Montag, 31. Dezember 2007
Warum ich keine Jahreslose ziehen lasse
...wir seit Beginn dieses Zeitalters (neutestamentliche Zeit) keine Lose mehr ziehen, um den Willen Gottes zu erfahren
...der christliche Glaube keine Orakel kennt
...seit der Vollendung des NT-Kanons die Zeit besonderer (persönlicher) Prophezeiungen vorüber ist
Wenn es aber dennoch angebracht wäre, per Los persönliche Verse aus der Bibel zugesprochen zu bekommen, müsste dann nicht die ganze Bibel in Form von Losen zur Verfügung stehen? So dass nicht nur die schönen, angenehmen, bestätigenden Verse gezogen werden können, sondern eben die ganze Breite des biblischen Wortes.
So würden dann auch Verse wie Mt 18,6b gezogen werden. Und eine ganze Reihe anderer dazu. Hier eine kleine Auswahl der Möglichkeiten:
Mt 16:23
Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.
Mt 18:6
Für den wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.
Gen 4:12
Unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde!
Mt 3:7
Otternbrut! Wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen?
Mt 4:7
Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.
Hos 1:2
Geh, nimm dir eine hurerische Frau und zeuge hurerische Kinder!
Hes 13:8
Darum, so spricht der Herr, HERR: Weil ihr Nichtiges redet und Lüge schaut, darum, siehe, will ich an euch, ist der Ausspruch des Herrn.
Donnerstag, 27. Dezember 2007
Ist die Form doch wichtig?
Mit dem, was wir äusserlich in Erscheinung bringen, zeigen wir doch, wie unsere innere Haltung ist. Zum Beispiel widerspiegelt die Kleidung entweder den Charakter des Menschen, der sie trägt, oder sie zeigt zumindest, wie dieser Mensch gesehen werden will.
Ich will aber auf etwas anderes hinaus. Es geht mir um den Gottesdienst. Nicht um den alltäglichen, sondern um die Veranstaltung, die wir Gottesdienst nennen.
Mir ist kürzlich am praktischen Beispiel neu klar geworden, dass die Form des Gottesdienstes eben nicht egal ist.
Ich besuchte einen Weihnachtsgottesdienst in einer anderen Gemeinde, weil wir (nicht unter Berufung auf das regulative Prinzip!) am 25. Dezember keinen Gottesdienst hielten.
Ich wurde gehörig enttäuscht.
(Es geht mir jetzt nicht darum, diese betreffende Gemeinde zu verurteilen. Es geht mir um die Sache in dieser einen Veranstaltung.)
Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass man nicht wie jedes Jahr einfach das Thema Weihnachten wiederholen wollte, sondern etwas interessantes, spannendes bringen und dabei gleichzeitig die Bedeutung von Weihnachten erklären wollte.
Diesen Eindruck habe ich oft in evangelikalen Veranstaltungen, dass man von menschlicher Seite her etwas interessanter und attraktiver machen will, weil man noch nicht verstanden hat, wie attraktiv das Evangelium ist, das nicht in menschlichen Firlefanz eingekleidet ist.
Also, damit sich die Anwesenden nicht einfach nur eine Predigt anhören müssen, hat man sich die Idee ausgedacht, dass der Prediger den Apostel Paulus spielt, der in einer Art Fernsehshow interviewt wird.
Das Ganze lief ohne grosse Aufmachung ab. Der Interviewer und "Paulus" sassen sich gegenüber und sprachen miteinander über die Bedeutung von Weihnachten.
Dabei hat der Prediger eigentlich Gal 4,4 ausgelegt. Er tat das einfach nicht als der Prediger dieser Gemeinde, sondern als "Apostel Paulus", der in einem Interview Fragen beantwortet.
Die Auslegung des Verses war korrekt. Sie enthielt wertvolle Gedanken. Man merkte, dass der Prediger weiss, wie man exegetisch arbeitet.
