Donnerstag, 31. Mai 2007

Israels Zukunft in der Prophetie

Eins von den Büchern, bei denen ich es jammerschade finde, dass sie (noch) nie auf Deutsch übersetzt wurden, ist "The Israel of God" von O. Palmer Robertson.

Während wir darauf warten, hat sich H. W. Deppe (Betanien Verlag) die Mühe gemacht, einen Artikel desselben Autors zu übersetzen, der das Hauptthema des Buches zusammenfasst.

O.P. Robertson schafft es, in dieser kurzen Form, das Thema erstaunlich breit zu behandeln.
(Der einzige Punkt, in dem ich nicht ganz mit ihm übereinstimme, ist die Bedeutung von 'Ganz Israel' in Rö 11,26. Ich denke eher, dass damit nicht christusgläubige Juden und Heiden gemeint sind, sondern nur die christusgläubigen Juden).

Hier ist der Artikel:

Die Zukunft Israels
Von O. Palmer Robertson

Fragen bezüglich der Zukunftslehre (Eschatologie) müssen sich auch mit der Zukunft der Juden befassen. Zu alttestamentlicher Zeit wurden die Juden offensichtlich als erwähltes Volk Gottes identifiziert. Natürlich darf nicht vergessen werden, dass sie nicht einfach dazu erwählt waren, die Segnungen Gottes für sich selbst zu genießen, sondern sie waren erwählt als Diener Gottes, um an alle Völker der Welt Gottes höchste Segnungen weiterzuvermitteln, die nur im Evangelium Jesu Christi zu finden sind.
Die Wiederaufrichtung der jüdischen Nation im Land Israel im 20. Jahrhundert war eine bemerkenswerte Beobachtung. Diese Entwicklung hat viele veranlasst, über die Zukunft der Juden als Volk und als Nation nachzudenken.
Was sagt also die Schrift zur Frage der Zukunft der Juden? Diesbezüglich müssen zwei besondere Fragen betrachtet werden: Erstens, „Wer ist ein Jude?“ und zweitens, „Was ist mit Römer 11?“

Wer ist ein Jude?
Die große Bedeutung dieser Frage ergibt sich aus der alttestamentlichen Verheißung an Abraham und seine Nachkommen. Wer soll alle diese Segnungen erben?
Diese Frage scheint zunächst ganz einfach zu beantworten. Die Segnungen galten den Nachkommen Abrahams. Ein Jude wird definiert als Nachkomme Abrahams, und somit sollen die Segnungen auf die Juden kommen. Die Frage ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es zunächst scheint. Auch Ismael war ein Sohn Abrahams. Doch Ismael und seine Nachkommen wurden nicht als Juden angesehen. Esau, Jakobs Zwillingsbruder, war ebenfalls ein Nachkomme Abrahams. Aber Esau und seine Nachkommen, die Edomiter, werden in der Schrift nicht als Juden und Erben des „Segens Abrahams“ betrachtet.
Eine weitere wichtige Frage: War Abraham selbst ein Jude? Die Antwort ist natürlich, dass Abraham ursprünglich ein Heide war, ein Götzenanbeter im Land jenseits des Euphrat, fern vom Gelobten Land. Abrahams Abstammung macht ihn sicherlich nicht zu einem Juden (Jos 24,2).

