Mittwoch, 10. Dezember 2008

Adolph Zahn und die Endzeit

Es gibt kaum ein theologisches Thema, zu dem Adolph Zahn sich nicht kompetent äusserte. Zum Thema "Endzeit" habe ich bisher nichts gelesen, das in solcher Kürze und gleichzeitig in solcher Dichte die ganze Thematik zusammenfasst.
Man muss Zahns Artikel schon mehrmals lesen, um alles mitzubekommen, das er wie in einem Schnellzug 'unterwegs mitnimmt'. Aber eben das lohnt sich.
Adolph Zahn lebte und wirkte in der Zeit, in der sich die Gespinste der darbystischen Propheten-Konferenzen zu voller Blüte entwickelten. Er führt sie quasi in einem Atemzug ad absurdum. Hier ist der Artikel:


Endzeit

Wenige Regulative möchten wir gegen die schrankenlosen Liebhabereien auf dem genannten Gebiete in Kürze geben. Über drei aufeinander folgende Offenbarungen in der Geschichte des Rei­ches Gottes geht das biblische Wort nicht hinaus: über die Offenbarung des Heiles in dem Sohne Gottes, über die Offenbarung des Abfalles von diesem Heile in der Gemeinde Christi durch den Antichrist und über die Offenba­rung des jüngsten Gerichtes durch die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit.

In diesen drei Offenbarungen bewegte sich schon die vorbildliche! Ge­schichte Israels. Der Gabe des Gesetzes schloss sich unter scheinheiligen Formen der Abfall des Volkes und das göttliche Gericht an. Auch in der Zeit der Erfüllung verläuft so die Geschichte Israels. Dem Menschensohne tritt eine aufrührerische Kirche und ein Sohn des Verderbens (Joh 17,12; vgl. 2. Thess 2,3ff) entgegen, und dann folgt in dem Untergange Jerusalems das völlige Gericht des jüdischen Volkes.

Die apokalyptischen Reden des Herrn, manche Reichsgleichnisse lassen auf seine erste Erscheinung eine Zeit der Verführung durch die falschen, Unkraut säenden Christusse kommen und dann das Weltgericht durch die Wiederkunft des Menschensohnes.

Ohne jeglichen genügenden Beweis zerstört man eben das "Ganze" der Schrift, wenn man diesen klar gezeichneten Weltgang Gottes durch die Ein­tragung einer noch zu erwartenden Erscheinung des in einer Person auftre­tenden Antichrist, einer zwiefachen Wiederkunft des Herrn, eines tausend­jährigen Reiches, einer Bekehrung der jüdischen Nation durchbrechen und verändern will.


1.

Die Schrift weiß nur von einer Wiederkunft des Herrn, an die sich alsbald die Auferstehung der Toten, die Verwandlung der noch lebenden Gläubigen und das allgemeine Gericht anschließt, aus welchem die ewige Seligkeit der Gerechten bei dem Herrn und das ewige Verderben der Ungerechten bei den Teufeln hervorgeht. Die Gründe für eine der letzten Wiederkunft des Herrn vorangehende so genannte erste Wiederkunft sind so nichtig, dass sie eigentlich einer Widerlegung nicht wert sind. Mt 25,31ff trennt man durch eine große Zeitenpause von dem Vorhergehenden; ebenso werden wir [nach dieser Theorie] einen längeren Gedankenstrich zwischen dem "zuerst" (1. Thess 4,16) und dem "darnach" (V.17) zu machen haben. Auch I. Kor 15,23.24 werden wir wieder zwischen "darnach" und "darnach" soviel ein. schieben können, als uns beliebt, obwohl offenbar die Wiederkunft Christi und das Ende zusammenfällt. Selbst Mt 23,39 ("der Jubelruf des jüdischen Volkes bei der ersten Wiederkunft des Messias") hat man hierher gezogen. Doch erklärt sich jenes Wort aus der Methode des Matthäus, welcher längere Redeabschnitte bildet und einen geschichtlich vor Mt 21 hingehörenden Ausspruch hier angebracht hat.


2.

Die Offenbarung eines besonderen Antichrist wird die Zukunft nicht brin­gen. Der Apostel beschreibt seinen Antichrist in grauenvollen, von irdischen, sich selbst vergötternden Gewalthabern entlehnten Bildern (Jes 14,13; Dan 11) und denkt dabei so wenig an eine bestimmte Person wie Johannes, der eben diesen geweissagten Antichrist in viele Antichristen auflöst [I. Joh 2,18]. Auch der Herr sprach von vielen falschen Christussen, die nach ihm kommen würden [Mt 24,24]: er hätte sie auch den falschen Christ nennen können mit demselben Recht, wie Jesaja den Gottlosen - im Gegensatz zu den Elenden, welchen geholfen wird - durch den Odem der Lippen des Mes­sias getötet sieht (Jes 11,4)

Der Antichrist ist der in allen Zeiten des Reiches Gottes nach der ihn nie­derhaltenden (to katechon [2. Thess 2,6] Predigt des Evangeliums sich of­fenbarende Abfall der einst gläubigen Gemeinde an die Christusse des Be­truges, an die lügnerischen Christusse menschlicher Erfindung: an Baal-Je­hova, an Jehova genannte Kälber, an die abgöttische, mit den Weltmächten buhlende Hure, an den falschen Propheten.


