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Mittwoch, 10. Dezember 2008

Adolph Zahn und die Endzeit

Es gibt kaum ein theologisches Thema, zu dem Adolph Zahn sich nicht kompetent äusserte. Zum Thema "Endzeit" habe ich bisher nichts gelesen, das in solcher Kürze und gleichzeitig in solcher Dichte die ganze Thematik zusammenfasst.
Man muss Zahns Artikel schon mehrmals lesen, um alles mitzubekommen, das er wie in einem Schnellzug 'unterwegs mitnimmt'. Aber eben das lohnt sich.
Adolph Zahn lebte und wirkte in der Zeit, in der sich die Gespinste der darbystischen Propheten-Konferenzen zu voller Blüte entwickelten. Er führt sie quasi in einem Atemzug ad absurdum. Hier ist der Artikel:


Endzeit

Wenige Regulative möchten wir gegen die schrankenlosen Liebhabereien auf dem genannten Gebiete in Kürze geben. Über drei aufeinander folgende Offenbarungen in der Geschichte des Rei­ches Gottes geht das biblische Wort nicht hinaus: über die Offenbarung des Heiles in dem Sohne Gottes, über die Offenbarung des Abfalles von diesem Heile in der Gemeinde Christi durch den Antichrist und über die Offenba­rung des jüngsten Gerichtes durch die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit.

In diesen drei Offenbarungen bewegte sich schon die vorbildliche! Ge­schichte Israels. Der Gabe des Gesetzes schloss sich unter scheinheiligen Formen der Abfall des Volkes und das göttliche Gericht an. Auch in der Zeit der Erfüllung verläuft so die Geschichte Israels. Dem Menschensohne tritt eine aufrührerische Kirche und ein Sohn des Verderbens (Joh 17,12; vgl. 2. Thess 2,3ff) entgegen, und dann folgt in dem Untergange Jerusalems das völlige Gericht des jüdischen Volkes.

Die apokalyptischen Reden des Herrn, manche Reichsgleichnisse lassen auf seine erste Erscheinung eine Zeit der Verführung durch die falschen, Unkraut säenden Christusse kommen und dann das Weltgericht durch die Wiederkunft des Menschensohnes.

Ohne jeglichen genügenden Beweis zerstört man eben das "Ganze" der Schrift, wenn man diesen klar gezeichneten Weltgang Gottes durch die Ein­tragung einer noch zu erwartenden Erscheinung des in einer Person auftre­tenden Antichrist, einer zwiefachen Wiederkunft des Herrn, eines tausend­jährigen Reiches, einer Bekehrung der jüdischen Nation durchbrechen und verändern will.


1.

Die Schrift weiß nur von einer Wiederkunft des Herrn, an die sich alsbald die Auferstehung der Toten, die Verwandlung der noch lebenden Gläubigen und das allgemeine Gericht anschließt, aus welchem die ewige Seligkeit der Gerechten bei dem Herrn und das ewige Verderben der Ungerechten bei den Teufeln hervorgeht. Die Gründe für eine der letzten Wiederkunft des Herrn vorangehende so genannte erste Wiederkunft sind so nichtig, dass sie eigentlich einer Widerlegung nicht wert sind. Mt 25,31ff trennt man durch eine große Zeitenpause von dem Vorhergehenden; ebenso werden wir [nach dieser Theorie] einen längeren Gedankenstrich zwischen dem "zuerst" (1. Thess 4,16) und dem "darnach" (V.17) zu machen haben. Auch I. Kor 15,23.24 werden wir wieder zwischen "darnach" und "darnach" soviel ein. schieben können, als uns beliebt, obwohl offenbar die Wiederkunft Christi und das Ende zusammenfällt. Selbst Mt 23,39 ("der Jubelruf des jüdischen Volkes bei der ersten Wiederkunft des Messias") hat man hierher gezogen. Doch erklärt sich jenes Wort aus der Methode des Matthäus, welcher längere Redeabschnitte bildet und einen geschichtlich vor Mt 21 hingehörenden Ausspruch hier angebracht hat.


2.

Die Offenbarung eines besonderen Antichrist wird die Zukunft nicht brin­gen. Der Apostel beschreibt seinen Antichrist in grauenvollen, von irdischen, sich selbst vergötternden Gewalthabern entlehnten Bildern (Jes 14,13; Dan 11) und denkt dabei so wenig an eine bestimmte Person wie Johannes, der eben diesen geweissagten Antichrist in viele Antichristen auflöst [I. Joh 2,18]. Auch der Herr sprach von vielen falschen Christussen, die nach ihm kommen würden [Mt 24,24]: er hätte sie auch den falschen Christ nennen können mit demselben Recht, wie Jesaja den Gottlosen - im Gegensatz zu den Elenden, welchen geholfen wird - durch den Odem der Lippen des Mes­sias getötet sieht (Jes 11,4)

Der Antichrist ist der in allen Zeiten des Reiches Gottes nach der ihn nie­derhaltenden (to katechon [2. Thess 2,6] Predigt des Evangeliums sich of­fenbarende Abfall der einst gläubigen Gemeinde an die Christusse des Be­truges, an die lügnerischen Christusse menschlicher Erfindung: an Baal-Je­hova, an Jehova genannte Kälber, an die abgöttische, mit den Weltmächten buhlende Hure, an den falschen Propheten.


3.

Wir haben für das jüdische Volk als Nation keine Aussichten der Bekeh­rung mehr: Als Nation ist das Volk gerichtet, die Tage der Rache haben sich an ihm erfüllt und erfüllen sich an ihm (Lk 21,22), der Zorn Gottes ist bis ans Ende (I. Thess 2,16), d.i. in völliger, unwiderruflicher Vollstreckung über dasselbe gekommen; das Volk ist nichts als ein Gerichtsschauspiel Gottes bei sichtbarem fleischlichem Wohlstande. Darum fasst der Herr die Zerstörung Jerusalems und das Weltgericht Zusammen, und die Offenbarung des Johannes sieht eben in dem Gericht des Babylon-Jerusalem, des Sodom und Ägypten, wo unser Herr gekreuzigt wurde, das völlige, hoffnungslose Gericht desselben (Off 11,8; 18; 19).

Paulus greift in der bekannten Stelle (Röm 11,26) nicht über seine Zeit hinaus und spricht entweder von einem geistlichen Israel - und dafür lassen sich gewichtige, gar nicht zu bespöttelnde Gründe anführen -, oder er verstand unter dem "ganzen Israel" nur eine neue Auswahl des Volkes unter den bis dahin Verstockten, welche noch damals sich bekehren werde. Für das ganze Israel als Volk oder für Massenbekehrungen unter demselben hat niemals weder das prophetische noch das apostolische Wort irgendwelche Hoffnung gehabt. Es sind immer nur "die verlorenen Schafe des Hauses Isra­el" (Mt 10,6) die Erben der Verheißung. Die jahrhundertelange Selbst­verhärtung der Juden sollte Beweis genug für die Wahrheit der Worte des Stephanus sein (Apg 7,51). Auch bringen die letzten Zeiten keine besondere Geistesausgiessung, sondern eine völlige Entziehung des Geistes von der Menschheit (1. Tim 4,1ff; 2. Tim 3,lff.; vgl. 1. Mose 6,3; Mt 24,39; Jud 19).


4.

Die Offenbarung des Johannes, deren Erklärung aus der ganzen Schrift- und Glaubenseinheit heraus zu geben oder in Bescheidenheit und Vorsicht hei entgegenstehenden Resultaten beiseite zu legen ist, gibt uns nirgendein Recht, unter ihren symbolischen Formen solche Unterschiede zu machen, dass wir nach Belieben die Bilder massiv fassen und dann wieder geistig auflösen.