Aber ich fragte mich: warum muss er denn dieses Gehabe drum herum machen? Wo die Leute noch klatschen, wenn der Apostel Paulus hereinkommt, um vom Interviewer begrüsst zu werden.
Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, die Form möglichst zu ignorieren und den Inhalt zu würdigen (wer mich kennt, weiss, wie schwer mir das in einer solchen Situation fällt), aber es ist dennoch so, dass mir das Drumherum so im Weg gestanden ist, dass ich nichts als ein dummes Gefühl mit nach Hause nahm.
Als wir als Familie auf dem Heimweg diskutierten, merkte ich, dass es nicht nur mir so gegangen ist. Auch meine Kinder sagten: "Das war ja gar keine Predigt!" und "Da wurde ja der Mensch gross gemacht und nicht Gott!" ...und das, obwohl der Prediger sehr wohl Gott gross machte in seinen Worten.
Aber auch meiner Familie ging es so, dass für sie die Form den Inhalt erdrückt hat. Und deshalb ist der Inhalt nicht richtig rübergekommen.
Einmal mehr wurde mir am praktischen Beispiel klar, wie wichtig eben auch die Form im Gottesdienst ist. Gottes Wort und unsere Anbetung brauchen das richtige Gefäss, um 'transportiert' zu werden.
Deshalb halte ich es je länger je mehr für wichtig, dass wir darauf Acht geben, wie wir die Liturgie des Gottesdienstes gestalten. Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist und die Leute 'abholt', wenn wir eine möglichst lockere Haltung an den Tag legen, wenn wir einen Gottesdienst leiten.
Im Gegenteil: Wenn wir uns bewusst sind, mit wem wir es zu tun haben (Wir kommen gemeinsam vor Gott - wegen Gott und nicht wegen den Gästen, die gar nicht wirklich in einem Gottesdienst dabei sein wollen, sondern nur dem Einladenden einen Gefallen getan haben), dann werden wir alles dransetzen, dieser Tatsache auch in der äusseren Form Rechnung zu tragen.
Die Form soll den Anwesenden nicht dazu führen, sich entspannt nach hinten zu lehnen und zu geniessen, sondern sich bewusst zu werden, dass er in die Gegenwart Gottes tritt.
Wenn er sich dieser Tatsache bewusst ist, dann wird ihn auch eine mittelmässige Predigt nicht langweilen.
Noch einmal: Die Form ist nicht das Eigentliche am Gottesdienst. Sie ist aber das "Gefährt", das die Anbetung und das Wort Gottes 'transportiert', deshalb ist wichtig, dass sie zu ihrem Inhalt passt!
Dienstag, 18. Dezember 2007
Verschwörungstheorien
Welches ist die wahre, die eigentliche Verschwörung?
Die folgenden beiden Videos von Dr. Robert Morey bringen es gut auf den Punkt:
Sonntag, 16. Dezember 2007
Evangeliquallismus
Diese Tiere sind sehr beweglich, flexibel, weil sie kein Rückgrat haben.
Sie sind transparent, dadurch sind sie kaum sichtbar, sie verschmelzen sozusagen mit ihrer Umgebung.
Sie halten sich vorzugsweise in seichten Gewässern auf. Deshalb können sie leicht gefangen werden oder an den Strand gespült werden, wo sie dann vertrocknen.
Sie sind aber nicht so harmlos, wie sie aussehen. Die Berührung mit ihnen kann äusserst unangenehm werden. Sie können ziemlich giftig sein.
Also, nehmt euch in Acht, dass ihr nicht zu einer Evangeliqualle werdet!
Dienstag, 4. Dezember 2007
Sinneswandel bei Willow Creek?
Als ich zuerst hörte, dass es bei Bill Hybels und Willow Creek einen Sinneswandel gegeben haben soll, dachte ich: "Super!"
Ich hatte ein paar kurze Meldungen gelesen, wonach den Willow Creekern bewusst geworden sein soll, dass sie mit ihrem consumer-oriented service doch nicht das erreicht hätten, was sie sich eigentlich gedacht hätten.