Erwählung und Glaube
Aber was machte Abram, dem Heiden, zu Abraham, den Vater der Juden? Zwei Dinge: Seine Erwählung und Berufung durch Gott sowie seine Antwort darauf im Glauben. Das machte Abraham, den Heiden, zum Stammvater Israels.
Da Abraham der Volksanghörige Israels war und als Vater der Juden angesehen wird, ist es zweifach wichtig zu beachten, auf welche Weise er ein Jude wurde. Wenn sich dieses Geschehen beim Urvater aller Juden vollzog, kann es sich auch bei anderen Heiden vollziehen. Erwählung und Berufung durch Gott gepaart mit einer glaubenden Reaktion macht aus jedem Heiden einen Juden.
Eine weitere wichtige Beobachtung: Als das Zeichen der Beschneidung, welches die Juden als Gottes Volk kennzeichnete, erstmals eingeführt wurde, wurde es durch Gottes Gebot sowohl bei Ausländern als auch bei Abrahams Kindern angewendet. Sowohl die Nachkommen Abrahams als auch die Fremdlinge in seinem Haus sollten das Zeichen der Beschneidung empfangen, das sie als Juden auswies (vgl. 1Mo 17,12.13). So konnten aus Heiden Juden werden. Daraus folgt, dass ein Jude nicht strikt nach Abstammung definiert werden kann.
Heute wird oft gesagt, ein Jude sei jemand, der eine jüdische Mutter habe. Aber ist jemand mit einem jüdischen Vater kein Jude? Wenn die Mutter definiert, ob jemand Jude ist oder nicht, gilt David dann als Jude? Denn sowohl Rabab, die kananäische Hure, als auch Ruth, die moabitische Witwe, stehen als Mütter in Davids Stammbaum.
Außerdem müssen wir bedenken, dass jeder Heide ein vollgültiger Jude werden konnte, wenn er sich zum Gott Israels bekannte und beschnitten wurde. Dem Gesetz Moses zufolge konnte jeder Fremde, der beschnitten war, das Passahmahl essen und wurde so als Teil des Israels Gottes angesehen (vgl. 2Mo 12,48).

Die Verheißung an Israel
Wer ist dann ein Jude? Wenn es in unserer Frage um „die Zukunft der Juden“ geht, wer definiert dann, wer ein Jude ist? Aus Sicht der Heiligen Schrift kann ein Jude nicht einfach als leiblicher Nachkomme Abrahams identifiziert werden. Stattdessen ist ein Jude ein Mensch, der von Gott zum Heil erwählt und berufen wurde und im Glauben auf diesen Ruf reagiert hat.
Dieses Verständnis von der Natur eines Juden wird im Neuen Testament stark unterstützt. Paulus sagt: „Nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist ... sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und Beschneidung ist die des Herzens“ (Röm 2,28.29; vgl. Kol 2,11; Phil 3,3). In diesem Vers ist sowohl das Positive als auch das Negative bedeutsam. Der negative Teil zeigt ganz klar, dass nicht alle leiblichen Nachkommen Abrahams als Juden betrachtet werden sollten (vgl. Röm 9,6ff). Gleichzeitig weist der positive Teil darauf hin, dass jeder Heide, der in seinem Herzen beschnitten ist, ein „Jude“ ist. „Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft und nach Verheißung Erben“ (Gal 3,29).
Aber wie weit ist dieser Gedanke richtig, dass ein Gläubiger aus den Heiden ein „Jude“ ist? Was ist mit den besonderen Verheißungen für Israel?
Die Schrift ist in dieser Sache klar. Dieser Aspekt von Gottes Heilsplan ist ein „Geheimnis“, das in vergangenen Zeiten verborgen war; und auch heute noch ist es für viele ein Geheimnis. Nichtsdestotrotz steht die Wahrheit klar geschrieben: „das Geheimnis (ist:) … Die Nationen sollen nämlich Miterben und Miteinverleibte sein und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (Eph 3,4.6).

Das Geheimnis verstehen
Lasst uns das Geheimnis verstehen! Gläubige Heiden sind in Christus „Miterben mit Israel und Mitteilhaber der Verheißung“ (Eph 3,6). Der im Alten Testament verheißene und im Neuen Testament eingesetzte Neue Bund und dessen neue, geistliche Segnungen gelten den Gläubigen aus den Heiden ebenso wie den Gläubigen aus den Juden. Denn in Christus wird nicht mehr wegen Abstammung und Nationalität unterschieden.