Nachdem der Prophet von Kapitel 4 bis 20 das Gericht über das mit den Weltmächten buhlende, abgöttische, fleischliche Israel (Babylon-Israel) be­schrieben hat, sieht er nach demselben eine Zeit anbrechen, wo die junge Christenheit unter dem Regimente Christi gedeihen, der Satan durch das Wort gebunden (niedergehalten) wird und die Gemeinde des Herrn einen Triumph über den Tod feiert (erste, geistige Auferstehung), während die Welttoten tot bleiben und noch einen anderen schrecklichen Tod zu erwarten haben. Alsdann enthüllt sich aufs neue der Abfall von dem Worte (Erschei­nung des Antichrists), und das Weltgericht macht dem Weltsturme ein Ende.

Es war die apostolische Zeit eine Zeit der Gebundenheit des Satans, auch die reformatorische. Wir haben keine Hoffnung auf eine neue Bindung der geistlichen Lüge: das Gericht ist nahe. Die Symbolik der Zahl 1000 bedarf wohl keines Beweises?


5.

Eine besonnene Vergleichung und Ausgleichung der nachfolgenden Schriftstellen: Jes 65,17; 66,22; 60,19; 30,26; Lk 23,43; Joh 14,2; 17,24; 2. Kor 12,4; Off21; 2. Pet 3,12.13; Hebr 2,5 ergibt das Resultat, dass wir einen neuen Himmel und eine neue Erde nicht in dem Sinne zu erwarten haben, dass uns noch eine Schöpfung derselben als vollkommene Neuschöpfung oder als eine Erdenumwandlung bevorstehe. Vielmehr ist mit der "Wieder­herstellung aller Dinge" in Christus auch der neue Himmel und die neue Er­de gegeben, in welche er als in "das Paradies Gottes", als in die "vielen Wohnungen" seine Erlösten führt, um "allezeit bei ihm zu sein".

Die zukünftige Welt hat ihre Vollendung und ihren Ausbau bereits durch den in sie zuerst eingegangenen König empfangen. Wir sind über die reformatorische Betrachtung der letzten Dinge nicht hi­nausgekommen. Es ist ein krankhafter Zug unserer Zeit, sich über das [feh­lende] Verständnis der grundlegenden Wahrheiten der Reformation mit apokalyptischen Spielereien hinwegzuhelfen. An dem Jammer der Zeit glaubt man nicht die Nähe eines tausendjährigen Reiches, sondern die Nähe des Gerichtes Gottes, und sucht für dasselbe die Gerechtigkeit des Glau­bens gefunden und bewahrt zu haben.


Sonntag, 19. Oktober 2008

Interview mit Baruch Maoz

Chris Arnzen's Iron Sharpons Iron Radio Programm bringt viele gute Interviews mit Autoren, Theologen und Pastoren.

Letzten Freitag brachte Arnzen ein Interview mit Baruch Maoz, das sich lohnt, anzuhören. Baruch Maoz ist ein calvinistischer Christ, der eine verhältnismässig grössere reformiert-baptistische Gemeinde in Israel leitet.
Er kritisiert die messianische Bewegung für ihre Integration jüdisch-rabbinischer Tradition in den christlichen Gottesdienst.

Baruch richtet auch einige begründete kritische Aussagen an die Adresse reformierter Christen, die wir uns anhören sollten...

Montag, 3. September 2007

Prophetie und Hermeneutik

Warum nur kommen verschiedene Ausleger der Bibel in Bezug auf Fragen der Prophetie auf solch gegensätzliche Ergebnisse?

Weil in manchen Fällen das grundlegende hermeneutische Prinzip "die Schrift mit der Schrift auslegen" nicht oder ungenügend beachtet wird.

Einer der Hauptfehler der Hermeneutik der Dispensationalisten zum Beispiel ist, dass sie grundsätzlich ihre buchstäbliche Auslegung des Alten Testaments dem Neuen Testament überstülpen, anstatt dass sie bei den Aposteln in die Schule gehen und verstehen, wie diese die Verheissungen des AT verstanden haben.

Eine Stelle aus dem Buch Amos kann sehr gut als Beispiel dafür dienen, wie diese apostolische Hermeneutik bezüglich der Wiederherstellung Israels "funktioniert".

Amos 9:11-12 An jenem Tag richte ich die verfallene Hütte Davids auf, ihre Risse vermauere ich, und ihre Trümmer richte ich auf, und ich baue sie wie in den Tagen der Vorzeit, damit sie den Überrest Edoms und all die Nationen in Besitz nehmen, über denen mein Name ausgerufen war, spricht der HERR, der dies tut.

Wenn man diese Stelle für sich isoliert betrachtet, wie das eben oft in unachtsamer Weise geschieht, dann könnte man leicht schlussfolgern, dass der Prophet hier von einer Wiederherstellung Israels als Nation (im politischen Sinn) spricht, die die Edomiter und Heiden in der Weise in Besitz nimmt, dass sie sie politisch, resp. kämpferisch besiegt.

So würde die Stelle gut in die Vorstellung hinein passen, dass es einmal noch einen Kampf gegen die Heiden gibt, die sich gegen (das ethnisch-nationale) Israel stellen, in welchem Israel dann siegen wird. Das ist ja seit dem Ausspruch dieser Prophetie in der Weise nicht geschehen.

Nehmen wir nun aber die Auslegung der Apostel – genau gesagt, des Jakobus – zu dieser Prophetie hinzu, dann erhalten wir plötzlich ein ganz anderes Verständnis.

Die Apostel sind auf dem berühmten ersten Konzil in Jerusalem versammelt und beraten, inwiefern den Heiden etwas von dem Gesetz aufzulegen ist, nachdem von Seiten einiger Judaisten verlangt wurde, die Heiden, die zum Glauben an Christus gekommen sind, sollten noch Teile des Zeremonialgesetzes, insbesondere die Beschneidung, einhalten.

Petrus gibt Zeugnis, wie er erlebt hat, dass Gott den Heiden um den Hauptmann Kornelius, die Petrus besuchte, den Heiligen Geist gegeben hat und somit demonstrierte, dass Er sie in sein Volk aufnimmt.
Darauf antwortet Jakobus:

Apg 15:13-17 Ihr Brüder, hört mich! Simon hat erzählt, wie Gott zuerst darauf gesehen hat, aus den Nationen ein Volk zu nehmen für seinen Namen. Und hiermit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: «Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten; damit die übrigen der Menschen den Herrn suchen und alle Nationen, über die mein Name angerufen ist, spricht der Herr, der dieses tut»

Jakobus zitiert die Amos-Stelle und erklärt eindeutig und unmissverständlich, dass sich die Prophetie erfüllt – also die Hütte Davids wieder aufgebaut wird (was der Wiederherstellung Israels entspricht), indem die Heiden dazu gewonnen werden.

Die Wiederherstellung Israels ist geschehen, indem der Heilige Geist ausgegossen wurde, die grosse Menge an Juden (d.i. der "Überrest") zum Glauben kam und durch den Dienst der Apostel (die Juden waren) alle Nationen durch Christus zu Gott kommen.

Wenn wir die AT-Prophetie bezüglich der Zukunft Israels in der gleichen Weise, wie das hier exemplarisch gezeigt wird – und in anderen Fällen von den Aposteln ebenso praktiziert wird – verstehen und auslegen, dann erkennen wir, dass das AT keine Wiederherstellung des national-ethnischen Israel lehrt, sondern lediglich den Bau des Reiches Christi meint (welches aus Juden und Heiden besteht, die Christus als Gottes Sohn anerkennen).

Montag, 16. Juli 2007

Wird Israel wiederhergestellt?

