Freitag, 19. Januar 2007

Brauchen wir eine Theologie von Gestern?

Manchmal, wenn ich mit Leuten spreche und betone, dass ich denke, wir sollten in der Theologie zurückschauen auf die Reformatoren und uns ihre theologischen, hermeneutischen und exegetischen Grundsätze wieder zu eigen machen, werde ich entweder miss- oder nicht verstanden.

"Wir müssen doch nach vorne sehen. Wir können doch nicht in der Vergangenheit leben. Wir können doch nicht die Zustände zurück haben wollen, die am Ende des Mittelalters herrschten. Wir können doch nicht wollen, dass Andersgläubige gehenkt, ersäuft oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden."

Natürlich, das denke ich auch. Sicher will ich nicht die rauen Zustände aus dieser Zeit zurückhaben. Einmal abgesehen davon, dass diese rauen Sitten auch eine Ernsthaftigkeit in religiösen Fragen und eine grundsätzliche Ehrfurcht vor dem Göttlichen und dem Ringen um die Wahrheit widerspiegeln - was uns heute weitgehend fehlt.

Wovon ich aber denke, dass wir es unbedingt zurück haben wollen müssten, ist eben das Verständnis der Reformatoren von theologischer Arbeit.
Die Reformatoren haben die ganze christliche Theologie und Spiritualität erneuert, indem sie in allen Bereichen der Lehre und des Lebens neu fragten (fragen mussten!): "Was sagt die Heilige Schrift dazu?"

Indem sie so fragten, halfen sie nicht nur, das christliche Denken vom Unrat der römischen Häresie zu befreien, sondern es wieder neu (vielleicht sogar wie noch nie) auf Biblischen Boden zu stellen.
In den vergangenen Jahrzehnten bis Jahrhunderten wurde jedoch wieder soviel Unbiblisches in diesen klaren Fluss hineingeschwemmt, dass wir heute wieder soweit sind wie vor der Reformation. Ich meine theologisch. In den äusseren Dingen des Lebens sind wir - zumindest in der westlichen Hemisphäre - sehr zivilisiert. Was uns in traurigem Masse über unseren geistlichen Zustand täuscht.

Also: Wir brauchen tatsächlich eine Theologie von Gestern. Aber wo fangen wir an?
Ich denke, dass es ein guter Start sein kann, wenn wir uns auf die fünf 'sola' besinnen, die die Reformation hervorgebracht hat. Diese fünf Grundsätze machen - so könnte man sagen - den Kern reformatorischer Theologie aus.

In den folgenden Artikeln werde ich mich deshalb mit den 5 'sola' befassen. Ich will versuchen zu zeigen, was sie in der heutigen Landschaft verändern könnten, wenn sie wieder geglaubt und ernstgenommen würden.

Zuerst eine kurze Beschreibung dieser Grundsätze. Die fünf 'sola' sind:

Sola Scriptura, d.h. allein die Schrift. es geht darum, dass allein die Heilige Schrift, Altes und Neues Testament, Grundlage für die Erkenntnis Gottes, seines Heilsplans und seines Willens ist.

Solus Christus bedeutet allein Christus. Gemeint ist, dass Christus allein von der Sünde und der gerechten Strafe Gottes rettet, dass kein menschliches Zutun weder etwas hilft, noch von Gott gefordert, resp. erlaubt ist.

Sola Fide heisst allein der Glaube. Es gibt keinen anderen Weg, am Heil in Christus Anteil zu haben als durch das Vertrauen auf das Erlösungswerk Christi und damit auf das, was Gott tut. Auf hier ist menschliches Mitwirken weder gefordert noch erlaubt.

Sola Gratia, allein die Gnade meint, dass der Mensch einzig durch das Hoffen auf und Annehmen der Göttlichen Gnade das Heil erfahren kann. Hier wieder: kein Synergismus, kein Zusammenwirken von Gott und Mensch in der Rechtfertigung des Sünders.

Last but not least: Soli Deo Gloria; allein Gott die Ehre.
Gott allein ist der Urheber und Vollender und seine Ehre das Ziel seines Heilsplanes. Weil der Mensch nichts dazu tun kann, hat er auch keinen Anspruch auf Ehre (nach der der Sünder jedoch fortwährend strebt und damit Gott bestiehlt).

Fortsetzung folgt...
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Donnerstag, 18. Januar 2007

Zurück nach Rom?