Aber was ist mit Römer 11?
Was lehrt nun Römer 11? Wird dort nicht für die Juden eine andere Zukunft gelehrt als für die Heiden? Das ist eine wichtige Frage, die genau definiert werden muss.
Die Frage ist, ob es für Israel eine besondere Zukunft gibt, die sich von dem Heil unterscheidet, das ein Teil der Juden bereits jetzt durch das Evangelium erlangt hat. Dass Gott gegenwärtig Juden rettet, kann wohl kaum in Frage gestellt werden. Aber lehrt Römer 11, dass Gott eines zukünftigen Tages ein besonderes Werk unter den Juden tun wird?
Ein wichtiger Hinweis aus Römer 11, der beweisen soll, dass die Juden eine besondere Zukunft im Plan Gottes haben, wird in der Aussage gesehen, dass sie „eingepfropft“ werden. Sie wurden herausgebrochen, aber sie werden wieder eingepfropft.
Doch es stellt sich die Frage: Wann werden sie wieder eingepfropft? Wann werden Juden, die an Jesus Christus glauben, in die Gemeinschaft der Erretteten eingepflanzt? Nicht irgendwann bei einem kollektiven künftigen Großereignis, sondern wenn sie zum Glauben an den Herrn Jesus kommen. Auch jetzt werden Juden in Christus eingepflanzt. Deshalb bedeutet das in Römer 11 erwähnte Einpfropfen von Juden nicht, dass ihnen eine besondere Zukunft, getrennt von den Heidenchristen, bereitet sei. Vielmehr bedeutet ihr Einpfropfen, dass gläubige Juden exakt genauso behandelt werden wie gläubige Heiden, die ebenfalls eingepfropft werden, wenn sie glauben.

Eingepfropft
Aber was hat es mit dem besonderen Ausdruck auf sich, der besagt: „Und so wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,26)? Sagt dieser Vers nicht, dass Israel eine Zeitlang verhärtet ist und dann ganz Israel errettet werden wird?
Tatsächlich sagt dieser Vers nicht das, was viele daraus ableiten. Im griechischen Grundtext steht nicht „und dann“ wird ganz Israel errettet, was bedeuten würde, dass eines Tages die Juden kollektiv zu Christus umkehren würden. Vielmehr steht dort „so, auf diese Weise“ wird ganz Israel errettet. Das Heil geschieht für sie in der gleichen wunderbaren Weise, wie Paulus es zuvor im Römerbrief beschrieben hat.
Wir können Paulus’ Gedankengang wie folgt in eigenen Worten formulieren: Jesus kam zuerst zu den Juden. Die Juden verwarfen ihn. Dann sandte Jesus sein Evangelium zu den Heiden. Die Heiden nahmen ihn an. Die Juden sahen das und wurden und werden eifersüchtig. So kommen auch sie zum Glauben an Christus und werden eingepfropft, genauso wie die gläubigen Heiden. Und so hat Gott eine großartige Errettung für Juden wie Heiden geschaffen.