Hier ein Artikel (Auszug) aus einem neu aufgelegten Büchlein (William Hendriksen: Israel in Prophecy; Wakeman Trust), der die Frage behadelt, ob der heutige Staat Israel eine Erfüllung der Alttestamentlichen Prophezeiungen bezüglich der Rückkehr Israels aus dem Exil ist.
Hendriksen vermag sehr gut zu zeigen, welche Fehler man macht, wenn man bei der Auslegung der Prophetie den zeitlichen Kontext nicht beachtet:

Erfüllen sich alttestamentliche Prophezeiungen vor unseren Augen?
Von William Hendriksen

Heute glauben viele Christen, dass sich mit der gegenwärtigen Rückkehr von Juden ins Land Israel und der Neugründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 viele alttestamentliche Prophezeiungen erfüllen würden. Diese Sichtweise (die zum theologischen System des Dispensationalismus gehört) lässt sich mit den folgenden 12 biblischen Begründungen darstellen, die anschließend Punkt für Punkt widerlegt werden:

1. Die Rückkehr der Juden in ihr Land ist gegenwärtig real, aber nur teilweise. Sie wird in nicht allzu ferner Zukunft gänzlich vollzogen. Beweis: „Und ich werde eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Nationen und aus allen Orten, wohin ich euch vertrieben habe, spricht der HERR; und ich werde euch an den Ort zurückbringen, von wo ich euch weggeführt habe“ (Jer 29,14).

2. Da diese Rückkehr als eine Heimkehr nicht allein aus Babylon beschrieben wird, sondern „aus allen Nationen und aus allen Orten“ der Vertreibung (Jer 29,14) und „aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamath und aus den Inseln des Meeres [und] von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,11-12), muss sie sich auf die heute begonnene und bald vollendete Wiederherstellung Israels beziehen.

3. Es handelt sich nicht um die erste, sondern um die zweite Rückkehr (Jes 11,11).

4. Da einige diese Rückkehr-Prophezeiungen an solche Juden gerichtet sind, die bereits aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt waren (Sach 8,1-8), müssen sie sich auf spätere Ereignisse beziehen, also auf die Geschehnisse seit dem 20. Jahrhundert.

5. Dies wird bestätigt durch den Ausdruck „am Ende der Tage“ (Jer 30,24).

6. Die angekündigte Rückkehr geschieht „im Unglauben“ (Hes 36,24-26), was mit den gegenwärtigen Geschehnissen übereinstimmt.

7. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 beweist, dass diese alttestamentlichen Prophezeiungen jetzt erfüllt werden.

8. Mit der politischen Neugründung Hand in Hand geht auch die ökologische und wirtschaftliche Wiederherstellung Israels. Schließlich hat Jesaja prophezeit, dass eines Tages die Wüste erblühen und dass die alten Ruinen wieder aufgebaut werden (Jes 35,1; 61,4). Diese Prophezeiungen erfüllen sich heute: Das Land wird nach Jahrhunderten der Öde wieder fruchtbar gemacht, Wasser aus dem Jordan bewässert die Negev-Wüste, zahlreiche neue Städte und Dörfer werden gebaut, natürliche Ressourcen wieder verfügbar gemacht und genutzt und dergleichen mehr. Das Land Israel ist mit seiner neuen Blüte zu einer touristischen Attraktion geworden.

9. Die Voraussagen von Amos 9,14-15 haben sich erfüllt: Im Mai 1948, Oktober 1958 und insbesondere im Juni 1967 (Sechstagekrieg) hat Israel seine Feinde rasch besiegt. Das beweist, dass sich Gottes Verheißungen an Israel in der Gegenwart erfüllen und dass es unmöglich ist, den Staat Israel zu vernichten.

10. In Lukas 21,24 heißt es, dass „Jerusalem von den Heiden zertreten wird, bis die Zeit der Nationen erfüllt ist“. Dass Jerusalem heute wieder im Besitz der Juden ist, beweist, dass sich diese Prophezeiung jetzt erfüllt (hat).
Auch Paulus lehrt, dass nach der Rückkehr der Juden der Tempel wieder aufgebaut wird und dass sich der Antichrist in diesem Tempel setzen wird (2Thes 2,4). Auch diese Prophezeiung wird bald erfüllt werden. Die Vorbereitungen zum Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem sind bereits im Gange.

11. Im Neuen Testament gibt es noch mehr Hinweise auf die Wiederherstellung Israels. So lehrt Mt 19,28, dass die zwölf Stämme wieder gesammelt werden.

12. In 1Kor 10,32 werden die Juden und die Gemeinde als zwei verschiedene Gruppen genannt. Das zeigt, dass Gott noch einen Plan für die Juden hat. Auch Galater 6,6 und Römer 11,26 unterstützen diese Annahme.


Antworten

Zu 1) Der Kontext von Jer 29,14 spricht ausdrücklich von einer Rückkehr „wenn siebzig Jahre für Babel voll sind“ (Jer 29,10). Diese Schriftstelle hat Daniel beachtet (Dan 9,2) und verstanden, dass sie sich auf seine damalige Zeit bezieht. Daher kann nicht behauptet werden, dass sich diese Prophezeiung auf den Zionismus und gegenwärtige oder künftige Rückkehrbewegungen der Juden in ihr Land beziehe. Das gleiche gilt für ähnliche Rückkehr-Prophezeiungen wie 5Mo 30,1-10; 1Kö 8,46-52; Hes 36,17-19.26-28; Hos 11,10-11.

Zu 2) Dass in Jeremia 29 außer Babylon (Sinear) etliche andere Länder erwähnt werden, aus denen die Juden zurückkehren, ist leicht zu erklären: Damals war es üblich, dass Kriegsgefangene an die umliegenden Nationen verkauft wurden, sodass sie weit verstreut lebten (Hes 27,13; Joel 3,7; Amos 1,6.9; Offb 18,13). Bei einer schrittweisen Heimkehr aus der Gefangenschaft – während einige zurückkehren, verbleiben andere noch im Exil und kehren erst später heim – ist es natürlich, dass auch einige dieser weit zerstreuten Juden ins Gelobte Land ihrer Vorväter zurückkehrten. Es ist bekannt, dass der Sklavenhandel insbesondere von den Phöniziern betrieben wurde. Deren Seefahrer bereisten fast die ganze damals bekannte Welt und verkauften ihre „Handelsware“, zu der auch Sklaven gehörten.
Dass bei der Aufzählung der Nationen in Jes 11,11 Assyrien und Ägypten als erstes genannt werden, ist sehr nahe liegend, denn oft hatten die Propheten, insbesondere Jesaja, davor gewarnt, sich auf Assyrien oder Ägypten zu verlassen. Und wie oft hatte sich das Volk mal auf Assyrien, mal auf Ägypten gestützt und hatte sich von einer unheiligen Allianz in die nächste gestürzt, anstatt allein und vorbehaltlos auf den Schutz des HERRN zu vertrauen! Assyrien und Ägypten werden nicht nur hier in Jes 11,11, sondern auch an anderen Stellen zusammen erwähnt (Jes 7,18; 19,24.25; 20,4; 27,13; Jer 2,36.37; Hos 7,11; Sach 10,10 u.a.). Aus all diesen Gegenden kehrten Juden zurück – mal mehr, mal weniger. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass dies tatsächlich so geschah. Die Heimkehrer waren dabei nicht nur vom Stamm Juda (und Benjamin, die zwei Stämme des Südreichs), sondern auch von den anderen zehn Stämmen des Nordreichs, siehe 1Chr 9,33.34; Esra 2,59). Als während der Regierung des Darius der Tempel wiederaufgebaut wurde, wurde ein Sündopfer dargebracht, und zwar, „für ganz Israel zwölf Ziegenböcke, nach der Zahl der Stämme Israels“ (Esr 6,17).
Auch das Neue Testament sieht Israel als wiedervereintes „zwölfstämmiges Volk“ (Apg 26,7; Jak 1,1; vgl. Offb 7,1-8; 21,12; Mt 19,28), sei dies nun buchstäblich oder sinnbildlich gemeint. Joseph und Maria waren vom Stamm Juda (2Sam 7,12.13; Mt 1,20; Lk 1,27; 2,4.5, Apg 2,30; Röm 1,3; 2Tim 2,8; Offb 5,5) und Zacharias und Elisabeth waren vom Stamm Levi (2Mo 2,1; 4,14; 1Chr 24,1.10; Lk 1,5) und die Prophetin Anna war vom Stamm Asser (Lk 2,36). Über alle Stämme, die als ein einziges Volk gesehen werden, regiert ein einziger Hirte, wie Hesekiel prophezeit hat (Hes 37,15-28). Die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft betrifft zwar hauptsächlich den Stamm Juda, aber die die anderen Stämme waren keineswegs ausgeschlossen. Sie waren bei dieser Rückkehr wahrscheinlich stärker vertreten, als die meisten heute meinen.
Das alles macht deutlich, dass Jes 11,11.12 keineswegs so verstanden werden muss, dass damit die moderne Rückkehrbewegung Zionismus gemeint sei. Im Gegenteil, diese Sichtweise bringt viele Schwierigkeiten mit sich: Im Zusammenhang wird gesagt, dass die Heimkehrer „nach Westen auf die Berglehne der Philister fliegen. Miteinander werden sie die Söhne des Ostens ausplündern. Edom und Moab werden ihre Hand greifen, und die Söhne Ammons werden ihnen hörig sein“ (Jes 11,14). Aus dem apokryphen Makkabäer-Büchern wird deutlich, dass diese Prophezeiungen bereits erfüllt worden sind (1Makk 3,41; 5,1-8.68; 10,83-89; 11,60.61 u.a.). Wer jedoch glaubt, dass diese Philister, Edomiter, Moabiter und Ammoniter heute oder in naher Zukunft mit den Israeliten konfrontiert werden müssten, wird Probleme allein damit haben, diese Völker zu finden!

