Beim Anhören einer Debatte zwischen einem calvinistischen Pastor und einem Zeugen Jehovas über die Gottheit Jesu und die Dreieinigkeit ist mir wieder bewusst geworden, wie wichtig es ist, biblische Wahrheit systematisch zu erfassen und (z.B. in einem Bekenntnis) zu dokumentieren.
Uns Calvinisten wird immer wieder vorgeworfen, wir würden der Bibel ein theologisches System überstülpen, resp. die biblischen Aussagen in ein theologisches Gerüst einzwängen.
Sie – unsere Kritiker – würden dagegen die Bibel einfach so nehmen, wie sie ist, resp. das was dasteht, so verstehen, wie es dasteht.
Dahinter steht die Prämisse, es brauche überhaupt keine systematische Theologie, die Bibel würde genügen, so wie sie ist.
So fromm das klingen mag, diese Grundhaltung ist sehr problematisch. Leute mit dieser Einstellung verfallen der eigenen Willkür und praktizieren meist eine völlig haltlose und am Ende eine unbiblische Art, die Bibel zu lesen und auszulegen.
Wenn sie mit ihrer Haltung konsistent sind, werden sie zu einem Thema mal diese Ansicht aus der Bibel ableiten, ein anderes Mal eine völlig andere.
Das Ziel reformierter Schriftausleger war es immer, die Schrift mit der Schrift auszulegen. Das ist der Grund, warum es biblische (systematische) Theologie gibt.
Es geht nicht darum, die Bibel in ein Gerüst zu zwängen, sondern die Aussagen der Bibel in Lehren zusammenzufassen, die der Bibel entsprechen.
Systematische Theologie sammelt z.B. alle Aussagen der Bibel über den Charakter Gottes, über das Wesen des Menschen vor und nach dem Sündenfall, über Christus, über den Weg des Heils, usw. und ordnet sie so, dass man spezifische Fragen an die Bibel klar beantworten kann.
Weil das getan wurde, muss heute nicht jeder einzelne Christ alle Fragen wieder neu beantworten. Schon dass er überhaupt Christ geworden ist, verdankt er klaren Aussagen über Gott, seine Beziehung zu Ihm, seine Erlösungsbedürftigkeit, usw.
Er wird besser im Glauben wachsen, weil es ein System gibt, durch das er in die Wahrheit der Bibel eingeführt werden kann.
Es versteht sich von selbst, dass ein 'theologisches System' kein unbewegliches, starres Korsett sein darf. Obwohl es Punkte gibt, hinter die wir nicht zurückgehen dürfen, an denen wir nicht rütteln lassen dürfen.
Z.B. dass wir allein aus Gnade, allein durch den Glauben, ohne Werde des Gesetzes gerechtfertigt werden, ist eine unumstössliche Tatsache, die wir starrsinnig festhalten dürfen.
Es gibt aber andere Punkte, die wir nicht in der gleichen Weise festhalten. Wir lesen die Bibel fortwährend und nehmen jede Aussage der Bibel ernst, die unserem 'System' zu widersprechen scheint. Wir lesen sie im Kontext ihres Abschnittes, des betreffenden Buches, der Heilsgeschichte und der ganzen Bibel und sehen dann, ob wir einen Punkt unserer bisherigen Theologie anders formulieren, resp. widerrufen müssen.
Solange aber keine biblische Aussage unsere Theologie in Frage stellt, halten wir fröhlich daran fest als an einer Zusammenfassung der biblischen Lehre, die uns in unserer Beziehung zu Gott hält und leitet.
Ich kann es nicht unterlassen, zum Abschluss noch darauf hinzuweisen, dass die reformierte/calvinistische Zusammenfassung der biblischen Lehre das theologische System ist, das sich über die Jahrhunderte darin bewährt hat, die Erkenntnis Gottes und seines Heils zu bewahren und sie am Wirksamsten gegen alle Irrlehren und Sekten zu verteidigen.
3 Kommentare:
hallo kurt,
stimme deinem Beitrag zu. Systematische Theologie ist (lebens-)notwendig für die Gemeinde Christi und für den Einzelnen Christen.
Dass es in der Bibel ein System gibt, muss allen klar sein: Sollte ein Gott, der das System "Weltall" oder das Ökosystem geschaffen hat, in seiner "schriftlichen" Offenbarung unordentlich - sprich ohne System - vorgehen?
Nein unser Gott ist "nicht ein Gott der Unordnung" (1.Kor 14,33).
Eine Aufgabe des Christen und der Gemeinde ist es also, dieses System so weit wie irgend möglich zu erforschen und festzuhalten.
Dass diese Beschäftigung automatisch zur Anbetung führt sehen wir bei Paulus, der in Röm 11,33 schreibt:
"O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!"
gruß,
Matthias
In der Zeitschrift "Modern Reformation" (2/2007, S. 25ff) bezeichnet Keith Mathison die Position, die kirchengeschichtliche Verstehenshilfen zur Bibel ablehnt, als "solo scriptura" im Gegensatz zum sola scriptura. Will heißen, dass dieses Solo letztlich nicht "die Schrift allein" bedeutet, sondern "ich allein", nämlich ich mit meiner subjektiven Meinung und eingeschränkten Erkenntnis. Zum Sola Scriptura gehört auch das rechte Verstehen der Schrift mit Hilfe der Gemeinschaft der Gläubigen und ihren gründlich erarbeiteten Bekenntnissen. Grüße, Hans-Werner Deppe
Danke für den Hinweis, Werner!
Ich habe den Artikel auch gelesen und fand ihn sehr treffend!
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