Wer das folgende Zitat von R. Scott Clark etwas genauer studiert, der kann erkennen, wie nahe die (nicht in einem Bekenntnis explizit ausgedrückte) neo-evangelikale Theologie der römisch-katholischen steht:

Bekennende Protestanten sind sich nicht uneinig mit Rom, ob die Rechtfertigung durch Gnade geschieht. Rom hat immer die Rechtfertigung aus Gnade gelehrt. Wir unterscheiden uns durch die Definition von Gnade.
Protestanten definieren Gnade als das bedingungslose Wohlwollen Gottes und Rom definiert Gnade als gewähren oder vermitteln von Heiligkeit oder sogar der Göttlichen Natur.
Natürlich bekennt Rom auch die Rechtfertigung durch Glauben, und einmal mehr sind wir in der Definition uneinig.
Protestanten sagen, dass der Glaube im Akt der Rechtfertigung nichts mehr ist als ein Vertrauen auf oder ein Ruhen in Christi vollendetem Werk.
Weil er allein auf das vollendete Werk Christi als die Grundlage für die Rechtfertigung sieht, ist der (empfangende und ruhende) Glaube das alleinige Instrument der Rechtfertigung.
Rom jedoch definiert Glauben als Treue und Heiligung, d.h. Kooperation mit der Gnade, und sagt: "Rechtfertigung ist Heiligung", während wir bekennen: "Die Rechtfertigung produziert Heiligung oder Frucht". Rom bekennt: "Wir sind gerechtfertigt, weil wir – und in dem Grad in dem wir – geheiligt sind" und wir bekennen, dass wir gerechtfertigt sind durch die angerechnete Gerechtigkeit Christi, die wir allein durch den Glauben empfangen, und dass Rechtfertigung notwendigerweise Heiligkeit produziert.

Weisst du ganz sicher, welche deine Position ist?
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Montag, 15. Januar 2007

Interessante Websites!

Im Folgenden zwei empfehlenswerte Websites, durch die ich immer wieder inspiriert und mit Wissenswertem versorgt werde:

White Horse Inn
mit wöchentlichen Radiosendungen mit Interviews und Roundtable-Diskussionen, zur Zeit unter dem Thema: "A Time for Truth".
Die Sendungen - die auch per Podcast abonniert werden können - laufen unter der Federführung von Michael Horton. Mitarbeiter sind Kim Riddlebarger, Ken Jones und Rod Rosenbladt.

Theopedia
liefert viele hilfreiche Informationen und Quellenmaterial über Themen, Lehren und Personen aus der Geschichte und von Heute. Es gibt schriftliches Material sowie auch Audio-Dateien. Alles aus einer reformierten Perspektive. Besonders hilfreich finde ich den Umstand, dass die Autoren auch die von ihnen kritisch beurteilten Personen selber zu Wort kommen lassen, indem sie Vorträge und Predigten derselben zur Verfügung stellen.
So kann man z.B. unter einem Artikel über die Emergent Bewegung nicht nur brilliante Vorträge von David Wells hören, sondern sich auch ein (akkustisches) Bild von Brian MacLarens Gelaber machen...

Samstag, 13. Januar 2007

Spurgeons Klarheit

"Die Lehre von der Rechtfertigung, gepredigt von einem Arminianer, ist nichts anderes als die Lehre von der Rettung durch Werke."

Wer getraut sich heute noch, einen solchen Satz in dieser Direktheit auszusprechen, wie es Good Old Spurgeon ohne zu zögern regelmässig tat?
Hoffentlich gibt es einige!
Das Zitat steht über einem Artikel von Alan Maben ("Are you shure you like Spurgeon?") in der neuesten Ausgabe von Modern Reformation. Ich glaube, den Artikel schon anderswo gesehen zu haben.
Er handelt von der im breiten Evangelikalismus weniger bekannten Seite des sonst so bekannten Predigers. In dem Ausmass wie in dem Fall von Spurgeon kommt diese Unkenntnis wohl kaum noch vor. Dennoch gibt es weitere Beispiele von mangelnder Information oder vielleicht sogar gezielter Fehlinformation, die bewirkte, dass sich falsche Lehren fast ungehindert verbreiten konnten und die biblische Lehre verwässert oder verfälscht wurde.

Ähnlich wie im Fall von Spurgeon, wo unzählige Autoren und Verkündiger Spurgeon zitieren bis zum geht-nicht-mehr, und dennoch einen Arminianismus verkünden, der Spurgeon sich im Grab umdrehen liesse, wenn das denn möglich wäre, kam es auch im Fall von anderen Lehren.
Darum ist dieser Artikel so wichtig.

Und deshalb wäre heute auch Spurgeons Klarheit so wichtig. Ich meine, dass wir unsere biblischen Überzeugungen viel mutiger offen und öffentlich sagen und schreiben sollten. Wir müssen wieder bereit sein, uns wegen der unbequemen Wahrheiten, die wir festhalten, schneiden zu lassen, wenn es sein muss. Damit kann sich der Irrtum viel weniger leicht breit machen.