Ganz Israel
Aber was bedeutet der Ausdruck „ganz Israel“? Weist das nicht darauf hin, dass alle Juden errettet werden? Dazu müssen wir mehrere verschiedene mögliche Auslegungen betrachten.
Kann es bedeuten, dass alle Juden aller Zeiten errettet werden? Nein, denn die Schrift lehrt keine zweite Chance nach dem Tod.
Bedeutet es, dass eine große Mehrheit der Juden bei einem künftigen Ereignis errettet wird? Nun, hier steht „ganz Israel“ und nicht „eine Mehrzahl aus Israel“.
Bedeutet es, dass alle Juden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt leben, errettet werden? Wenn das so wäre, dann sollten alle Heiden, die keine Christen werden, besser zum Judentum übertreten, damit sie errettet werden. Die Schrift lehrt aber keine kollektive Bekehrung, sondern nur eine persönliche, individuelle Hinwendung von jedem Gläubigen einzeln zum Herrn Jesus durch das verkündete Evangelium. Ein solches Szenario, das notwendig wäre, damit alle zu einem bestimmten Zeitpunkt lebenden Juden auf einem Schlag durch das Evangelium gläubig werden, lässt sich aber beim besten Willen nicht in diesen Vers Römer 11,26 hineinlesen. Manche meinen, dies geschähe, wenn die Juden den Herrn Jesus bei seiner Wiederkunft sehen. Aber das ist dann nicht Glauben, sondern Schauen. Das Heil ist aber nicht durch Schauen, sondern durch Glauben an das Evangelium.
Der Ausdruck „ganz Israel wird errettet werden“ hat wahrscheinlich eine von zwei Bedeutungen: Entweder heißt das, dass alle von Gott erwählten und berufenen Juden errettet werden. Oder es bedeutet, dass alle erwählten und berufenen Menschen, seien es der Abstammung nach Juden oder Heiden, errettet werden. Wie schon Römer 2,28-29 und 9,6ff (und andere Stellen) erklären, bilden sie ja das wahre Israel.
Diese letztgenannte Sicht scheint die beste zu sein, denn Paulus hat gerade zuvor beschrieben, wie gläubige Heiden und Juden Teil des kontinuierlichen wahren Israel werden, indem sie darin eingepfropft werden. Alle Erwählten, Berufenen und Gläubigen zusammen bilden das „Israel Gottes“ (Gal 6,16), die wahre Nachkommenschaft Abrahams (Gal 3,29).
Bei diesem Verständnis soll Gott allen Lobpreis für sein großartiges Heil bekommen. Denn er hat eine große Volksmenge aus jeder Nation errettet, einschließlich aus der Nation der Juden, durch die Gabe seines Sohnes. „Ich habe noch andere Schafe [Heiden], die nicht aus diesem Hof [Israel] sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein (Joh 10,16). Möge unser gemeinsamer Großer Hirte auf ewig gepriesen werden.

Quelle: www.evangelical-times.org
Übersetzt und bearbeitet von Hans-Werner Deppe
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Mittwoch, 30. Mai 2007

Predigten

Hinweis für Interessierte an deutschsprachigen MP3-Predigten:
Das Sortiment auf der AB Basel-Predigt-Seite wurde stark erweitert.

Samstag, 26. Mai 2007

Von Mohammed zu Jesus

Normalerweise beschäftige ich mich auf diesem Blog entweder mit Themen, die eine spezifisch reformiert-theologische Ausrichtung haben oder versuche Dinge aus dieser Perspektive zu beurteilen.
Ausnahmsweise ist das bei diesem Beitrag nicht der Fall. Ich bin auf ein Interview-Video auf dem "Heilig-Blog" gestossen, das mich beeindruckt hat.
Ein ehemaliger Moslem, der in Deutschland aufgewachsen ist, gibt Auskunft über seine Bekehrung zu Christus.
Das Video findest Du hier

Sonntag, 20. Mai 2007

What about secular music?

Dürfen Christen weltliche Musik hören?
Welche Stile sind erlaubt?
Und was ist für den Gottesdienst brauchbar?

Das sind Fragen, die im evangelikalen Raum so unterschiedlich beantwortet werden wie wohl kaum ein anderer Themenbereich.

Ich möchte dazu zweierlei Dinge beitragen:

Erstens gebe ich (für die des Englischen Mächtigen) eine Empfehlung.
Gene Cook, reformierter Pastor aus San Diego, hat in seiner Radio-Sendung The Narrow Mind eine hervorragende Stellungnahme zu einem gesunden Umgang mit säkularer Musik gegeben. Anschliessend bespricht er mit einem Anrufer die Frage der Auswahl der Musik/Lieder im Gottesdienst.

Beides ist unbedingt hörenswert! Die MP3-Datei der Sendung (Open Phones Friday 05.18.07) kann auf The Narrow Mind gehört oder von dort heruntergeladen werden.

An die nicht Englisch-sprechenden (und natürlich an diejenigen, die sich die Sendung angehört haben) geht die Einladung, über die Themen "Säkulare Musik für Christen - was liegt drin?" und "Musik im Gottesdienst" zu diskutieren.

Benutzt dazu einfach den Kommentarteil (und lasst die Tasten aber nicht die Köpfe heiss laufen).

