleich der beiden grossen reformierten Bekenntnissen, dem Westminster Bekenntnis (1647) und dem 2. Londoner Bekenntnis (Baptisitisches Bekenntnis) von 1689 machte ich eine Entdeckung, die mir - obwohl mir dies vorher faktisch schon bekannt war - zu denken gab.

Die Autoren des 1689er Bekenntnisses haben im Grossen und Ganzen das Westminster Bekenntnis übernommen und lediglich einige Passagen geändert, die sich mit ihrem Taufverständnis nicht deckten.
Dabei ist nun etwas passiert, worüber man wirklich eingehender nachdenken sollte. Die Baptisten haben offensichtlich festgestellt, dass man nicht einfach die Stelle mit der Kindertaufe im Westminster Bekenntnis herausnehmen oder abändern kann und dann ein Baptistisches Bekenntnis hat. Man muss dann auch über die Bedeutung des Bundes nachdenken - was sie getanund deshalb auch das Kapitel über den Bund abgeändert haben - was wiederum dazu führt, dass man sich erklären muss, wie man die Kirche versteht.

Auch hier haben sie dann kräftig umgestellt. Das Resultat ist nicht eigentlich falsch. Die Theologen, die das Westminster Bekenntnis verfasst haben und diejenigen, die es bekennen, würden den Aussagen grundsätzlich auch zustimmen können.
Nur - etwas ganz Entscheidendes ist meines Erachtens fatal herausgekommen: In der Kirche nach dem baptistischen Verständnis fehlen die Kinder!

Die Verfasser beider Bekenntnisse sehen die sichtbare Kirche als die Versammlung derer, die Christus bekennen und ihn anbeten. Aber im Westminster Bekenntnis heisst es "und ihre Kinder" und im Baptistischen: "ohne ihre Kinder". Das steht nicht ausdrücklich so da, sondern die Kinder fehlen einfach.
Viele Baptisten, vielleicht die meisten, würden das nicht ausdrücklich sagen: "meine Kinder gehören nicht zu meiner Gemeinde" - aber implizit sagen sie das.

Zum Glück handeln die meisten Baptisten ebenso inkonsequent. Sie behandeln ihre Kinder nicht als Heiden. Sie behandeln sie ebenso als Mitglieder der sichtbaren Kirche. Aber weil sie dem nicht mit dem Siegel des Neuen Bundes, der Taufe, Ausdruck geben wollen, können sie in ihrem Bekenntnis die Kinder nicht mit in die Kirche einschliessen.

Meine Kinder sind keine Heiden. Ich habe sie von Anfang an im Glauben erzogen und sie angehalten, mit uns Gott anzubeten. Sogar als (damals noch) bekennender Baptist. Darin war ich inkonsequent - mein Bekenntnis und meine Praxis widersprachen sich. Zum Glück!

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es freut mich ja, dass Sie sich vom Irrtum der Taufverweigerung fuer Kinder abgewandt haben :-) aber ehrlich gesagt scheint mir in dieser NUR bundes-theologischen Argumentation noch ein wichtiger Punkt zu fehlen: die Notwendigkeit der Taufe.

OK, wir koennen Kinder taufen, da sie zum Bund gehoeren. Aber: warum sollten wir sie denn taufen? Wenn sie eh schon zum Bund gehoeren? Welchen Nutzen haben Kinder/Babys von ihrer Taufe?

Kurt Vetterli hat gesagt…

Ist das eine Frage nach der 'Wirksamkeit' der Taufe?

Eine solche kann ich in der Schrift nicht bezeugt finden. Die Taufe ist Zeichen und Siegel der Bundeszugehörigkeit. Sie ist auch ein Mittel der Verkündigung des Evangeliums, ein Versprechen an das Kind: "Wenn du in dem Bund bleibst, zu dem du durch deine Eltern gehörst, und wenn du glaubst, dass Christus dein Erlöser ist, dann wird dir die Reinigung von den Sünden zu Teil, die in deiner Taufe abgebildet ist.
Bevor die Wahrheit hinter dem Zeichen und Siegel in seinem Leben Wirklichkeit wird, hat der getaufte Mensch (od Kind oder Erwachsener) den Nutzen, dass die Verkündigung, die durch die Taufe geschieht, in seinem Leben nachhallt und ihn zum Glauben ruft. Wenn sie Wirklichkeit geworden ist, hat er den Nutzen, dass seine Taufe eine Bestätigung und ein Zuspruch seiner Rettung ist.

Eine Wirkung der Taufe im Sinn von ex opere operato (die Wirkung kommt durch die vollzogene Handlung) ist biblisch nicht haltbar.

Anonym hat gesagt…

Aber warum sollen wir denn Kinder taufen? Haben sie irgendeinen Nutzen davon, den sie sonst nicht haetten?