Warum konnte der Arminianismus so leicht wieder die Oberhand gewinnen, so dass die klare Lehre der Rechtfertigung fast vollständig verdrängt wurde? Warum konnte sich das unbiblische System des Dispensationalismus so leicht durchsetzen, so dass man heute als nicht bibeltreu geschmäht wird, wenn man es ablehnt?
Es ist fast niemand mehr für die Wahrheit eingetreten! Man hat sich der politischen Korrektheit gebeugt (die es schon gab, bevor der Begriff populär wurde).

Darum brauchen wir spätestens heute, jetzt, Leute, die wieder die Lehren der Gnade, die Souveränität Gottes, die Zentralität Christi im AT, die 5 Sola, die Allgenugsamkeit der Schrift, usw. verteidigen, indem sie sie verkündigen.
Das ist die beste Art von Apologetik. Viel besser und wirksamer, als wenn wir alles falsche aufstöbern und denunzieren (obwohl das auch dazugehört, wenn auch m.E. in viel kleinerem Mass). Es ist viel wirksamer, Falschgeld zu erkennen, wenn man das echte Geld kennt, wie wenn man die ganze Zeit verschiedene Varianten von Falschgeld anschaut. Man wird dadurch viel eher frustriert, wieviel Falschgeld existiert.
Die vielen verbitterten Apologeten geben ein deutliches Zeugnis davon.

Dagegen ist der Umgang mit den wahren biblischen Lehren erfreuend und erbauend. Sie stärken den eigenen Glauben und den unserer Hörer. Sie führen uns in eine tiefere Gemeinschaft mit Gott. Sie verändern unser Denken und somit unser Leben. Sie bringen uns schliesslich in den Himmel.

Mittwoch, 10. Januar 2007

Gemeinde nach dem Herzen Gottes?

Das Gemeindeverständnis vieler Evangelikaler lässt meines Erachtens sehr zu wünschen übrig. Ich möchte darüber aber nicht klagen (was mir als betroffener Pastor nicht leicht fällt), sondern, ohne den Anspruch auf Vollkommenheit, mein Verständnis vom biblischen Bild der Gemeinde in einigen Punkten skizzieren:

I. Was ist die Gemeinde?

Die Bibel hat eine ganze Menge darüber zu sagen, was die Gemeinde ist. Sie braucht in den meisten Fällen Bilder, um sie zu beschreiben. Wir kennen diese Bilder und brauchen sie immer wieder: Die Gemeinde wird bezeichnet als die Herde eines Hirten, als Braut, als Tempel, Haus Gottes, Leib Christi, und vieles mehr…

Ich möchte hier nicht alle Bilder besprechen, sondern nur einige Kernwahrheiten herausstreichen, die das Wichtigste über die Identität der Gemeinde zeigen.

Warum fragen wir nach der Identität der Gemeinde? Es ist wie bei der Identität einer Person. Die Identität sagt nicht nur, wie jemand beschaffen ist, sondern sie sagt gleichzeitig auch etwas darüber, wozu jemand da ist. Die Natur einer Sache sagt auch etwas über ihre Bestimmung aus.

Auf die Gemeinde bezogen können wir deshalb ebenso sagen, dass wenn wir wissen, was die Gemeinde ist, dass wir daran auch erkennen können, wozu sie da ist; was ihre Bestimmung ist. Ich will im Folgenden auf drei Beschreibungen der Gemeinde eingehen, die mir sehr wichtig erscheinen, um die Identität der Gemeinde zu skizzieren: Die Gemeinde ist Gottes Volk, Gottes (Christi) Leib, Gottes Zeuge.

Gottes Volk
Die Gemeinde ist Gottes Volk. Die Bibel betont dabei besonders einen Aspekt, wenn sie die Gemeinde 'Volk' nennt. Es geht nicht nur darum, eine bestimmte Gruppe Menschen von den anderen abzuheben, sondern die Schrift hebt vielmehr die Aspekte einer Mannschaft hervor.

Es sind vor Allem zwei Aspekte, die das betonen. Wir können erkennen, dass dieses Volk zweierlei hat; einen Herrn und einen Auftrag. Schauen wir uns zwei herausragende Stellen an:

1Pet 2,9
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat.

Tit 2,14
Er hat sich selbst für uns gegeben, damit er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken.