Zu 3) Dass Jes 11,11 von einer zweiten Rückkehr spricht, hat überhaupt nichts mit einer gegenwärtigen oder künftigen Rückkehr zu tun. Dem Kontext zufolge war die erste Rückkehr jene unter Mose „aus dem Land Ägypten“ (11,16). Die zweite Rückkehr war demzufolge die aus Babylon und Assyrien, von wo die Juden in mehreren Phasen heimkehrten. All das hat sich vor langer, langer Zeit erfüllt. Es gibt keinen Anlass, diese Prophezeiungen so zu interpretieren, als bezögen sie sich auf Ereignisse in unserer Zeit.

Zu 4) Das Gleiche gilt für die Prophezeiungen an die damals bereits ins Land Heimgekehrten. Sacharia wirkte um das Jahr 520 v.Chr. Seine Prophezeiung einer weiteren Heimkehr von Juden aus der Gefangenschaft und von einer Wiederherstellung des friedevollen, glücklichen Lebens in Jerusalem (Sach 8,1-8) erfüllte sich in der Zeit von Esra und Nehemia und danach (Esr 7,1-10; Neh 11,1-2; 1Makk 14,8-12).

Zu 5) Der Ausdruck „am Ende der Tage“ (oder „in der Endzeit“) kommt auch an folgenden Stellen vor: 1Mo 49,1; 4Mo 24,14; 5Mo 4,30; 31,29; Jes 2,2; Jer 23,20; 48,47; 49,39; Hes 38,16; Dan 10,14; Hos 3,5; Mi 4,1. An allen diesen Stellen muss die Bedeutung entsprechend dem jeweiligen Kontext interpretiert werden. Schon aus dem ersten Vorkommen in 1Mo 49,1 wird klar, dass dieser Ausdruck nicht unbedingt die Wiederkunft Christi oder einen kurzen Zeitraum der allerletzten Endphase der Weltgeschichte meint: „Jakob rief seine Söhne und sprach: Versammelt euch, und ich will euch verkünden, was euch begegnen wird in künftigen Tagen.“ Jakob wollte nicht seinen Söhnen Sagen, was mit ihnen nach über 3500 Jahren geschieht (beachte: was euch begegnen wird). Er kündigte an, was noch zu Lebzeiten seiner Kinder und ihrer Nachkommen geschehen wird. Gewiss, auch das erste Kommen Jesu aus dem Stamm Juda wird hier erwähnt (1Mo 49,10), aber über die Zeit des zweiten Kommens Christi wird hier nichts gesagt. Und wo sind die zwölf einzelnen Stämme heute? Während der Ausdruck tatsächlich mit „am Ende der Tage“ übersetzt werden kann, ist die Übersetzung „in künftigen Tagen“ ebenfalls möglich und in diesem Fall zutreffender.
Auch in unserem Text Jer 30,24 ist der Kontext völlig klar: „Erst wenn siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen … Und ich werde euch an den Ort zurückbringen, von dem ich euch gefangen weggeführt habe. Und ihr werdet mein Volk, und ich werde euer Gott sein. Nicht wendet sich die Glut des Zornes des HERRN, bis er getan und bis er ausgeführt hat die Pläne seines Herzens. Am Ende der Tage werdet ihr das verstehen“ (Jer 29,10.14; 30,22.24). Der Ausdruck „am Ende der Tage“ ist hier also wie folgt zu verstehen: Erst wenn Gottes Strafe beendet ist und die siebzig Jahre vergangen sind, wird das Volk verstehen, dass ihnen diese Strafe auferlegt wurde, um sie geistlich zurechtzubringen.
Daher ist klar, dass keiner der aufgezählten Schriftstellen (Jes 11,11-12; Jer 29-30; Sach 8,1-8) etwas mit dem modernen Zionismus zu tun hat. Gleiches gilt für andere Schriftstellen wie 5Mo 30,1-10; 1Kö 8,46-52; Jer 18,5-10; Hes 36,17-19.26.28.33 und Hos 11,10.11. Sie alle sprechen von der Strafe Gottes und der anschließenden Wiederherstellung zur Zeit des damaligen Volkes Israel. Die Botschaften der Propheten galten dem Volk zu ihrer Zeit. In ihrem buchstäblichen Sinne galten die Botschaften den damaligen Israeliten und ihren Kindern und Enkeln, aber nicht den heutigen Juden. Das schmälert natürlich nicht die Tatsache, dass die moralischen und geistlichen Belehrungen daraus für alle Generationen gültig sind (Röm 15,4; 1Kor 10,11).