Mittwoch, 16. Mai 2007

Wer hat das geschrieben?

(benutzt den Kommentarteil, um zu tippen - viel Erfolg!)

Du hast mir alles gegeben
Du hast mir Augen gegeben, um zu sehen
Was kann ich für dich tun?

Du hast mich aus der Knechtschaft befreit
Du hast mich im Innern erneuert
Hast einen Hunger gestillt, der allezeit verleugnet wurde
Hast eine Tür geöffnet, die kein Mensch schliessen kann
Hast sie so weit geöffnet
Du hast mich erwählt, um unter den Wenigen zu sein
Was kann ich für dich tun?

Du hast dein Leben für mich gegeben
Du hast jedes Geheimnis erklärt
Was kann ich für dich tun?

Sobald ein Mensch geboren wird, beginnen die Funken zu fliegen
Er wird weise in seinen Augen
Wird dazu gebracht, eine Lüge zu glauben
Wer wird ihn retten von dem Tod, den er sterben muss?
Du hast alles getan und niemand kann behaupten, dass er etwas dazu tun könnte
Was kann ich für dich tun?

Du hast alles gegeben, das man geben kann
Du hast mir das Leben gegeben
Wie kann ich für dich leben?

Ich weiss alles über Gift
Ich weiss alles über feurige Pfeile
Ich mach mir keine Gedanken, wie rauh der Weg ist
Zeig mir nur, wo er beginnt
Was immer dir gefällt, sag es meinem Herzen
Ich verdiene es nicht, aber ich werde sicher durchkommen
Was kann ich für dich tun?

Samstag, 5. Mai 2007

Wie gesetzlich ist das Gesetz?

Michael Horton behandelt in 'God of Promise' - einer Einführung in die Bundestheologie - folgerichtig auch die Frage nach der Haltung des (neutestamentlichen) Christen zum Gesetz.
Dabei erwähnt er, dass er in einem christlichen Umfeld aufwuchs, wo man sich fragte, ob bestimmte Leute, die zum Essen ein Glas Wein trinken wohl Christen sind. Gleichzeitig hielt man die Gemeinde für gesetzlich, in der man es als notwendig sah, sich im christlichen Alltag nach Gottes Geboten zu richten.
Das war im Amerika der 70er Jahre. Wie es in seiner Umgebung heute ist, schrieb er nicht extra. Ich denke, dass es bei uns AD 2007 nicht sehr viel anders ist. Das mit dem Wein ist vielleicht das geringere Problem. In unserem Fall hätten vielleicht manche Leute mehr Mühe, wenn sich der Pastor am Sonntagnachmittag im Garten ein Pfeifchen anzündet...

Aber die Beziehung zum Gesetz Gottes ist wohl nach wie vor weit herum eine stiefmütterliche.
Und ich denke, das haben wir dem Dispensationalismus zu verdanken, der durch seine krasse Aufteilung des Heilsplans den Antinomismus wiederbelebt hat.
"Wir leben im Zeitalter der Gemeinde, nicht mehr des Gesetzes; im Neuen, nicht mehr im Alten Testament", heisst die Prämisse.

Um diesem Missverhältnis zum Gesetz etwas entgegenzuwirken, möchte ich im Folgenden einige grundsätzliche Dinge über das Gesetz zum Besten geben:

Welches Gesetz?

Wir müssen verstehen, dass die Biblischen Autoren nicht immer vom genau Gleichen reden, wenn sie Gesetz sagen. Wir müssen unterscheiden zwischen verschiedenen Bestandteilen oder Formen des Gesetzes.

Wenn Jesus und die Apostel und ihre Zeitgenossen von 'Gesetz und Propheten' sprachen, dann meinten sie das schriftliche Wort Gottes, wie es zu ihrer Zeit festgehalten war, das Alte Testament.