Hybels selbst sagte, dass sie diverse Prioritäten falsch gesetzt hätten. Zum Teil nicht da, wo sie Gott setzt (hab ich im Originalton selber gehört).
So ein 'Bekenntnis' weckt Hoffnungen bei denen, die dem Programm von Willow Creek kritisch gegenüber standen. Doch die Hoffnung, dass es eine wirklich Einsicht und darauf folgend eine Umkehr gibt, müssen wir uns wohl abschminken.
In seinen Erklärungen äusserte sich Bill Hybels folgendermassen:
"Viele unserer langjährigen Mitglieder sagten uns, dass immer zu kurz gekommen seien, dass sie sich mehr geistliche Nahrung und mehr Tiefgang gewünscht hätten. Da habe ich mir gedacht, ob ich ihnen einen alten Seminar-Dozenten besorgen soll, der sie durchfüttert, bis sie kotzen."
(Er hat wirklich das umgangssprachliche Wort 'barf' gebraucht!)
Seiner wohl humorvoll gedachten Äusserung folgte ein Riesen Gelächter.
Ich bin tatsächlich erschrocken. Der "Erkenntnis", dass es den Schafen an guter Nahrung mangelt, folgt eine solch arrogante Bemerkung und die Feststellung, dass sie sich eben ihre Nahrung irgendwie besorgen müssen.
Nur: die Hirten ihrer eigenen Gemeinde sind nicht bereit, ihre Schafe zu füttern.
Sie möchten lieber die Böcke gut unterhalten!
Mich erinnert diese Haltung an die vielen falschen Propheten, die - als ihre Prophezeiungen nicht eingetroffen sind - einfach mit einem Schulterzucken eine neue Vorhersage rauslassen und zur Tagesordnung übergehen.
Ich finde das zum...[siehe oben im Hybels-Zitat]
Donnerstag, 29. November 2007
Gottes Allmacht und Gebet
Wie kann Gott auf Gebete antworten und entsprechend handeln, wenn Er nicht wirklich allmächtig ist?
Die Frage betrifft insbesondere die Gebete um Bekehrungen.
Wer glaubt, dass Gott dem Ungläubigen einen freien Willen gibt, den Er nicht antasten kann oder will, der sollte es aufgeben, für Bekehrungen zu beten.
John Piper schrieb zu dieser Frage einen hilfreichen Artikel, den ich hier wiedergeben will:
Die Souveränität Gottes und Gebet
Ich werde oft gefragt: "Wenn Sie glauben, dass Gott alles nach dem Rat seines Willens wirkt (Epheser 1,11) und dass er alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Dinge unfehlbar kennt, warum sollte man dann noch dafür beten, dass etwas bestimmtes geschieht?" Gewöhnlich wird diese Frage bezüglich der menschlichen Entscheidungsfreiheit gestellt: "Wenn Gott einige dazu vorherbestimmt hat, seine Kinder zu sein, und sie vor Grundlegung der Welt dazu erwählt hat (Epheser 1,4.5), warum sollte man dann überhaupt noch für die Bekehrung von jemandem beten?"
Dieses Argument besagt implizit, dass Gebet für alle Menschen nur dann möglich ist, wenn alle Menschen die Möglichkeit der freien Willensentscheidung haben. D.h. die Entscheidung des Menschen müsse letztendlich seine Sache sein und nicht Gottes. Andernfalls wären seine Entscheidungen von Gott vorherbestimmt und in Wirklichkeit in Gottes ewigem Ratschluss fest gemacht. Wir wollen nun anhand des oben zitierten Beispiels prüfen, ob dieses Argument schlüssig ist.
1. "Warum sollte man für die Bekehrung von jemandem beten, wenn Gott vor Grundlegung der Welt erwählt hat, wer seine Kinder sein werden?" Jemand, der sich bekehren muss, ist "tot in Übertretungen und Sünden" (Epheser 2,1); er ist "unter die Sünde versklavt" (Römer 6,17; Johannes 8,34); "der Gott dieser Welt hat seinen Sinn verblendet, damit er das Licht des Evangeliums der Herrlichkeit Christi nicht sieht" (2. Korinther 4,4); sein Herz ist gegen Gott verhärtet (Epheser 4,18), sodass er Gott gegenüber feindlich und in Rebellion gegen Gottes Willen lebt (Römer 8,7).