Zu 6) Wenn das AT nun überhaupt keine Voraussagen über eine jetzige Rückkehr der Juden enthält, dann lehrt es folglich auch nicht, dass sie zunächst im Unglauben heimkehren. Eine solche Rückkehr im Unglauben wurde noch nicht einmal für die Heimkehr aus Babylon vorausgesagt. Es ist bezeichnend, dass die Verfechter der „Rückkehr im Unglauben“ keinerlei Begründung bieten können, die einer Prüfung an der Schrift standhält. Auch Hes 36,24-26 lehrt keine Rückkehr im Unglauben. Der HERR sagt in Hesekiel nicht: „Ich werde euch in euer Land bringen, und danach werde ich euch ein neues Herz geben.“ Er erwähnt einfach zwei Dinge, die er für sein Volk tun wird, ohne sich dabei auf eine zeitliche Reihenfolge festzulegen. Sofern der Kontext überhaupt Licht über die Reihenfolge der Ereignisse gibt, scheint eher die geistliche Reinigung – Buße und Glaube – der Wiedererstehung als Nation zuvorzukommen. Doch beides geschieht am selben „Tag“, einem Tag von nicht näher bestimmter Länge. Man beachte Vers 33: „So spricht der Herr, HERR: An dem Tag, da ich euch von all euren Sünden reinige, da werde ich die Städte bewohnt sein lassen, und die Trümmerstätten sollen aufgebaut werden.“
Diese Reihenfolge mit der Umkehr zuerst und der darauffolgenden Wiederherstellung ist auch die übliche Reihenfolge in der Schrift. Gott belohnt nicht Ungehorsam, sondern Gehorsam. Daher ist die von den Propheten angekündigte Wiederherstellung eine bedingte Verheißung. Mit ihrer Botschaft von der Heimführung aus der babylonischen Gefangenschaft sagten die Propheten folglich: „Israel wird wiederhergestellt, wenn es Buße tut. Dann, und nur dann, werden ihre Sünden ausgetilgt und es wird in sein Land zurückgeführt werden.“
Man möge dies selber anhand der bereits genannten Schriftstellen überprüfen:
„Und es wird geschehen, wenn all diese Worte über dich kommen, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es dir zu Herzen nimmst unter all den Nationen, wohin der HERR, dein Gott, dich verstoßen hat, und du umkehrst zum HERRN, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchst nach allem, was ich dir heute befehle, du und deine Kinder, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, dann wird der HERR, dein Gott, dein Geschick wenden und sich über dich erbarmen. Und er wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, wohin der HERR, dein Gott, dich zerstreut hat“ (5Mo 30,1-3).
„Wenn sie gegen dich sündigen … und du über sie erzürnst und sie vor dem Feind dahingibst und ihre Bezwinger sie gefangen wegführen in das Land des Feindes … und sie nehmen es sich zu Herzen in dem Land, wohin sie gefangen weggeführt worden sind, und kehren um und flehen zu dir im Land ihrer Bezwinger, indem sie sagen: Wir haben gesündigt und haben uns schuldig gemacht, wir haben gottlos gehandelt; und sie kehren zu dir um mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele im Land ihrer Feinde, die sie gefangen weggeführt haben, und sie beten zu dir in Richtung auf ihr Land, das du ihren Vätern gegeben hast, auf die Stadt, die du erwählt hast, und auf das Haus, das ich deinem Namen gebaut habe, dann höre im Himmel, der Stätte, wo du thronst, ihr Gebet und ihr Flehen und schaffe ihnen ihr Recht! Und vergib deinem Volk, worin sie gegen dich gesündigt haben, und alle ihre Vergehen, mit denen sie sich gegen dich vergangen haben; und lass sie Erbarmen finden vor ihren Bezwingern, dass die sich über sie erbarmen!“ (1Kö 8,46-51).
„Einmal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es ausreißen, niederbrechen und zugrunde richten zu wollen. Kehrt aber jenes Volk, über das ich geredet habe, von seiner Bosheit um, lasse ich mich des Unheils gereuen, das ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es bauen und pflanzen zu wollen. Tut es aber, was in meinen Augen böse ist, indem es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das ich ihm zu erweisen zugesagt habe“ (Jer 18,7-10). Wann immer der Herr ein Wehe über ein Volk ausspricht, wird er sich das Unheil gereuen lassen, das er über das Volk gebracht hat, wenn es Buße tut. Andererseits gilt: Wann immer er einem Volk Segen verheißen hat, dieses Volk jedoch ungehorsam wird, wird er sich des Guten gereuen lassen, das er für das Volk vorgesehen hatte. Hier wird eine feste Regel definiert, die verdeutlich, dass Gottes Segen tatsächlich eine bedingte Sache ist. Wir müssen jedoch stets bedenken, dass diese Bedingungen allein durch Gottes Gnade und Kraft erfüllt werden können. Dennoch gilt die Bedingung ohne Abstriche. Wir haben kein Recht, das „Wenn …“ aus der Bibel zu streichen. Man beachte daher den Konkunktiv (Möglichkeitsform) in Jer 18,8 und dass der Herr in Jer 18,5-10 selbst erklärt: Wann immer er einem Volk Wohl oder Wehe verheißt, gilt die Bedingung immer. Daher gilt dies auch für Jer 31,35-37, auch wenn manche Ausleger bei dieser Schriftstelle die Aussage von Jer 18,5-10 außer Acht lassen.
Auch in Hosea 11,10-11 geht, wie immer, die Buße der Heimkehr und Wiederherstellung voraus: „… zitternd werden die Söhne herbeikommen vom Meer. Sie werden zitternd herbeikommen aus Ägypten wie ein Vogel und wie eine Taube aus dem Land Assur. Und ich werde sie in ihren Häusern wohnen lassen, spricht der HERR.“ (Übrigens setzt die Erfüllung voraus, dass Assur noch existiert. Wo aber ist es heute?) Der bekannte Ausleger J. Ridderbos kommentiert: „Als Resultat der Liebe Gottes, die sich jetzt aktiv zeigt, wird Israel aus dem Exil zurückkehren. Der Herr selbst geht voraus, und die Heimkehrer werden ihm freudig folgen, denn sie sind geheilt worden von ihrem Begehren, fern von ihm zu sein.“

Zu 7) Nunmehr ist deutlich geworden, dass die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 im Unglauben – denn die führenden Politiker Israels lehnen Christus nach wie vor ab – nichts mit biblischer Prophetie zu tun hat, und zwar aus zweierlei Gründen: a) Die biblische Prophetie sagt nichts über eine Rückkehr und Wiederherstellung der Juden nach Jahrtausenden, und b) selbst wenn sie von einem solchen Ereignis sprechen sollte, dann wäre es die Rückkehr eines gläubigen Überrestes.
Dass zur Zeit der Heimkehr aus der babylonischen Gefangenschaft tatsächlich eine Gesinnung der Buße im Volk Israel vorhanden war, wird u.a. aus folgenden Schriftstellen deutlich: Dan 9,1.2.5.6; Esr 3,5.10.11; 6,16-22; 7,10; 8,35; 10,11.12; Neh 1,4-11; Hag 1,12.13 etc.

Zu 8) Außerdem ist klar geworden: Insofern Schriftstellen wie Jes 35,1; 61,4 und andere tatsächlich von einer buchstäblichen ökologischen und ökonomischen Wiederherstellung Israels sprechen, bezieht sich das ebenfalls auf die Zeit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Das Buch Jesaja erwähnt Assyrien (Assur) und die Assyrer über vierzig Mal. Babylon und die Chaldäer werden über zwanzig Mal genannt. Kyrus, der den Erlass zum Wiederaufbau Jerusalems gab, wird in 44,28 und 45,1 erwähnt. Die Nationen, über denen in Kap. 13-24 Gericht verheißen wird, sind Babylon, Assyrien, Philistäa, Moab, Syrien, Äthiopien, Edom und Phönizien. All das passt auf die alte damalige Zeit, aber nicht auf unsere heutige.
Aus den Schriften von Josephus und den Makkabäerbüchern wird deutlich, dass während der Zeit zwischen den Testamenten in Israel tatsächlich die Wüste aufgeblüht ist. Josephus spricht von einer „Wiederherstellung der früheren Blüte“ und von der „Kultivierung des Landes“, die Makkabäerbücher berichten vom „Pflügen des Landes in Frieden“, vom „Land, das seine Frucht bringt“, und dass „jeder Mann unter seinem Wein und Feigenbaum sitzt“ (vgl. Mi 4,4). Daher ist es gänzlich unnötig und unberechtigt, die buchstäbliche Erfüllung solcher und ähnlicher Prophezeiungen in die heutige Zeit zu platzieren.

