Dienstag, 28. September 2010

Missbrauch

Missbrauch ist ein Modewort.
Jedoch wird es wohl nicht so häufig in dem Zusammenhang gebraucht, der mir heute im Johannesevangelium begegnet ist:

Jener war die Fackel, die brennt und scheint; ihr aber wolltet nur eine kurze Zeit fröhlich sein in ihrem Licht (Joh 5:35).

Gemeint mit 'jener' ist Johannes der Täufer. Er ist der Vorläufer, der letzte Prophet, der Jesus Christus, den Retter ankündigte.
Johannes ist der Inbegriff des Verkündigers, der das Wort Gottes im Hinblick auf Christus auslegt. Er ist der Herold, der seinen Hörern zuruft: "Der König ist auf dem Weg, seine Herrschaft anzutreten! Kehrt von euren falschen Wegen, eurer falschen Religiosität, eurer Selbstzentriertheit, um und macht euch bereit, seine Herrschaft über euch anzunehmen!"
Das Wort von Johannes ist sowohl Gerichtswort als auch Ankündigung herrlicher Ereignisse.
In gewisser Weise repräsentiert er auch die Kirche, die Gottes Botschaft an die Welt ausrichtet.

Worin besteht nun der Missbrauch?
Der Missbrauch besteht darin, dass die Hörer seiner Botschaft nicht wirklich auf seine Botschaft eintreten wollen, sondern sich lediglich an seinem Schein ergötzen wollen.
Das heisst, sie wollen sich nicht unter die Herrschaft Christi stellen, wollen aber die angenehmen Seiten seines Kommens - d.h. des Christentums - geniessen.
Sie wollen die Früchte ernten und geniessen, ohne den Baum zu pflanzen.
Ist das möglich? Eigentlich nicht. Dennoch scheinen das sehr viele zu glauben...
Man will gute Nachrichten hören, d.h. 'gute Predigten' geniessen, denen man intellektuell vielleicht zustimmen kann. Aber man möchte eigentlich nicht so darauf eingehen, dass man sein Leben wirklich auf die christliche Botschaft ausrichtet.

Wenn wir so eine Haltung heute auch oft antreffen, so zeigt diese Aussage Jesu im Johannes-Evangelium, dass sie keineswegs neu ist.
Ich glaube, dass wir alle geneigt/gefährdet sind, Gottes Wort und seine Verkündigung in der Weise zu missbrauchen. Im besonderen haben auch die Puritaner das erkannt und verschiedentlich darüber geschrieben.
Eine gute Hilfe zur Selbstprüfung bietet z.B. John Owens 'Apostasy from the Gospel', das unter dem Namen "Die Gefahr des Abfallens" neu auf Deutsch herausgekommen ist (3L-Verlag).

In kurzer Form kann auch das Beherzigen der 160. Frage und Antwort des Westminster Larger Catechism hilfreich sein (vor Genuss der nächsten Predigt verinnerlichen):

Was wird von denen gefordert, welche die Predigt des Wortes hören?

Antwort: Von denen, welche die Predigt des Wortes hören, wird gefordert, dass sie mit Fleiss, Vorbereitung und Gebet darauf Acht geben, das Gehörte nach der Schrift prüfen, die Wahrheit mit Glauben, Liebe, sanftmütig und ganz willig als das Wort Gottes aufnehmen, darüber nach­denken und sich besprechen, es in ihrem Herzen behalten und daraus Frucht bringen in ihrem Leben.

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