Nun möchte ich die Frage in umgedrehter Form an den Fragesteller richten: Wenn Sie darauf bestehen, dass dieser Mensch sich letztendlich Kraft seines Willens frei entscheiden kann, warum beten Sie dann überhaupt für ihn? Was möchten Sie, solle Gott für diesen Menschen tun? Sie können Gott nicht bitten, die Rebellion dieses Menschen zu überwinden, denn zu dieser Rebellion hat er sich ja gerade selbst entschlossen, und das würde bedeuten, dass Gott sich über die Entscheidung dieses Menschen hinwegsetzt und ihm seine Entscheidungsfreiheit wegnimmt. Aber wie kann Gott ihn retten, wenn er nicht das Herz dieses Menschen ändert und das verhärtete, feindselige Herz austauscht gegen ein Herz des ergebenen Glaubens?
Wollen Sie dafür beten, dass Gott den Verstand dieses Menschen erleuchte, damit er Christus wirklich erkennt und an ihn glaubt? Wenn Sie dafür beten, bitten Sie Gott im Endeffekt nicht mehr, die Entscheidung dieses Menschen seinem eigenen Willen zu überlassen, sondern dann bitten Sie Gott, etwas am Verstand bzw. Herzen dieses Menschen zu bewirken, was zur Folge hat, dass er wirklich sieht und glaubt. D.h. Sie gestehen damit ein, dass die letztendliche Entscheidung darüber, ob dieser Mensch auf Jesus Christus vertrauen wird, nicht bei ihm selbst liegt, sondern bei Gott.
Was ich damit sage: Nicht die Lehre von der Souveränität Gottes widerspricht Gebeten für die Bekehrung von Sündern. Ganz im Gegenteil: Die unbiblische Auffassung, die Bekehrung beruhe auf einer freien Willensentscheidung des Menschen, macht jegliche Gebete für Verlorene sinnlos. Gebet ist die Bitte, dass Gott etwas tun möge. Doch das einzige, was Gott tun kann, um einen verlorenen Sünder zu retten, ist, sein Widerstand gegen Gott zu brechen. Wenn Sie darauf bestehen, dass der Sünder seinen freien Willen behalten muss, dann bestehen Sie damit darauf, dass er ohne Christus bleibt. Denn "niemand kann zu Christus kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben" (Johannes 6,65.44).
Nur wer die Auffassung vom "freien Willen" ablehnt, kann sinnvollerweise Gott bitten, einen Verlorenen zu retten. Ich bete für Ungläubige, dass Gott an ihnen das tut, was er auch bei Lydia getan hat: Er öffnete ihr Herz, sodass sie Acht gab auf das, was Paulus sagte (Apostelgeschichte 16,14). Ich bete, dass Gott, der einst sprach, "Es werde Licht!", durch dieselbe Schöpfermacht "aufleuchtet in ihrem Herzen zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi" (2. Korinther 4,6). Ich bete, dass Gott "das steinerne Herz aus ihrem Fleisch wegnimmt und ihnen ein fleischernes Herz gibt" (Hesekiel 36,26). Ich bete, dass sie wiedergeboren werden "nicht aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen des Menschen, sondern aus Gott" (Johannes 1,13). Und bei all meinem Gebet versuche ich "milde zu sein, lehrfähig, duldsam ... ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit" (2. Timotheus 2,24-26).