Zu 9) Sprach Amos in 9,14-15 wirklich vom heutigen Staat Israel? Wo in der ganzen Bibel, sei es AT oder NT, nennt der Herr konkret heute Staaten und sagt uns genau, was mit ihnen geschehen und was nicht geschehen wird? Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich an eine Artikelserie in einem religiösen Journal während des 2. Weltkriegs. Darin wurden detaillierte Voraussagen getroffen, die allesamt auf biblischer Prophetie basierten. Eine davon besagte, dass Italien den Krieg gewinnen werde! Diese Artikel waren sehr gefragt. Doch die Geschichte selbst hat diese „Auslegungen“ widerlegt. Das gilt auch für die Schriften jener, die angeblich auf Grundlage der Schrift meinen voraussagen zu können, was mit Ländern wie Deutschland, Russland, China und den USA geschehen wird. Die Sensations- und Spekulationslust der Menschen ist unersättlich. Insofern unsere menschliche Neugier sich auf das fixiert, was Gott offenbart hat, mag sie von reichem Segen sein. Aber wenn diese Begier über die Grenzen von 5Mo 29,29 hinausgeht, bringt sie keinen Segen. Wenn Neugier zu Spekulations- und Sensationslust umschlägt, ist Vorsicht geboten. Schon zu alttestamentlicher Zeit behaupteten manche, Israel, Jerusalem oder der Tempel sei unzerstörbar (vgl. Jer 6,14; 7,4; 8,11; 1Kö 22,6ff; s.a. Josephus: Bell. Jud. VI,2). Aber Jerusalem viel im Jahre 586 v.Chr. und noch einmal in Jahre 70 n.Chr. und abermals 135 n.Chr.
Amos 9,11-12 wird von Jakobus in Apg 15,16-17 zitiert und so interpretiert, dass es sich in der damals beginnenden Heidenmission erfüllt hat. Offenbar hat er diese Schriftstelle unter Gottes Inspiration so verstanden, dass die „verfallene Hütte Davids“ (das Königtum Davids) in Christus wieder hergestellt (vgl. Apg 2,34ff) und somit die Vorbedingung zur Heidenmission erfüllt ist („damit die übrigen der Menschen den Herrn suchen“, Apg 15,17). Die Verse Amos 9,14-15 stehen in demselben Zusammenhang.

Zu 10) Dispensationalisten und ihre Gesinnungsgenossen sind sich keineswegs einig, dass Jerusalem heute nicht mehr von den Nationen zertreten wird. Befindet sich die Stadt nicht noch immer in einer sehr instabilen Lage? „Zertreten“ (Lk 21,24) kann auch eine geringschätzige, schlechte Behandlung meinen, was für Jerusalem bis heute zutrifft. Manche Dispensationalisten meinen, die „Zeit der Nationen“ sei erst mit der Wiederkunft Christi erfüllt. Dann würde Lk 21,24 lediglich besagen, dass Jerusalem und die Menschen, die es repräsentiert, während der ganzen Zeitepoche bis zur Wiederkunft Christi diskriminiert und gedemütigt werden. Die Nationen werden es bis zum Ende des gegenwärtigen Zeitalters unterdrücken. Zudem sagt diese Schriftstelle ebenso wenig über eine buchstäbliche Wiederherstellung Jerusalems nach der Wiederkunft Jesu wie alle anderen Bibelstellen auch.
Sicherlich spricht dieser Vers von einem „Zertretenwerden bis …“ Aber „bis“ bedeutet nicht unbedingt, dass danach exakt das Gegenteil eintritt. Allein auf Grundlage von Lk 21,24 wäre es sehr problematisch zu behaupten, dass das irdische Jerusalem oder das Volk, das es repräsentiert, bei der Wiederkunft Jesu in neuer Herrlichkeit erstrahlen wird. Das Wort „bis“ muss stets entsprechend des jeweiligen Kontexts interpretiert werden. Hier in Lk 21,14 besteht die Aussage lediglich darin, dass Jerusalem nicht unvermittelt wieder aufgebaut, sondern unaufhörlich zertreten wird, bis das Zeitalter beendet ist. Ganz ähnlich wird das Wort „bis“ verwendet in Röm 11,25; 1Kor 11,26; 15,25 und Offb 2,25. Insbesondere aus Offb 2,25 wird deutlich, dass jede Schriftstelle in ihrem eigenen Kontext betrachtet werden muss. Bedeutet der Aufruf „halte fest, was du hast, bis ich komme!“, dass wir nach Christi Wiederkunft nicht mehr an den geistlichen Schätzen festhalten sollen, die uns anvertraut worden sind? Bedeutet es nicht viel mehr, dass wir unter allen Umständen unbeirrt an Gottes Offenbarung in Christus festhalten sollen? Das sollen wir niemals preisgeben! Nicht heute, nicht morgen, niemals. Daher ist klar, dass in Lk 21,24 weder das Wort „bis“ noch irgendetwas anderes von einer nationalen Wiederherstellung Israels vor oder nach der Wiederkunft Jesu spricht.
Wir wollen einmal annehmen, dass in Jerusalem der Tempel wiederaufgebaut wird. Würde das ein Tempel sein, in dem sich die Juden versammeln, um das Kreuz Christi zu rühmen (Gal 6,14)? Wenn nicht, wäre dann der Wiederaufbau eines solchen Tempels nicht ein weiterer Beweis dafür, dass kein Wohlwollen Gottes auf den dort Anbetenden ruht? Hat nicht unser Herr Jesus Christus gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als nur durch mich“ (Joh 14,6; vgl. Mt 1,21; Apg 4,12; Hebr 10,12.14; Offb 7,14)?

Zu 11) „Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was wird uns nun werden? Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten“ (Mt 19,27-28).
Es ist unmittelbar klar, dass diese Vorhersage sich weder in irgendeiner Weise auf die Ereignisse unserer Zeit bezieht, noch damit irgendetwas gemeint ist, was geschehen muss, bevor Christus wiederkommt. Hier geht es eindeutig um das, was in dem neuen Himmel und der neuen Erde sein wird, in der „Wiedergeburt“ der Schöpfung (Röm 8,20-22; Mt 25,31ff; Offb 21,1.5; vgl. Jes 65,17; 66,22; 2Petr 3,13). Aussage dieses Verses ist die Zusicherung, dass diejenigen, die viel für den Herrn aufgegeben haben, auch viel Herrlichkeit bekommen werden. Sie werden mehr als andere an der Herrlichkeit des Erlösers teilhaben. Schriftstellen wie 1Kor 15,41-42; 2Tim 2,12; Offb 3,21; 20,4 werfen Licht auf diesen Lohn. Wer hier dem Herrn am treuesten gewesen ist, wird ihm dort am nächsten sein.
In dem Ausdruck „die zwölf Stämme Israels“ sehen viele Ausleger das wiederhergestellte neue, himmlische Israel, das gesamte Volk Gottes. Ob damit nur alle Erwählten aus den zwölf Stämmen des Israel nach dem Fleisch gemeint sind oder alle Erwählten aus Juden und Heiden (vgl. Röm 11,26; Gal 6,16), so müssen es jedenfalls Wiedergeborene sein, denn in die neue Welt von Mt 19,28 kann nichts Unreines hineingelangen (Offb 21,27). Daher ist klar, dass hier keine Massenrückkehr der Juden ins Land Israel gemeint sein kann.