Es ist die Offenbarung Gottes, durch die Er sich uns zu erkennen gibt. Es enthält nicht nur Gebote, sondern es zeigt auch Gottes Charakter.
Es regelt das Leben des Volkes Gottes, zeigt, wie es sich verhalten muss – aber nicht nur das, sondern auch wie es denken muss, wie es motiviert sein muss.
Aber noch mehr: Das Gesetz (und die Propheten) ist dazu da, die Menschen auf das Kommen des Messias vorzubereiten. Das tut es, indem es ihnen ihre Sünde aufzeigt. Und es zeigt ihnen den Erlöser in Vorabbildungen und Schatten.

3 Formen des Gesetzes

Dieses Gesetz ist zwar eine Einheit, aber es muss auch unterschieden werden zwischen den verschiedenen Formen.
Wir unterscheiden zwischen dem Moralgesetz, dem Zeremonialgesetz und dem Judizial- oder Zivilgesetz. Diese Formen sind in der Bibel nicht schön separat aufgeführt, sondern es ist alles ineinander verwoben. Das macht es manchmal etwas schwierig, sie voneinander zu unterscheiden.

Gott gab seinem Volk ein Zivilgesetz, das mit unserem ZGB, OR und StGB zu vergleichen ist. Es regelt das äusserliche, soziale und politische Zusammenleben, die polizeilichen und richterlichen Bestimmungen, usw.

Dazu gehören solche Dinge wie die Regelung, was zu tun ist, wenn ein Rind eine schwangere Frau stösst, oder wenn ein Sachschaden entsteht, wenn jemandem etwas gestohlen wird, wenn jemand bei einer Schlägerei verletzt wird, oder wenn ein Mann seine Frau fortschickt, usw.

Natürlich stehen diese Regelungen auch auf der Grundlage des Moralgesetzes und können deshalb nicht unabhängig behandelt werden.

Dann unterscheiden wir das Zeremonialgesetz. Es enthält alle Gottesdienstlichen Vorschriften wie Anordnungen für die Opfer, Reinheitsgesetze, Gottesdienstabläufe, die Feste, Priesterordnungen, usw.

Dieses Gesetz ist das, wovon Paulus in Eph 2,15 schrieb, dass Christus es beseitigt hat:
Er hat das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt.

Diese Bestimmungen sind keine ewige Ordnung, sondern sie sind Schatten und Vorbilder von etwas Grösserem, das kommen soll, nämlich Christus. Und als das Grössere, das Eigentliche kam, konnte das Vorläufige beiseite getan werden:

Heb 8,6
Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, wie er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet worden ist.
Denn wenn jener erste Bund tadellos wäre, so wäre kein Raum für einen zweiten gesucht worden.

Wir opfern nicht mehr, weil Christus das letzte, eigentliche Opfer war, für das die Tieropfer nur Vorbild waren. Wir beachten keine kultischen Speisegesetze mehr, auch sie waren vorläufig: Der Herr erklärte: Was durch den Mund in den Menschen hineingeht, macht ihn nicht unrein. Und in Apg 10 erklärt Er Petrus, dass er keine Speisen mehr für unrein achten solle. "Erkläre du nicht für unrein, was Gott für rein erklärt hat."

Auch die Feste, die die Israeliten feiern sollten, waren Schatten und Vorbilder und müssen nicht mehr gehalten werden. Paulus erklärt in Römer 14, dass wie die Speisen, so auch die Festtage nicht mehr als für alle verbindlich gelten:

Rö 14,5
Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich.

Das ganze Zeremonialgesetz war der Schatten, der dem Eigentlichen voranging. Als das Eigentliche kam, wurde klar, dass der Schatten nur der Vorbote war. Jetzt wo Christus da ist, hat sein Vorbote ausgedient.

Nun bleibt das Moralgesetz. Das Moralgesetz ist in den 10 Geboten zusammengefasst. Dieses Gesetz ist es, das nicht nur das Leben der Israeliten bestimmen soll, sondern auch das der Jünger Jesu im Neuen Bund.