Kurz gesagt, bitte ich Gott nicht, nur geduldig abzuwarten, ob mein Bekannter sich nicht doch noch für ein anderes Leben entscheidet. Ich empfehle Gott nicht, ihn in Ruhe zu lassen, damit nicht etwa seine Erkenntnis unwiderstehlich wird und er den freien Willen meines Bekannten verletzt. Nein! Ich bete, dass er meinen ungläubigen Bekannten mit seiner Erkenntnis überwältigt, dass er den versklavten Willen befreit, dass er den Toten lebendig macht und dass er sich durch keinen Widerstand davon abhalten lässt, damit mein Bekannter nicht verloren geht.
2. Wenn nun jemand sagt: "O.k., angenommen, die Bekehrung eines Menschen hängt letztendlich wirklich von Gott ab, verstehe ich immer noch nicht, welchen Sinn Gebet macht. Wenn Gott vor Grundlegung der Welt erwählt hat, wer gläubig wird, welche Aufgabe erfüllt dann unser Gebet?" Darauf antworte ich, dass es eine ganz ähnliche Aufgabe erfüllt wie die Evangeliumsverkündigung: Wie sollen die Verlorenen an den glauben, von dem sie nicht gehört haben, und wie sollen sie hören ohne einen Prediger, und wie sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind (Römer 10,14f.)? Der Glaube an Christus ist eine Gabe Gottes (Johannes 6,65; 2. Timotheus 2,25; Epheser 2,8), aber Gott hat verordnet, dass Menschen durch das Mittel der Evangeliumsverkündigung zum Glauben an Jesus Christus kommen. Es ist einfach naiv, wenn man sagt, dass die Erwählten sich sowieso bekehren würden, auch wenn niemand das Evangelium verkündet. Das ist deshalb naiv, weil es die Tatsache ignoriert, das die Verkündigung des Evangeliums genauso zuvorbestimmt ist wie der Glaube an das Evangelium: Paulus wurde zum Verkündigungsdienst ausgesondert, bevor er geboren wurde (Galater 1,15), gleiches gilt für Jeremia (Jeremia 1,5). Die Frage: "Würden die Erwählten gerettet, wenn wir nicht evangelisierten?", kommt deshalb der Frage gleich: "Würden die Erwählten gerettet, wenn es keine Erwählung gäbe?" Gott kennt die Seinen und er wird Boten erwecken, um sie zu gewinnen. Wenn sich jemand weigert, Bestandteil dieses Planes zu sein, weil ihm der Gedanke missfällt, da hineingenommen zu werden, bevor man geboren ist, dann werden weder Gott noch die Erwählen die Verlierer sein, sondern er. "Man wird gewiss in jedem Fall der Absicht Gottes dienen, wie immer man auch handelt, aber es ist ein Unterschied, ob man der Absicht Gottes dient wie Judas oder wie Johannes." (Problem of Pain Kapitel 7, Anthology, S. 910, vgl. S. 80)
Gebet gleicht der Evangeliumsverkündigung darin, dass es eine menschliche Handlung ist. Sie ist eine menschliche Handlung, die Gott verordnet und an der er Gefallen hat, weil sie die Abhängigkeit seiner Geschöpfe von ihm ausdrückt. Er hat verheißen, Gebet zu erhören, und seine Erhörung hängt in dem Maße von unserem Gebet ab, wie unser Gebet in Übereinstimmung mit seinem Willen steht. "Und dies ist die Zuversicht, die wir zu ihm haben, dass er uns hört, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten" (1. Johannes 5,14). Wenn wir nicht wissen, wie wir gemäß dem Willen Gottes beten sollen, diesen aber ernstlich wünschen, "verwendet sich der Geist Gottes für uns Gottes Willen gemäß" (Römer 8,27).
Anders gesagt: So wie Gott darauf achtet, dass sein Wort verkündet wird als Mittel zur Errettung der Erwählten, so achtet er auch darauf, dass all jene Gebete gebetet werden, deren Erhörung er verheißen hat. Ich denke, dass die Worte des Paulus in Römer 15,18 gleichermaßen für seine Verkündigung gelten wie auch für seinen Gebetsdienst: "Ich würde nicht wagen, etwas davon zu sagen, wenn nicht Christus es durch mich gewirkt hätte, um die Heiden zum Gehorsam zu bringen durch Wort und Werk." Sogar unsere Gebete sind eine Gabe von dem Einen, der "in uns schafft, was vor ihm wohlgefällig ist" (Hebräer 13,21). O wie dankbar sollen wir sein, dass er uns erwählt hat, an diesem hohen Dienst beteiligt zu sein! Wie eifrig sollten wir sein, viel Zeit im Gebet zu verbringen!