3.

Wir haben für das jüdische Volk als Nation keine Aussichten der Bekeh­rung mehr: Als Nation ist das Volk gerichtet, die Tage der Rache haben sich an ihm erfüllt und erfüllen sich an ihm (Lk 21,22), der Zorn Gottes ist bis ans Ende (I. Thess 2,16), d.i. in völliger, unwiderruflicher Vollstreckung über dasselbe gekommen; das Volk ist nichts als ein Gerichtsschauspiel Gottes bei sichtbarem fleischlichem Wohlstande. Darum fasst der Herr die Zerstörung Jerusalems und das Weltgericht Zusammen, und die Offenbarung des Johannes sieht eben in dem Gericht des Babylon-Jerusalem, des Sodom und Ägypten, wo unser Herr gekreuzigt wurde, das völlige, hoffnungslose Gericht desselben (Off 11,8; 18; 19).

Paulus greift in der bekannten Stelle (Röm 11,26) nicht über seine Zeit hinaus und spricht entweder von einem geistlichen Israel - und dafür lassen sich gewichtige, gar nicht zu bespöttelnde Gründe anführen -, oder er verstand unter dem "ganzen Israel" nur eine neue Auswahl des Volkes unter den bis dahin Verstockten, welche noch damals sich bekehren werde. Für das ganze Israel als Volk oder für Massenbekehrungen unter demselben hat niemals weder das prophetische noch das apostolische Wort irgendwelche Hoffnung gehabt. Es sind immer nur "die verlorenen Schafe des Hauses Isra­el" (Mt 10,6) die Erben der Verheißung. Die jahrhundertelange Selbst­verhärtung der Juden sollte Beweis genug für die Wahrheit der Worte des Stephanus sein (Apg 7,51). Auch bringen die letzten Zeiten keine besondere Geistesausgiessung, sondern eine völlige Entziehung des Geistes von der Menschheit (1. Tim 4,1ff; 2. Tim 3,lff.; vgl. 1. Mose 6,3; Mt 24,39; Jud 19).


4.

Die Offenbarung des Johannes, deren Erklärung aus der ganzen Schrift- und Glaubenseinheit heraus zu geben oder in Bescheidenheit und Vorsicht hei entgegenstehenden Resultaten beiseite zu legen ist, gibt uns nirgendein Recht, unter ihren symbolischen Formen solche Unterschiede zu machen, dass wir nach Belieben die Bilder massiv fassen und dann wieder geistig auflösen.

Nachdem der Prophet von Kapitel 4 bis 20 das Gericht über das mit den Weltmächten buhlende, abgöttische, fleischliche Israel (Babylon-Israel) be­schrieben hat, sieht er nach demselben eine Zeit anbrechen, wo die junge Christenheit unter dem Regimente Christi gedeihen, der Satan durch das Wort gebunden (niedergehalten) wird und die Gemeinde des Herrn einen Triumph über den Tod feiert (erste, geistige Auferstehung), während die Welttoten tot bleiben und noch einen anderen schrecklichen Tod zu erwarten haben. Alsdann enthüllt sich aufs neue der Abfall von dem Worte (Erschei­nung des Antichrists), und das Weltgericht macht dem Weltsturme ein Ende.

Es war die apostolische Zeit eine Zeit der Gebundenheit des Satans, auch die reformatorische. Wir haben keine Hoffnung auf eine neue Bindung der geistlichen Lüge: das Gericht ist nahe. Die Symbolik der Zahl 1000 bedarf wohl keines Beweises?


5.

Eine besonnene Vergleichung und Ausgleichung der nachfolgenden Schriftstellen: Jes 65,17; 66,22; 60,19; 30,26; Lk 23,43; Joh 14,2; 17,24; 2. Kor 12,4; Off21; 2. Pet 3,12.13; Hebr 2,5 ergibt das Resultat, dass wir einen neuen Himmel und eine neue Erde nicht in dem Sinne zu erwarten haben, dass uns noch eine Schöpfung derselben als vollkommene Neuschöpfung oder als eine Erdenumwandlung bevorstehe. Vielmehr ist mit der "Wieder­herstellung aller Dinge" in Christus auch der neue Himmel und die neue Er­de gegeben, in welche er als in "das Paradies Gottes", als in die "vielen Wohnungen" seine Erlösten führt, um "allezeit bei ihm zu sein".

Die zukünftige Welt hat ihre Vollendung und ihren Ausbau bereits durch den in sie zuerst eingegangenen König empfangen. Wir sind über die reformatorische Betrachtung der letzten Dinge nicht hi­nausgekommen. Es ist ein krankhafter Zug unserer Zeit, sich über das [feh­lende] Verständnis der grundlegenden Wahrheiten der Reformation mit apokalyptischen Spielereien hinwegzuhelfen. An dem Jammer der Zeit glaubt man nicht die Nähe eines tausendjährigen Reiches, sondern die Nähe des Gerichtes Gottes, und sucht für dasselbe die Gerechtigkeit des Glau­bens gefunden und bewahrt zu haben.


2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Kurt, verrätst Du uns die Quelle dieser Schrift? Danke.

Unknown hat gesagt…

Ah, schon gefunden:
http://www.licht-und-recht.de/Zahn/Wanderung_durch_die_heilige_Schrift.pdf