Über dieses sagt Jesus in Mt 5,17, dass es nicht vergehen wird, dass es vollkommen gehalten werden muss. Er erklärt in den folgenden Abschnitten der Bergpredigt, auf welche Weise es tatsächlich gehalten werden muss; nicht nur in seiner äusseren Form, sondern in seinem Geist.

Die Zusammenfassung des Gesetzes: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzer Kraft, mit ganzem Herzen und ganzem Verstand" redet eben davon.
Nicht nur mit aller Kraft äusserliches Verhalten, sondern das Herz, die innere Motivation, und auch der Verstand, das Denken müssen sich Gottes Moralgesetz unterordnen.

Meint nicht, dass diese Forderungen des Moralgesetzes aufgelöst oder gelockert werden.
Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern es zu erfüllen

Die Erfüllung des Gesetzes

Was heisst das, dass Jesus das Gesetz erfüllt?
Es heisst zweierlei. Es geht um zwei Arten von Erfüllung. Wir könnten sie die prophetische und die moralische Erfüllung nennen.

Von der prophetischen Erfüllung haben wir schon gesprochen. Diese betrifft in grösserem Mass das zeremonielle Gesetz. Dieses Gesetz hat etwas vorher verkündigt, das Christus durch sein Kommen und durch sein Leben und Sterben erfüllt hat.

Die moralische Erfüllung des Gesetzes ist die, dass der Herr Jesus die Forderung des Gesetzes nach Gerechtigkeit erfüllt hat. Er ist der Einzige, der das jemals konnte und es auch getan hat. Er hat das ganze Gesetz erfüllt. Er hat alle Forderungen der Gebote Gottes – in ihrer umfassendsten Bedeutung, nicht nur äusserlich, sondern auch im Herzen, in der Motivation und im Denken – vollkommen gehalten. Das erste Mal, dass ein Mensch geboren wurde, der ein Leben lebte, das Gott vollkommen gefiel, zu dem Er seine volle Zustimmung gibt: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe."
Und bis zu dem Tag, an dem Er starb, hatte Er nicht eine einzige Sünde – weder im Denken, Wollen oder Handeln – getan. Deshalb wurde Er von Gott angenommen. Das wäre auch bei uns so, wenn Adam nicht gesündigt hätte: Jeder Mensch, der Gottes Gebote vollkommen einhalten würde, wäre deshalb von Gott angenommen. Aber diese Möglichkeit ist nicht mehr gegeben; es gibt keinen Menschen, der Gott vollkommen gehorsam ist. Deshalb brauchen wir Jesus!
Er hat nämlich sein vollkommen heiliges Leben nicht für sich selbst gelebt. Er hat das Gesetz nicht für sich selbst erfüllt. Er hat es als Stellvertreter für die Erwählten getan. Jesus Christus hat für sie nicht nur den Tod erlitten, sondern Er hat sein Leben für sie gelebt. Weil Er für die Seinen das Gesetz erfüllte, kann ihnen nun diese seine Gerechtigkeit angerechnet werden, wenn sie das im Glauben annehmen.

Wenn wir mit Christus eins sind, dann gilt seine Gerechtigkeit als die Unsere. Und wir sind so, als hätten wir selbst alles erfüllt. Es ist alles getan. Wir können und müssen nichts dazu tun.
Aber wir dürfen auch nicht sagen, wie das oft getan wird: "Das Gesetz kann niemand halten, es ist für einen sterblichen Menschen viel zu schwer. Schrauben wir also seine Forderungen etwas herunter…"

"Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel. Wer sie aber tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Reich der Himmel."

Was ist also die richtige Haltung der Christen gegenüber dem Gesetz?
Ist es 'gesetzlich', wenn man sagt, dass die Gebote gehalten werden sollen?
Nein, das ist es nicht! Mit dem Begriff 'gesetzlich' wird oft eine Begriffsverwirrung verursacht von denen, die nicht interessiert sind, ihr Leben ganz am Wort Gottes auszurichten.
Was ist gesetzlich?