Kurt Vetterli hat gesagt…

Natürlich haben sie einen! Das habe ich ja oben beschrieben.

Den eigentlichen Nutzen haben sie allerdings erst, wenn sie glauben. Sollten sie nicht glauben (d.h. im Unglauben verharren), wird die Taufe ihnen zum Zeichen des Gerichts - zu vergleichen mit dem Wasser der Flut, das die Glaubenden schliesslich rettete und die Ungläubigen ersäufte.

Aber: Ich meine hinter ihrer Rückfrage einen gewissen Druck zu verspüren, so als wollten Sie unbedingt etwas über einen weiteren Nutzen sagen...
Raus damit!

Anonym hat gesagt…

Nein, wollte ich nicht. Es war meine ehrliche Absicht von einem theologisch gebildeten, reformierten Vertreter der Kindertaufe deren Begruendung aus reformiert Sicht zu hoeren. Die hatte ich naemlich bisher nicht verstanden und ehrlich gesagt tue ich es immer noch nicht. Das mit dem Nachhallen der Verkuendigung ist mir viel zu schwammig. Ausserdem macht es - wenn man gleichzeitig davon ausgeht dass Kinder/Babys nicht glauben koennen und dieser Glaube scheint mir hinter Ihrem Satz "Den eigentlichen Nutzen haben sie allerdings erst, wenn sie glauben." zu stehen - keinen Sinn Kinder zu taufen. Denn, wie sie selber sagen, ist nach biblischen Zeugnis Taufe ohne Glaube nutzlos.

Was meine Vorstellungen vom "Nutzen der Taufe" anbelangt, kann man diese in den lutherischen Bekenntnissen und der dort dargestellten biblischen Lehre von der Taufwiedergeburt nachlesen. Kurz gesagt: Die Taufe rettet. Sie wirkt Vergebung er Suenden und ist Gottes Heilmittel gegen die Erbsuende. Aber es geht mir wirklich hier nicht ums Debatieren und Druck wollte ich schon gar nicht ausueben. Ich wollte nur verstehen warum ein reformierter Christ Kinder tauft. Es scheint mir, dass das Taufen von Kindern nach reformierter Lehre unnoetig ist. Und ich kenne auch viele reformierte Christen, sogar Pastoren, die zwar die Kindertaufe annehmen aber an ihren Kindern nicht vollziehen lassen.

Kurt Vetterli hat gesagt…

Danke für die Klärung!
Tja, da sind wir tatsächlich ganz verschiedener Meinung.
Für eine richtige Debatte habe ich allerdings momentan nicht die Zeit - obwohl ich den Gedanken schon verlockend fände.
Der kurze Austausch war aber gut.

Nur noch etwas: Mit dem 'Druck' meinte ich nicht, dass Sie Druck machen wollten, sondern dass sie den inneren Drang hätten, Ihre Sicht darzulegen. Ich hab das unglücklich formuliert, sorry.

Elkana hat gesagt…

Könnte man sagen, dass die Wirksamkeit der Säugingstaufe darin besteht, dass Gott tatsächlich zum Zeitpunkt der Taufe das Kind mit einem "Siegel" bezeichnet und es tatsächlich und wirklich zu einem formalen und objektiven Bundesglied des Neuen Bundes macht?

Wenn wir die Beschneidung durch die Taufe ersetzen, dann wäre das die konsequente Haltung.

Natürlich gehörte im alten Bund ein Kind schon vor der Beschneidung zum Bundesvolk. Dennoch war die Beschneidung absolut notwendig (wenn auch nicht heilsnotwendig), weil Gott dem Volk damit etwas zeigen und lehren wollte.

Kurt Vetterli hat gesagt…

als weiteren Kommentar siehe auch hier:

http://elkana-news.blogspot.com/2009/03/was-bewirkt-die-sauglingstaufe.html

Eugen Giesbrecht hat gesagt…

Aufgewachsen in einem baptistischen Umfeld (Mennoniten), bin ich nach eingehender Beschäftigung mit der Reformation, den kirchlichen Bekenntnissen, der Kirchengeschichte und nicht zuletzt der Bibel heute überzeugt davon, daß die Kindertaufe nicht nur Option, sondern Pflicht gläubiger Eltern ist.

Wenn meine Rettung allein von Gott her ohne meine Mitwirkung geschieht, dann muß das auch in der Taufe deutlich werden. Und tatsächlich ist ja die Johannestaufe die erste Taufe, in der die Menschen sich nicht selber tauften, sondern sich taufen ließen, also im Gegensatz zu den Proselytentaufen und AT-lichen Waschungen, in denen die Menschen sich selber tauften.

Die NT-liche Taufe ist damit zu einem passiven Vorgang geworden, in dem der Mensch ganz und gar Empfangender ist.