Als Gottes Volk haben wir einen Herrn, der uns aus der Sklaverei der Sünde losgekauft und auch gereinigt hat. Er war schon davor unser Herr und Besitzer, weil Er uns geschaffen hat. Jetzt aber hat Er sich uns in besonderer Weise zugewandt, um uns zu erlösen.

Als unser Herr und Besitzer hat Er das Recht, mit uns zu tun, was Ihm gefällt. Und Er kann uns befehlen, was Er will. Das tut Er auch. Damit kommen wir zu dem Zweiten, das in den Versen enthalten ist: Es ist die Bestimmung dieses Volkes, nämlich die Tugenden Gottes zu verkünden und eifrig zu guten Werken zu sein.

Diese beiden Aspekte – dass das Volk einen Herrn und eine Bestimmung hat – kommen übrigens schon in den Begriffen zum Ausdruck, die für die Gemeinde gebraucht werden. Im Alten und Neuen Testament wird für Gottes Volk der Begriff 'Ekklesia' verwendet. Wörtlich bedeutet das: 'die Herausgerufene' oder 'die Auserwählte'. Freier übersetzt kann es auch mit Versammlung wiedergegeben werden. In der Antike wurde der Begriff gebraucht, um eine ausgewählte Ratsversammlung zu bezeichnen. Jedenfalls ist bei dem Begriff 'die Erwählte' oder 'die Herausgerufene' immer an jemand gedacht, der erwählt oder herausruft. Das ist der Herr.

Auch der Begriff 'Kirche' sagt eigentlich dasselbe. Das Wort stammt auch aus dem Griechischen. Es heisst ursprünglich 'kyriake' und bedeutet 'die dem Herrn Gehörende'.

Gottes (Christi) Leib
Die Gemeinde ist nicht nur Gottes Volk, sondern auch Gottes Leib. Natürlich hören wir das normalerweise nicht so, sondern wir sagen 'Christi Leib'. Aber Jesus ist Gott, also dürfen wir das so ausdrücken.

Gott ist Geist und deshalb nicht sichtbar. Gott hat sich entschlossen, durch diesen Leib, der die Gemeinde ist, in der Welt sichtbar zu werden. Was Gott in der Welt tut, das tut Er vorwiegend durch die Gemeinde.

Wir können das als Menschen gut verstehen, denn wir Menschen sind nach dem Bild Gottes erschaffen. Wenn wir uns in unserem Geist etwas zu tun vornehmen, wird es nicht sichtbar, bis unser Leib sich in Bewegung setzt. So hat Gott sich einen Leib geschaffen, der ausführt, wofür sein Geist sich entschliesst.

Er möchte sich – seine Herrlichkeit, seine Liebe, seine Gnade, alle seine Eigenschaften – zu erkennen geben. Eben das tut Er durch seine Gemeinde. Damit kommen wir zur dritten Beschreibung der Gemeinde:

Gottes Zeuge
Die Gemeinde ist Gottes Zeuge. Gott gibt sich der Gemeinde und in der Gemeinde zu erkennen. Das ist der grosse Unterschied zur Welt. Der Welt gibt sich Gott nur zu einem kleinen Teil zu erkennen, nämlich in der Schöpfung. Davon berichten uns z.B. Psalm 19 und Römer 1. Diese Erkenntnis geht jedoch nicht sehr weit, sie hilft lediglich, zu erkennen, dass ein Gott da ist, der alles geschaffen hat. Das soll anspornen, weiter zu suchen.
Die persönliche Erkenntnis seiner selbst, die mit einer engen Gemeinschaft zusammenhängt, gibt Gott allein seiner Gemeinde. Dadurch wird sie zum Zeugen Gottes. Allein die Gemeinde kann erzählen, wer und wie Gott ist.

1Tim 3,15
Die Gemeinde ist das Haus des lebendigen Gottes, die Säule und das Fundament der Wahrheit.

In der Gemeinde wohnt die Wahrheit und von der Gemeinde geht sie aus. Gott hat sich entschlossen, seine Wahrheit da zu platzieren. Ausserhalb der Gemeinde findet man die Wahrheit nicht.
Wer Gottes Wahrheit erfahren will, muss sich deshalb zur Gemeinde wenden. Und diese Wahrheit ist nicht nur Information über Gott. Gottes Wahrheit ist auch Nahrung für unseren Geist und Mittel zur Veränderung. Jesus hat das betont, als Er den Vater für uns bat:
Heilige sie durch Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit.