Zu 12) In 1Kor 10,32 lesen wir: „Seid unanstößig, sowohl für Juden als auch für Griechen als auch für die Gemeinde Gottes!“ Paulus ermahnt hier die Korinther, sich in der Ausübung ihrer christlichen Freiheit freiwillig zurückzuhalten. Er möchte nicht, dass sie für irgendjemanden anstößig sind. Die Gläubigen sollen nicht nur im Hinblick auf „die Gemeinde Gottes“ auf ihr Verhalten achten, sondern auch auf andere Rücksicht nehmen: auf Juden wie auf Griechen (Heiden). Man beachte, dass die Juden hier nicht zusammen mit der Gemeinde Gottes erwähnt werden, als hätte der Apostel zwei Völker Gottes im Sinn. Im Gegenteil werden die Juden zusammen mit den Griechen erwähnt, denn beide Gruppen zusammen bilden die Ungläubigen. Die Aussage ist also folgende: „Vermeidet alles Anstößige für Nichtchristen, seien es Juden oder Heiden, und nehmt ebenso Rücksicht auf alle Gläubigen.“ Die Nichtchristen werden in zwei Klassen unterteilt: Juden und Griechen. Diese Interpretation wird von der Terminologie dieser Schriftstelle gestützt. Die beiden Unterklassen der ersten Gruppe nennt Paulus beide im Plural – „Juden und Griechen“, während er die zweite Gruppe mit dem Wort „Gemeinde“ im Singular bezeichnet. Diese Schriftstelle zeigt also einfach, dass Paulus klar zwischen a) Ungläubigen und b) der Gemeinde Gottes unterschieden hat, und dass er a) nochmals unterteilt in ungläubige Juden und ungläubige Heiden. In keinerlei Sinne bringt er Juden und die Gemeinde in einen Zusammenhang, als seien es beides Gruppen, für die Gott jeweils einen bestimmten Heilsplan habe. Wer auf eine von Gott autorisierte Wiederherstellung des Judentums in seinem früheren Land hofft, findet in diesem Vers jedenfalls keinen Beleg dafür.

Somit ist deutlich geworden, dass die Sichtweise, heute würden alttestamentliche Prophezeiungen der Wiederherstellung Israels vor unseren Augen erfüllt, ein Irrtum ist. Auf eine Sache muss aber noch hingewiesen werden: Wir haben gezeigt, dass die verschiedenen Prophezeiungen über die Rückführung der Israeliten erfüllt wurden mit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Das betrifft die Erfüllung des buchstäblichen Sinns dieser Prophezeiungen. Es gibt jedoch alttestamentliche Prophezeiungen, die sich geistlich in Christus als dem wahren Israel und in allen, die an ihn glauben, als den wahren Kindern Abrahams und dem neuen, himmlischen Jerusalem erfüllen (vgl. z.B. Gal 4,27). Darauf werden wir, so Gott will, noch an anderer Stelle ausführlich eingehen.


Quelle: William Hendriksen: Israel in Prophecy. Übersetzt und bearbeitet von Hans-Werner Deppe

Donnerstag, 31. Mai 2007

Israels Zukunft in der Prophetie

Eins von den Büchern, bei denen ich es jammerschade finde, dass sie (noch) nie auf Deutsch übersetzt wurden, ist "The Israel of God" von O. Palmer Robertson.

Während wir darauf warten, hat sich H. W. Deppe (Betanien Verlag) die Mühe gemacht, einen Artikel desselben Autors zu übersetzen, der das Hauptthema des Buches zusammenfasst.

O.P. Robertson schafft es, in dieser kurzen Form, das Thema erstaunlich breit zu behandeln.
(Der einzige Punkt, in dem ich nicht ganz mit ihm übereinstimme, ist die Bedeutung von 'Ganz Israel' in Rö 11,26. Ich denke eher, dass damit nicht christusgläubige Juden und Heiden gemeint sind, sondern nur die christusgläubigen Juden).

Hier ist der Artikel:

Die Zukunft Israels
Von O. Palmer Robertson

Fragen bezüglich der Zukunftslehre (Eschatologie) müssen sich auch mit der Zukunft der Juden befassen. Zu alttestamentlicher Zeit wurden die Juden offensichtlich als erwähltes Volk Gottes identifiziert. Natürlich darf nicht vergessen werden, dass sie nicht einfach dazu erwählt waren, die Segnungen Gottes für sich selbst zu genießen, sondern sie waren erwählt als Diener Gottes, um an alle Völker der Welt Gottes höchste Segnungen weiterzuvermitteln, die nur im Evangelium Jesu Christi zu finden sind.
Die Wiederaufrichtung der jüdischen Nation im Land Israel im 20. Jahrhundert war eine bemerkenswerte Beobachtung. Diese Entwicklung hat viele veranlasst, über die Zukunft der Juden als Volk und als Nation nachzudenken.
Was sagt also die Schrift zur Frage der Zukunft der Juden? Diesbezüglich müssen zwei besondere Fragen betrachtet werden: Erstens, „Wer ist ein Jude?“ und zweitens, „Was ist mit Römer 11?“

Wer ist ein Jude?
Die große Bedeutung dieser Frage ergibt sich aus der alttestamentlichen Verheißung an Abraham und seine Nachkommen. Wer soll alle diese Segnungen erben?
Diese Frage scheint zunächst ganz einfach zu beantworten. Die Segnungen galten den Nachkommen Abrahams. Ein Jude wird definiert als Nachkomme Abrahams, und somit sollen die Segnungen auf die Juden kommen. Die Frage ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es zunächst scheint. Auch Ismael war ein Sohn Abrahams. Doch Ismael und seine Nachkommen wurden nicht als Juden angesehen. Esau, Jakobs Zwillingsbruder, war ebenfalls ein Nachkomme Abrahams. Aber Esau und seine Nachkommen, die Edomiter, werden in der Schrift nicht als Juden und Erben des „Segens Abrahams“ betrachtet.
Eine weitere wichtige Frage: War Abraham selbst ein Jude? Die Antwort ist natürlich, dass Abraham ursprünglich ein Heide war, ein Götzenanbeter im Land jenseits des Euphrat, fern vom Gelobten Land. Abrahams Abstammung macht ihn sicherlich nicht zu einem Juden (Jos 24,2).

Erwählung und Glaube
Aber was machte Abram, dem Heiden, zu Abraham, den Vater der Juden? Zwei Dinge: Seine Erwählung und Berufung durch Gott sowie seine Antwort darauf im Glauben. Das machte Abraham, den Heiden, zum Stammvater Israels.
Da Abraham der Volksanghörige Israels war und als Vater der Juden angesehen wird, ist es zweifach wichtig zu beachten, auf welche Weise er ein Jude wurde. Wenn sich dieses Geschehen beim Urvater aller Juden vollzog, kann es sich auch bei anderen Heiden vollziehen. Erwählung und Berufung durch Gott gepaart mit einer glaubenden Reaktion macht aus jedem Heiden einen Juden.
Eine weitere wichtige Beobachtung: Als das Zeichen der Beschneidung, welches die Juden als Gottes Volk kennzeichnete, erstmals eingeführt wurde, wurde es durch Gottes Gebot sowohl bei Ausländern als auch bei Abrahams Kindern angewendet. Sowohl die Nachkommen Abrahams als auch die Fremdlinge in seinem Haus sollten das Zeichen der Beschneidung empfangen, das sie als Juden auswies (vgl. 1Mo 17,12.13). So konnten aus Heiden Juden werden. Daraus folgt, dass ein Jude nicht strikt nach Abstammung definiert werden kann.
Heute wird oft gesagt, ein Jude sei jemand, der eine jüdische Mutter habe. Aber ist jemand mit einem jüdischen Vater kein Jude? Wenn die Mutter definiert, ob jemand Jude ist oder nicht, gilt David dann als Jude? Denn sowohl Rabab, die kananäische Hure, als auch Ruth, die moabitische Witwe, stehen als Mütter in Davids Stammbaum.
Außerdem müssen wir bedenken, dass jeder Heide ein vollgültiger Jude werden konnte, wenn er sich zum Gott Israels bekannte und beschnitten wurde. Dem Gesetz Moses zufolge konnte jeder Fremde, der beschnitten war, das Passahmahl essen und wurde so als Teil des Israels Gottes angesehen (vgl. 2Mo 12,48).