Ich vertrete heute die lutherische Sicht der Taufe, weil für mich viele starke Argumente dafür sprechen.
Ein Argument ist das Handeln Gottes am Menschen. Weil der Mensch nach dem Sündenfall nicht mehr Gottesunmittelbar ist, gebraucht Gott immer Mittel, um mit dem Menschen zu kommunizieren. Wobei hier nicht Gott, sondern der Mensch auf diese Mittel angewiesen ist – s. der Schächer am Kreuz.
Dazu Luther: „Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott mit uns Menschen nicht anders handeln will als durch sein äußeres Wort und Sakrament. Alles aber, was ohne dieses Wort und Sakrament gerühmt wird, das ist der Teufel.“
Nach allem, was ich zu dem Thema gelesen und auch beobachtet habe, geht die Geringachtung der Sakramente Hand in Hand mit der Verwerfung auch schließlich des äußeren Wortes. Der heutige Evangelikalismus spricht hier eine deutliche Sprache.

Zur Wirksamkeit der Taufe: es gibt hervorragende AT-liche Beispiele, eines davon ist der aussätzige Heerführer Naamann. Seine Reaktion auf die Anordnung des Elisa, sich im Jordan unterzutauchen, ist die des aufgeklärten, vernünftigen Menschen: was soll das Jordanwasser helfen? Es ist doch nur Wasser. Er hatte ein großes Schauwunder erwartet, aber stattdessen kommt der Prophet nicht einmal persönlich raus, sondern gibt diese merkwürdige und demütigende Anordnung.
War das Jordanwasser ein besonderes Wasser? Nein. Wäre Naamann ohne das siebenmalige Untertauchen geheilt worden? Nein.
Worin lag also die Wirksamkeit? Im Wort und im Element. „Kommt das Wort zum Element, so ist es ein Sakrament“, dieser von Augustin stammende und von Luther übernommene Satz ist absolut biblisch.
Dazu gehört aber, daß unsere elende Vernunft, die sich immer wieder in Glaubensdingen einmischen will, unter das Kreuz gehört.

Zur Kindertaufe: Wenn die Taufe nur als ein Zeichen zu verstehen ist, das ohne das spätere, bewusste Bekenntnis des Täuflings unwirksam ist oder sogar Gericht bedeutet, was ist dann mit geistig Behinderten? Soll man ihnen die Taufe verweigern, weil sie später sowieso kein Glaubensbekenntnis formulieren können? Was ist überhaupt mit behinderten Menschen? Können sie nicht gerettet werden, weil sie sich nicht bewusst entscheiden können?

Hat Gott uns nicht gerade mit der Taufe ein Mittel in die Hand gegeben, um damit Säuglinge und Unmündige zu retten? Die eben nicht das Wort intellektuell erfassen können? Nach reformatorischer und biblischer Lehre ist der Mensch grundsätzlich tot in Sünden, also auch der sprachbegabteste und intelligenteste erwachsene Mensch hat einem Säugling und einem Behinderten nichts voraus. Er kann genau so wenig von sich aus glauben. Hierbei sollten wir bedenken, daß es ein Pelagius war, der die Erbsünde leugnete und dementsprechend die Kindertaufe kritisierte. Eben weil der Mensch das Handeln Gottes nicht nötig hätte und sich deshalb selbstständig Gott zuwenden könne.

Weil der Mensch sich von sich aus nicht Gott zuwenden kann, ist es nötig, daß Gott zuerst am Menschen handelt, nämlich in der Taufe zur Vergebung der Sünden. (Apostelgeschichte)
Ich muß ja ein „Heiliger“ sein, bevor ich mich Gott zuwende, alles andere ist Götzendienst.

Noch eine Frage zum Abschluß: Wer beweist mir, daß Kinder und Säuglinge nicht glauben können? Wenn sogar nach heutigem Wissenstand ein Säugling seine Mutter von allen anderen Personen unterscheiden kann?
Wie kann der Psalmist in 71,6 beten: Auf dich habe ich mich verlassen vom Mutterleib an…..?
Wie kann Jesus für die Aufnahme in das Reich Gottes zur Bedingung machen, wie die Kinder zu werden? Rettender Glaube heißt ja nichts anderes, als dass ich von mir aus nichts vorzuweisen habe. Diese „Voraussetzung“ erfüllen die Kinder.
Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt…..
Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du mir Lob zubereitet…

Die Bibel geht davon aus, daß Säuglinge glauben können, aus dem Grund, daß der Glaube eben allein von Gott abhängt und nur von IHM geschenkt wird, wem ER will. Der Glaube hängt nicht am Intellekt, sondern ist eine Gabe Gottes.
In diesem ganzen Zusammenhang steckt in dem Satz Jesu: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht“ eine ernste Warnung an alle Baptisten.