Dieses Heiligen, das ist Gottes Wirken an uns, so dass wir Ihm ähnlicher werden. Das geschieht durch die Wahrheit, die durch das Wort Gottes der Gemeinde vermittelt wird. Das Wort Gottes kann zwar auch zu Hause gelesen werden. Das soll es auch. Aber wenn es nur dabei bleibt, ist das ziemlich unvollkommen und ungenügend. Im vollen Ausmass, wie Gott das bestimmt hat, wird das Wort Gottes nur in der Gemeinde aufgenommen und verstanden. Richtige Erkenntnis Gottes und geistliches Wachstum ist darum ausserhalb oder getrennt von der Gemeinde nicht möglich.

Die Gemeinde ist Gottes Zeuge. Sie zeugt von Gottes Wahrheit und von seinem Wirken. Sie tut das gegen innen und gegen aussen. Gegen innen heisst; die Glieder der Gemeinde helfen einander gegenseitig, Gott zu erkennen. Gegen aussen heisst; die Gemeinde gibt das Wort der Wahrheit an die Welt weiter und versucht so, die Menschen zur Erkenntnis Gottes zu führen.

Gott im Zentrum
Was allen Beschreibungen für die Gemeinde, die ich bisher genannt habe – Gottes Volk, Gottes Leib und Gottes Zeuge – gemeinsam ist, das ist die Ausrichtung auf Gott. Die Gemeinde existiert nicht für sich selbst. Sie ist von Gott für Gott geschaffen. Sie betet Gott an, sie repräsentiert Gott in der Welt, sie widerspiegelt und verkündet Gottes Herrlichkeit, sie handelt in seinem Auftrag.

Gott ist im Zentrum bei allem, was die Gemeinde ausmacht. Gott hat sie ins Leben gerufen und Er bestimmt ihr Wesen und ihr Ziel. Vielleicht ist das die Tatsache, die im vergangenen Jahrhundert am sträflichsten vernachlässigt wurde.

Viele Christen und Gemeinden haben den Eindruck bekommen und auch vermittelt, dass die Gemeinde eine von Menschen gemachte Sache ist und dass sie vorwiegend für die Menschen da sein muss. Durch diesen Irrtum ist sehr viel Schaden für Gottes Reich entstanden.

Wenn wir uns also fragen: Was ist die Gemeinde; was ist ihr Wesen, ihr Auftrag; wie soll sie leben, wie soll sie organisiert sein? usw., dann müssen wir unbedingt danach fragen, wie Gott sie gewollt hat. Die Antwort finden wir in seinem Wort. Die Bibel gibt uns die Anweisungen und auch das Muster dafür, wie wir die Gemeinde verstehen und auch organisieren müssen.

II. Wer gehört zur Gemeinde?

Wir gehen einen Schritt weiter und fragen: für wen gelten denn jetzt die gemachten Aussagen über die Gemeinde? Mit anderen Worten: Wer gehört zur Gemeinde? In diesem Abschnitt möchte ich über zwei Themen einige Aussagen machen, nämlich über Mitgliedschaft und Verbindlichkeit.

Mitgliedschaft
Wer gehört zur Gemeinde?
Die Frage muss in zwei Teilen beantwortet werden. Was ich bisher über die Gemeinde gesagt habe, gilt für die weltweite Gemeinde, die nicht örtlich begrenzt ist. Die Bibel macht aber auch Aussagen über die Gemeinde als örtliche Versammlung.

Die erste Antwort ist deshalb: Wer an Jesus Christus gläubig geworden ist und vom Heiligen Geist wiedergeboren ist, der gehört zur Gemeinde – zum Volk Gottes, zum Leib Christi:

1Kor 12,13
Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden.

Durch die Neugeburt durch den Heiligen Geist werden wir Glieder am Leib Christi. Das ist etwas, das mit uns geschieht, ohne dass wir etwas dazutun. Hingegen werden wir nicht so automatisch Mitglieder einer örtlichen Gemeinde oder Versammlung.

Dazu müssen wir uns selber bewegen und einer Gemeinde beitreten. Das ist jetzt ein Punkt, an dem sich manche Geister scheiden. Wann gehört jemand wirklich zu einer örtlichen Gemeinde dazu? Können wir wirklich einfach sagen, dass alle, die öfter einen Gottesdienst besuchen, zu der betreffenden Gemeinde gehören? Wie oft muss jemand gekommen sein, dass man sagen kann: "Jetzt gehört er dazu."