Die Verheißung an Israel
Wer ist dann ein Jude? Wenn es in unserer Frage um „die Zukunft der Juden“ geht, wer definiert dann, wer ein Jude ist? Aus Sicht der Heiligen Schrift kann ein Jude nicht einfach als leiblicher Nachkomme Abrahams identifiziert werden. Stattdessen ist ein Jude ein Mensch, der von Gott zum Heil erwählt und berufen wurde und im Glauben auf diesen Ruf reagiert hat.
Dieses Verständnis von der Natur eines Juden wird im Neuen Testament stark unterstützt. Paulus sagt: „Nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist ... sondern der ist ein Jude, der es innerlich ist, und Beschneidung ist die des Herzens“ (Röm 2,28.29; vgl. Kol 2,11; Phil 3,3). In diesem Vers ist sowohl das Positive als auch das Negative bedeutsam. Der negative Teil zeigt ganz klar, dass nicht alle leiblichen Nachkommen Abrahams als Juden betrachtet werden sollten (vgl. Röm 9,6ff). Gleichzeitig weist der positive Teil darauf hin, dass jeder Heide, der in seinem Herzen beschnitten ist, ein „Jude“ ist. „Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft und nach Verheißung Erben“ (Gal 3,29).
Aber wie weit ist dieser Gedanke richtig, dass ein Gläubiger aus den Heiden ein „Jude“ ist? Was ist mit den besonderen Verheißungen für Israel?
Die Schrift ist in dieser Sache klar. Dieser Aspekt von Gottes Heilsplan ist ein „Geheimnis“, das in vergangenen Zeiten verborgen war; und auch heute noch ist es für viele ein Geheimnis. Nichtsdestotrotz steht die Wahrheit klar geschrieben: „das Geheimnis (ist:) … Die Nationen sollen nämlich Miterben und Miteinverleibte sein und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (Eph 3,4.6).

Das Geheimnis verstehen
Lasst uns das Geheimnis verstehen! Gläubige Heiden sind in Christus „Miterben mit Israel und Mitteilhaber der Verheißung“ (Eph 3,6). Der im Alten Testament verheißene und im Neuen Testament eingesetzte Neue Bund und dessen neue, geistliche Segnungen gelten den Gläubigen aus den Heiden ebenso wie den Gläubigen aus den Juden. Denn in Christus wird nicht mehr wegen Abstammung und Nationalität unterschieden.

Aber was ist mit Römer 11?
Was lehrt nun Römer 11? Wird dort nicht für die Juden eine andere Zukunft gelehrt als für die Heiden? Das ist eine wichtige Frage, die genau definiert werden muss.
Die Frage ist, ob es für Israel eine besondere Zukunft gibt, die sich von dem Heil unterscheidet, das ein Teil der Juden bereits jetzt durch das Evangelium erlangt hat. Dass Gott gegenwärtig Juden rettet, kann wohl kaum in Frage gestellt werden. Aber lehrt Römer 11, dass Gott eines zukünftigen Tages ein besonderes Werk unter den Juden tun wird?
Ein wichtiger Hinweis aus Römer 11, der beweisen soll, dass die Juden eine besondere Zukunft im Plan Gottes haben, wird in der Aussage gesehen, dass sie „eingepfropft“ werden. Sie wurden herausgebrochen, aber sie werden wieder eingepfropft.
Doch es stellt sich die Frage: Wann werden sie wieder eingepfropft? Wann werden Juden, die an Jesus Christus glauben, in die Gemeinschaft der Erretteten eingepflanzt? Nicht irgendwann bei einem kollektiven künftigen Großereignis, sondern wenn sie zum Glauben an den Herrn Jesus kommen. Auch jetzt werden Juden in Christus eingepflanzt. Deshalb bedeutet das in Römer 11 erwähnte Einpfropfen von Juden nicht, dass ihnen eine besondere Zukunft, getrennt von den Heidenchristen, bereitet sei. Vielmehr bedeutet ihr Einpfropfen, dass gläubige Juden exakt genauso behandelt werden wie gläubige Heiden, die ebenfalls eingepfropft werden, wenn sie glauben.

Eingepfropft
Aber was hat es mit dem besonderen Ausdruck auf sich, der besagt: „Und so wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,26)? Sagt dieser Vers nicht, dass Israel eine Zeitlang verhärtet ist und dann ganz Israel errettet werden wird?
Tatsächlich sagt dieser Vers nicht das, was viele daraus ableiten. Im griechischen Grundtext steht nicht „und dann“ wird ganz Israel errettet, was bedeuten würde, dass eines Tages die Juden kollektiv zu Christus umkehren würden. Vielmehr steht dort „so, auf diese Weise“ wird ganz Israel errettet. Das Heil geschieht für sie in der gleichen wunderbaren Weise, wie Paulus es zuvor im Römerbrief beschrieben hat.
Wir können Paulus’ Gedankengang wie folgt in eigenen Worten formulieren: Jesus kam zuerst zu den Juden. Die Juden verwarfen ihn. Dann sandte Jesus sein Evangelium zu den Heiden. Die Heiden nahmen ihn an. Die Juden sahen das und wurden und werden eifersüchtig. So kommen auch sie zum Glauben an Christus und werden eingepfropft, genauso wie die gläubigen Heiden. Und so hat Gott eine großartige Errettung für Juden wie Heiden geschaffen.

Ganz Israel
Aber was bedeutet der Ausdruck „ganz Israel“? Weist das nicht darauf hin, dass alle Juden errettet werden? Dazu müssen wir mehrere verschiedene mögliche Auslegungen betrachten.
Kann es bedeuten, dass alle Juden aller Zeiten errettet werden? Nein, denn die Schrift lehrt keine zweite Chance nach dem Tod.
Bedeutet es, dass eine große Mehrheit der Juden bei einem künftigen Ereignis errettet wird? Nun, hier steht „ganz Israel“ und nicht „eine Mehrzahl aus Israel“.
Bedeutet es, dass alle Juden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt leben, errettet werden? Wenn das so wäre, dann sollten alle Heiden, die keine Christen werden, besser zum Judentum übertreten, damit sie errettet werden. Die Schrift lehrt aber keine kollektive Bekehrung, sondern nur eine persönliche, individuelle Hinwendung von jedem Gläubigen einzeln zum Herrn Jesus durch das verkündete Evangelium. Ein solches Szenario, das notwendig wäre, damit alle zu einem bestimmten Zeitpunkt lebenden Juden auf einem Schlag durch das Evangelium gläubig werden, lässt sich aber beim besten Willen nicht in diesen Vers Römer 11,26 hineinlesen. Manche meinen, dies geschähe, wenn die Juden den Herrn Jesus bei seiner Wiederkunft sehen. Aber das ist dann nicht Glauben, sondern Schauen. Das Heil ist aber nicht durch Schauen, sondern durch Glauben an das Evangelium.
Der Ausdruck „ganz Israel wird errettet werden“ hat wahrscheinlich eine von zwei Bedeutungen: Entweder heißt das, dass alle von Gott erwählten und berufenen Juden errettet werden. Oder es bedeutet, dass alle erwählten und berufenen Menschen, seien es der Abstammung nach Juden oder Heiden, errettet werden. Wie schon Römer 2,28-29 und 9,6ff (und andere Stellen) erklären, bilden sie ja das wahre Israel.
Diese letztgenannte Sicht scheint die beste zu sein, denn Paulus hat gerade zuvor beschrieben, wie gläubige Heiden und Juden Teil des kontinuierlichen wahren Israel werden, indem sie darin eingepfropft werden. Alle Erwählten, Berufenen und Gläubigen zusammen bilden das „Israel Gottes“ (Gal 6,16), die wahre Nachkommenschaft Abrahams (Gal 3,29).
Bei diesem Verständnis soll Gott allen Lobpreis für sein großartiges Heil bekommen. Denn er hat eine große Volksmenge aus jeder Nation errettet, einschließlich aus der Nation der Juden, durch die Gabe seines Sohnes. „Ich habe noch andere Schafe [Heiden], die nicht aus diesem Hof [Israel] sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein (Joh 10,16). Möge unser gemeinsamer Großer Hirte auf ewig gepriesen werden.

Quelle: www.evangelical-times.org
Übersetzt und bearbeitet von Hans-Werner Deppe
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