By John Piper. © Desiring God
© der dt. Übersetzung: Betanien Verlag, 2002
Mittwoch, 28. November 2007
Doch nicht ganz allmächtig?
Diese Aussage war natürlich (mehr oder weniger bewusst) gegen die reformierte Lehre der 'unwiderstehbaren Gnade' gerichtet. Die Meinung - von der semipelagianischen Sicht geprägt - Gott könne zwar um den Menschen werben, aber dessen Liebe zu Ihm könne Er nicht wecken, das liege allein in der Entscheidung des Menschen.
Abgesehen davon, dass diese Sicht gleich mehreren biblischen Lehren gleichzeitig widerspricht (Allmacht Gottes: Gott wirkt alles, was Er will Jes 46,10, Eph 1,11; Erweckung allein durch Gottes Initiative: Hes 11,19; 36,26f, Jer 31; Erwählung ohne Vorbedingung: Deut 9,5; Tit 3,5; Eph 2, 2Tim 1,9, usw.) wirft sie konkret die Frage auf: Wenn nicht Gott die Liebe zu Ihm in einem Menschen hervorbringen kann, wer kann es dann?
Es gibt nicht viele Alternativen.
Es sollte wohl geglaubt werden, dass es der Mensch selber ist.
Damit er das aber tun kann, muss der Mensch gewissermassen in einer neutralen Position stehen.
Er muss - von Gott darum gebeten, Ihn doch zu lieben - in der Lage sein, auf diese Bitte in freier Wahl zu antworten. Er muss diese Liebe also bereits in sich haben, die er dann auf Gott ausrichten kann.
Das bedeutet, dass trotz Sündenfall und vererbter Sündhaftigkeit ein bestimmter Teil des Menschen unversehrt geblieben sein müsste.
Der Apostel Paulus hätte nicht Recht, wenn er sagt, dass in ihm nichts Gutes wohnt. Es gäbe mindestens doch etwas Gutes, nämlich die Liebe. Die ist irgendwie intakt geblieben. Wow!
Paulus hätte an dieser und an vielen anderen Stellen nur seine Demut mit einer Hyperbel zum Ausdruck gebracht. Er hätte es nicht wirklich so gemeint, wie er es gesagt hat.
Ich könnte lange so weiterfahren. An der Ablehnung der Lehren der Gnade hängt ein fast endloser Rattenschwanz an Verleugnungen und Abschwächungen biblischer Aussagen, so dass wir uns am Ende fragen müssen, ob wir überhaupt ernsthafte Bibelleser sein und gleichzeitig das reformatorische Verständnis des Heils ablehnen können.
Ich denke, wie können es nicht.
Für C. Van Til war es klar, dass 'Verteidigung des Christlichen Glaubens' die Verteidigung des reformierten Glaubens bedeutet. Dazu kann ich nur 'Amen' sagen.
R.C. Sproul brachte es noch etwas stärker auf den Punkt, als er kürzlich eine Gruppe von ca. 100 Zuhörern (Studenten und Gäste) befragte, ob sie glauben, dass Gott alles, was in der Welt passiert, vorher angeordnet hat (Zitat aus dem Westminster Bekenntnis). 70 antworteten mit Ja, 30 mit Nein.
Anschliessend fragte R.C., wie viele unter ihnen Atheisten seien. Keiner meldete sich. Daraufhin meinte er, das sei aber sehr erstaunlich, dass unter denen, die nicht an Gottes Vorsehung glaubten, keiner sich als Atheist bezeichnet.