Die Beantwortung dieser Frage ist sehr wichtig und hier wird oft viel zu oberflächlich gearbeitet. Gerade in einer Zeit, wo man alles tut, nur um möglichst grosse Besucherzahlen aufzuweisen. Ich bin überzeugt, dass die Bibel uns zeigt, dass wir wissen müssen, wer unserer örtlichen Versammlung angehört. Das wird zuerst sichtbar im Zusammenhang mit der Gemeindezucht. Z.B. lesen wir im 5. Kapitel des 1. Korintherbriefs darüber:

1Kor 5,9ff
Ich habe euch in dem Brief geschrieben, nicht mit Unzüchtigen Umgang zu haben. Nicht überhaupt mit den Unzüchtigen dieser Welt oder den Habsüchtigen und Räubern oder Götzendienern, sonst müsstet ihr ja aus der Welt hinausgehen. Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Unzüchtiger ist oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen nicht einmal zu essen. Denn was habe ich zu richten, die draußen sind? Richtet ihr nicht, die drinnen sind? Die aber draußen sind, richtet Gott. Tut den Bösen von euch selbst hinaus!

Wie können wir unterscheiden zwischen denen, die drinnen und denen die draussen sind? Laut diesem Abschnitt müssen sie verschieden behandelt werden. Einen Besucher, der an der christlichen Sicht des Lebens interessiert ist, werden wir nicht gleich behandeln dürfen wie ein Gemeindeglied, das den Namen Christi bekennt. Deshalb müssen wir wissen, wer zu denen drinnen und wer zu denen draussen gehört.

Deshalb werden die Leiter der Gemeinde besorgt sein dafür, dass sie das unterscheiden können. Vor allem weil sie vor Gott Verantwortung abgeben werden, dafür wie sie die Gemeinde geführt haben.

Zu wissen, wer zur Gemeinde gehört, ist auch deshalb wichtig, weil die Glieder der Gemeinde mitverantwortlich sind für das, was in der Gemeinde geschieht. Wenn wir z.B. die Sendschreiben in der Offenbarung lesen, sehen wir deutlich, dass die Gemeinde immer als Körperschaft angesprochen wird. Jede der Gemeinden wird als Ganze verantwortlich gemacht für das, was sie tut und was in ihr geschieht.

Gott setzt zwar Hirten für die Gemeinde ein, die sie leiten sollen. Aber die Gemeinde muss auch mitdenken, mitreden, mitentscheiden, mitdienen. Und deshalb muss es ganz klar sein wer mitentscheidet und mitarbeitet. Die Leiter der Gemeinde müssen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, die Geschwister kennen.
Die Gemeinde, die sie führen, soll im biblischen Sinn vorangehen. Sie müssen deshalb wissen, wer biblisch denkt und lebt.

Aus diesen Gründen ist es sinnvoll und richtig, wenn wir nicht nur von einer Mitgliedschaft in der weltweiten Gemeinde Jesu sprechen, sondern auch die Wichtigkeit der verbindlichen Mitgliedschaft in einer örtlichen Gemeinde betonen.

Das Neue Testament kennt ganz eindeutig die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der örtlichen Gemeinde.

Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt:

Verbindlichkeit
Wenn wir die neutestamentlichen Texte über das Gemeindeleben studieren, dann sehen wir, dass die Verbindlichkeit in der Gemeinde oberste Priorität hat. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Anwesenheit am Sonntag, um die Predigt zu hören. Natürlich – das darf nicht ausgelassen werden. Wir kennen auch alle die Ermahnung aus dem Hebräerbrief (10,25), das Zusammenkommen der Gemeinde nicht zu versäumen.

Aber die Anwesenheit in einem Gottesdienst ist noch nicht unbedingt die Verbindlichkeit, die das Neue Testament meint. Die Verbindlichkeit, die uns im NT gezeigt wird, beinhaltet viel mehr. Da geht es darum, einander am Leben Anteil haben zu lassen. Miteinander Leben zu teilen. Das beinhaltet soviel mehr als gemeinsam eine Predigt zu hören.

Das NT enthält eine Menge Texte, die das bestätigen, z.B. Apg 2, Rö 12, 1Kor 12, Eph 4, 1Pet 4, und viele mehr. Da lernen wir, dass Verbindlichkeit in der Gemeinde gelebt wird, indem man alles gemeinsam tut, was man auch allein oder als Familie tut:

- miteinander essen (ganz hoch im Kurs!)
- Gastfreundschaft üben
- miteinander die Bibel studieren
- gemeinsam beten
- miteinander lachen und weinen
- einander in der Not besuchen
- füreinander Auge, Hand oder Fuss sein
- einander lehren
- einander ermutigen oder ermahnen
- miteinander evangelisieren
- einander dienen mit welcher Gabe auch immer…

Das alles ist im Neuen Testament nicht so aufgeteilt, dass das sonntägliche Predigthören die Pflicht ist und der Rest die 'Kür', die freiwillige Zugabe. Alles zusammen ist Gemeindeleben nach der Bibel. Deshalb haben wir als örtliche Gemeinden auch die verschiedenen Gefässe neben dem Gottesdienst, wie: Bibelstunde, Gebetstreffen, Hauskreise, evangelistische Einsätze, usw.