Gesetzlich ist nicht, wenn man die Gebote halten will, sondern wenn man Gebote aufstellt, die nicht in der Bibel stehen und sagt, dass diese gehalten werden müssen, damit man bei Gott angenommen ist.
Das betrifft auch alle Teile des Zeremonialgesetzes wie Beschneidung, Speisegebote, Reinheitsgebote, Einhaltung von Festtagen, usw.

Aber auch neuere Gebote, wo es dann jeweils heisst: Ein Christ tut dies nicht und tut das nicht… Sicher gibt uns die Bibel auch grundsätzliche Weisheit für eine gottgefällige Lebensführung. Wer hier aber feste Gesetze aufrichtet, der ist gesetzlich. Auch bestimmte Gemeindetraditionen verdienen die Bezeichnung 'gesetzlich'.

Aber ein Christ, der Gottes Gebote halten will, der ist nicht gesetzlich. Im Gegenteil, er gefällt Gott: "Wer sie aber tut und lehrt, dieser wird gross heissen im Reich der Himmel."

Ein neutestamentlicher Christ wird das Gesetz Gottes nicht auflösen wollen, nein, er nennt es mit Paulus heilig, gerecht und gut! Er liebt das Gesetz Gottes, weil es Gottes Charakter, seine Heiligkeit und Gerechtigkeit widerspiegelt.

Folgende Beispiele aus Ps 119 sind auch für den neutestamentlichen Christen ein absolut geeignetes Gebet:

10 Mit meinem ganzen Herzen habe ich dich gesucht. Laß mich nicht abirren von deinen Geboten!
11 In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, damit ich nicht gegen dich sündige.
12 Gepriesen seist du, HERR! Lehre mich deine Ordnungen!
15 Deine Vorschriften will ich bedenken und beachte deine Pfade.
16 An deinen Satzungen habe ich meine Lust. Dein Wort vergesse ich nicht.
18 Öffne meine Augen, damit ich schaue die Wunder aus deinem Gesetz.
20 Meine Seele zermürbt sich vor Verlangen nach deinen Bestimmungen zu aller Zeit.
29 Halte fern von mir den Weg der Lüge, und gewähre mir dein Gesetz!
33 Lehre mich, HERR, den Weg deiner Ordnungen, und ich will ihn bewahren bis ans Ende.
34 Gib mir Einsicht, und ich will dein Gesetz bewahren und es halten von ganzem Herzen.
35 Leite mich auf dem Pfad deiner Gebote! Denn ich habe Gefallen daran.
40 Siehe, ich sehne mich nach deinen Vorschriften! Belebe mich durch deine Gerechtigkeit!

Woher kommt diese Liebe zu Gottes Geboten, zu seinem Gesetz?
Sie kommt daher, dass einem Christen das Gesetz ins Herz geschrieben ist. Das ist die Verheissung des neuen Bundes. Für den neuen Bund ist eben nicht verheissen, dass das Gesetz überflüssig wird, sondern dass es erfüllt werden will und kann!

Jer 31,31
Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben.

Hes 36,26f
Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.
Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt und meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut.

Das Gesetz kommt bei einem Christen nicht mehr als Forderung von aussen an ihn heran, sondern er hat es in seinem Herzen. Das heisst, er ist so verändert, dass er den Wunsch in sich hat, Gott zu gefallen und zu gehorchen.
Und dazu wird er immer mehr auch befähigt, nach Gottes Willen zu leben.
Christ sein heisst nicht, Gottes Gesetz verwerfen zu können, weil es nicht mehr gültig wäre. Es heisst im Gegenteil, einen Weg gefunden zu haben, Gottes Willen tun zu können.
Nicht ohne Sünde. Wir werden immer wieder fallen, solange wir auf dieser alten Erde leben. Aber unsere grundsätzliche Haltung wurde durch die Wiedergeburt eine neue. Wir lieben Gottes Gebote und wollen sie gern tun. Wir sind dazu geschaffen:

Eph 2,8-10
Denn aus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.

Und die guten Werke werden durch das Gesetz, das die Zusammenfassung der Liebe zu Gott und zum Nächsten ist, definiert.