Die Entscheidung Frank Beckwith's, in die römisch-katholische Kirche zurückzukehren, hat einige Entrüstung bei evangelikalen Christen ausgelöst. Warum?
Wohl vor allem deshalb, weil er einer der führenden "evangelikalen Theologen" war, bis im März sogar der amtierende Präsident der ETS (Evangelical Theological Society).
Man fragt sich: "Wie kann so etwas passieren? Wie kann ein Mann in dieser Position einen solchen Schritt machen?"
Die Antwort auf diese Frage scheint mir nicht so schwierig zu sein.
Beckwith verkörpert etwas, das im breiten Evangelikalismus gang und gäbe ist.
Er ist ziemlich sicher nie weit entfernt gewesen von der Theologie der Kirche, in die er zurück kehrte (er ist in der römischen Kirche aufgewachsen und später "evangelisch" geworden).
Was in der Evangelikalen Szene als "evangelisch" gilt, ist in Wirklichkeit gar nicht so evangelisch im Sinne des Erfinders, d.h. auf der Grundlage der geistlichen Erneuerung der Reformation.
Was im evangelikalen Lager z.B. unter Gnade verstanden wird, ist näher an der römischen Lehre als am reformatorischen Sola Gratia.
Das Schriftverständnis der meisten Evangelikalen ist in Wirklichkeit nicht mehr das Sola Scriptura der Reformation, sondern näher am römischen "Schrift plus Tradition" (wobei die Tradition nicht unbedingt dieselbe wie die der römischen Kirche ist - aber auf jeden Fall hat Pelagius ein grosses Wort mitzureden).
Auch das Christus-Verständnis ist nicht mehr das Solus Christus der Reformation, sondern es ist näher am römischen "Christus und..."
Beckwith hat in seinen Studien (die er als "Evangelikaler" betrieben hat), offenbar festgestellt, dass die Artikel des Tridentinischen Konzils grundsätzlich mit der evangelikalen Auffassung überseinstimmen und dass sie von einem Grossteil der Protestanten missrepresentiert worden seien. Dies sagt er jedenfalls in einem Interview, das hier nachzulesen ist.
Dass die Tridentinischen Artikel vom Protestantismus missrepresentiert wurden, ist einfach lächerlich. Man nehme sich nur einmal die Artikel 830ff (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, S. 515f) vor. Hier wird die evangelische Lehre der Rechtfertigung frontal angegriffen und verflucht.
Dass aber die evangelikale Welt in Wirklichkeit näher am Tridentinum ist, als sie weiss, und dass die genannten Artikel der evangelikalen Auffassung nicht sehr stark widersprechen, damit hat Beckwith wohl nicht Unrecht.
Deshalb konnte er es so lange aushalten als katholizistischer Evangelikaler, bevor er in den Schoss seiner Alma Mater zurückkehrte.
Deshalb konnte er am Ende seiner Stellungnahme auf dem Blog "Right Reason" (hier) auch sagen: "ETS’s tenacious defense and practice of Christian orthodoxy is what has sustained and nourished so many of us who have found our way back to the Church of our youth."
[Übersetzung: Die beharrliche Verteidigung und Praxis Christlicher Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) ist es, was so viele von uns erhielt und nährte, die wir unseren Weg zurück in die Kirche unserer Jugend gefunden haben.]
So wurde also seine eigentlich katholische Theologie im evangelikalen Lager gepflegt und genährt. Das soll uns herausfordern, genau nachzuprüfen, worauf wir unser "evanglisch" aufbauen. Und hatnäckig immer wieder die reformatorischen Grundlagen der Schriftauslegung zu betonen.
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