Und diese Gefässe sind unverzichtbar, weil Gott den Einzelnen Gliedern das Wachstum durch die Gemeinde schenkt. Diese Art von Verbindlichkeit, das einander Anteil geben am ganzen Leben, das ist das, was wir im biblischen Vorbild gezeigt bekommen. Wir dürfen nicht tiefer ansetzen, wenn wir Gemeinde nach biblischem Vorbild sein wollen.

Darum muss auch – wer Glied einer örtlichen Gemeinde sein will – den Willen zu dieser Verbindlichkeit ausdrücken.

Wie gut ist es doch, dass Gott uns die Gemeinde geschenkt hat und dass Er uns der Gemeinde gegeben hat! Wie gut, dass wir unseren Glauben nicht allein leben müssen! Es ist doch ein Privileg, nicht eine leidige Pflicht, dass wir die Gemeinde haben. Leider wird die Gemeinde aber heute so oft falsch als eine leidige Pflicht verstanden. Wie ungesund ist das doch!

Natürlich, es gibt auch den Pflicht-Anteil. Verbindlichkeit hat auch schwierige Seiten. Es ist oft nicht leicht, den Bruder oder die Schwester in Liebe zu ertragen. Aber eben dazu hat Gott die Verbindlichkeit gewollt, die sich verpflichtet. Sie ist ein Schutz. So wie sie in der Ehe ein Schutz ist, so ist sie es auch in der Gemeinde.

Wer heiratet, sagt zu seinem Partner: "Ich verlasse dich nie, auch wenn du eine Last wirst für mich." Darum ist eine christliche Ehe eine solch gute Einrichtung. Wenn ich weiss, dass mein Ehepartner in dieser Weise verpflichtet ist, dann gibt das Halt und Sicherheit.

Zu einem ähnlichen Halt und Sicherheit hat Gott die Gemeinde gemacht. Hier können wir wissen: Wir können aufeinander zählen, miteinander rechnen. Deshalb müssen auch wir für die Gemeinde solche sein, auf die man zählen, mit denen man rechnen kann.

Saddam Hussein und der souveräne Gott

Ich habe mir das Video von Saddam Husseins Hinrichtung mehrmals angeschaut. Ich habe mir dabei vor Allem sein Gesicht angesehen. Ehrlich gesagt empfand ich dabei eher Mitleid als Abscheu. Hätte ich nicht gewusst, was dieser Mann in den Jahren als Iraks Diktator angerichtet hat, würde ich ausgerufen haben: "Lasst den armen Mann gehen!" Es ging mir schon während der Zeit der Irak-Kriege so. Ich fand immer, dass Hussein ein sympathisches Gesicht hat. Dass man ihm irgendwie gar nicht ansieht, wer er ist.

Ich bin gar nicht der Meinung von Micheline Calmy-Rey, dass man Hussein nicht hätte hinrichten dürfen. Ich glaube, dass die Todesstrafe in solchen und in vielen anderen Fällen durchaus gerechtfertigt ist. Nach Gen 9:5-6 hat dieser Mann das Recht auf Leben verwirkt. Gott selbst hat die Todesstrafe eingerichtet und fordert das Leben von jedem, der willkürlich Menschenblut vergiesst.

Hussein hat seine gerechte Strafe bekommen. Dennoch schauderte mich der Gedanke daran, wohin der Strick den Mann beförderte. Nämlich dorthin, wo wir gerechterweise alle landen sollten. In der ewigen Finsternis und Gottesferne. Gottes heilige Gerechtigkeit fordert dies ebenso wie den Tod des Mörders. In Gottes Augen stehen wir tatsächlich nicht besser da als Saddam Hussein. Der Unterschied ist, dass in meinem Fall jemand diese Strafe auf sich genommen hat. Ohne Vorbedingung und ohne mein Verdienst.

Somit unterscheidet sich meine Situation von derjenigen Husseins auch noch darin, dass ich mir ebenso ruhig wie er den Strick um den Hals legen lassen könnte. Von wem? Vielleicht von denselben Leuten, die ihn Hussein umlegten. Denn eben diese militante islamische Richtung geht ja in diversen Ländern gegen Christen vor und verurteilt sie zum Tod, weil sie den Islam beleidigen.

Warum macht mich das nicht nervös? Weil der Gott, der dem Regime Husseins ein Ende machte und die Länge seines Lebens festgesetzt hat, auch mein Leben bestimmt. Und Er steht über allen; über Husseins Richtern, über den Amis, die in den Irak eindrangen, über den Schiiten und übrigen Islamisten, die Christen verfolgen…

Er bestimmt den Lauf der Welt. Er setzt Könige ein und wieder ab. Warum also sollte ich Menschen fürchten? Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle! (Mt 10,28)

Wer spricht denn da?

Kürzlich wurde ich an Bileams Esel erinnert. Weil der Prophet den Durchblick in Bezug auf seinen eigentlichen Auftrag vollkommen verloren hatte, wurde er von einer Seite angesprochen, von der er es nie erwartet hätte, von seinem Esel.

Ähnlich scheint es der Kirche gehen zu müssen, dachte ich, als ich in der Weltwoche (Nr. 49/06) unter der Rubrik "Namen", wo normalerweise irgendwelche Kuriositäten prominenter Persönlichkeiten abgehandelt werden, einen Namen las, den ich dort noch nie sah: Jesus. "Was hat diese Zeitung, die jeweils nicht sehr freundlich mit Christlichen Inhalten umgeht, nun wieder über unseren Herrn zu mokieren?" dachte ich. Ich war höchst erstaunt. Folgendes ist da zu lesen:

Die Aktion "Kick off" der freikirchlich zentrierten Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) hat zum Ziel, dass die Fussball-Europameisterschafts-Spiele 2008 auch in den Kirchen auf Grossleinwand zu sehen sind. 500 Gemeinden im Land will sie motivieren, verschiedene Zeitungen berichteten letzte Woche über das Unterfangen, dem einige reformierte Gemeinden bereits stattgegeben haben. Die Kirche dürfe keine Berührungsängste zu solchen Veranstaltungen haben, da auch Jesus den diesseitigen Freuden positiv gegenübergestanden sei, argumentiert ein SEA-Sprecher: "Er hat die Sünder, Zöllner und Huren besucht und war wohl auch einem Glas Wein nicht abgeneigt." Mag sein. Andererseits geben wir zu bedenken, dass Jesus die Kleinviehverkäufer, Taubenzüchter, Geldwechsler samt ihrem Zubehör aus dem Tempel verjagte, den diese mit ihrem weltlichen Tun entwürdigten: "Traget das von hier weg; machet nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhause!" (Johannes-Evangelium, 2,16) (tow)

Was die Kirche nicht mehr zu merken scheint, wird ihr nun von einem weltlichen Blatt mitgeteilt. Die Welt scheint den Unterschied zwischen Profanem und Gottesdienst nocht besser zu kennen als die Kirche.

Es ist ja nicht so, dass man sich nicht ein Fussballspiel anschauen dürfte. Und: Sicher hat Jesus mit Sündern und Huren gegessen. Wenn Er die Nähe von Sündern nicht wollte, dann könnte niemand von den unterdessen "Frommen" mit Ihm Gemeinschaft haben. Die Frage ist vielmehr - das hat der Esel Bileams meiner Meinung nach richtig erkannt - ob wir, nur um vielleicht ein paar Aussenstehende in unsere Kirchen hineinzubringen, tatsächlich profane Veranstaltungen anbieten dürfen.

Ich denke, dass die Antwort ganz klar 'Nein' heisst. Und: was machen wir, wenn die Aussenstehenden dann da sind, und entsprechend unserem Vorgehen denken, unsere Botschaft habe irgendwie etwas mit Fussball oder zumindest mit Unterhaltung zu tun? Und wenn sie dann nach mehr verlangen? Wie bringen wir ihnen in wahrhaft christlicher Gesinnung bei, dass die Unterhaltung nur der Köder war, und dass jetzt der Haken des Evangeliums noch kommen muss? Viele der Kirchen, die nach diesem Muster 'evangelisieren', haben konsequenterweise den 'Haken' weggelassen. Oder sie haben ihn zumindest stark verkleinert oder abgerundet, die scharfen Kanten abgeschliffen.

Der kurze Weltwoche-Artikel zeigt mir, dass die Welt eigentlich noch weiss, was unsere Botschaft wäre, oder was sie zumindest nicht ist. Warum sagen wir sie nicht einfach? Warum versuchen wir nicht, die Welt mit dem zu gewinnen, wofür wir sie gewinnen wollen? Wer Unterhaltung zum Köder für die Evangelisation macht, hat meines Erachtens das Evangelium gar nicht verstanden. Er hält den Köder für attraktiver als das Evangelium. Dabei gibt es gar nichts auf der Welt, das für Sünder attraktiver ist als das Evangelium von Gottes rettender Gnade in Jesus Christus.