Ich kann mir die langen Gesichter vorstellen. Aber ich gebe ihm Recht. Niemand, der behauptet, dass er der Bibel glaubt bezüglich ihrer Offenbarung Gottes, kann die Lehren der Allmacht Gottes und die Lehren, die mit Seinem erwählenden Handeln zusammenhängen, einfach verleugnen.
Mittwoch, 14. November 2007
Buchempfehlung
Jay Adams, der vor Allem durch sein umfassendes Werk in praktischer Theologie (Gemeindearbeit, Seelsorge) bekannt ist - er hat zur Zeit über 70 Bücher in Print - hat auch immer wieder mal zu Themen in anderen Bereichen Stellung genommen.
1966 schrieb er 'The Time is at Hand'. 2000 wurde es bei 'Timeless Texts' neu aufgelegt.
In diesem Buch vertritt Adams nebeneinander zwei eschatologische Positionen, die eigentlich eher selten in dieser Kombination vorkommen, die sich aber in seinem Erklärungsmodell bestens vereinen lassen.
Es sind dies der Amillenialismus (wobei Adams diesen Ausdruck ablehnt, er hat den Begriff des realisierten Millenniums geprägt) und die präteristische Sicht bezüglich der Auslegung der Offenbarung.
Adams versucht zu belegen, dass die Offenbarung hauptsächlich von dem Gericht über Jerusalem und die jüdischen Führer und über das Römische Imperium spricht.
Seine Argumentation kommt ohne viel Polemik aus und wo Adams unsicher ist, schreibt er das offen.
Seine Sicht der gegenwärtigen Reiches Gottes und die Argumente, mit denen er den Prämillenialismus ad absurdum führt, sind ziemlich überzeugend. Es bleiben viele Detailfragen offen. Dennoch ist es bemerkenswert, wie viel Material Adams in dem geringen Buch behandelt. Obwohl ich schon eine ganze Reihe eschatologischer Bücher gelesen habe, hat Adams einige Fragen aufgeworfen, die ich so bisher nicht antraf, und einige andere beantwortet, die mir bisher offen geblieben sind.
Wer sich für Eschatologie interessiert, sollte an diesem Buch nicht vorbeigehen.
Und hier als Bonus-Track für näher Interessierte:
Ein Interview mit Jay Adams zum Thema
Mittwoch, 7. November 2007
Eschatologie ist wichtig!
Ich bin anderer Meinung. Eschatologie ist wichtig.
Wenn wir uns nicht bemühen, die Fragen der letzten Dinge, der Endzeit, der Zukunft der Gemeinde, usw. gründlich anhand der Bibel zu beantworten, dann wird der Grossteil der Gemeinde Jesu weiterhin von ein paar selbsternannten Endzeit-, resp. Nahost-Spezialisten an der Nase herum geführt werden und dann mantra-artig die eisegetischen Produkte des Dispensationalismus nachplappern.
Mit den Fragen der Auslegung der biblischen Prophetie hängt unsere Methode der Schriftauslegung direkt zusammen.
daran, wie jemand prophetische Texte auslegt, erkennen wir, wie er überhaupt die Bibel versteht und auslegt. Das Verständnis der Eschatologie lässt oft ein bedenkliches Verständnis von biblischen Texten überhaupt erkennen.
Mit der Eschatologie hängt auch unsere Sicht des Reiches Gottes zusammen.
Unser Verständnis von dem Begriff 'Israel' lässt auf unser Verständnis der Gemeinde schliessen.
Ist es nicht wichtig, wie wir die Gemeinde sehen?
Wenn z.B. wir bestimmte Texte als 'nur an Israel' (als die ethnische Einheit) geschrieben verstehen, können wir grosse Teile der Bibel überhaupt nicht für uns nehmen.
Wenn ich manche Dispensationalisten beobachte, wie sie mit prophetischen Texten umgehen, dann wird mir immer wieder bewusst, dass sie zum Teil völlig gegensätzliche Kriterien der Auslegung an ein und demselben biblischen Buch anwenden.
Ist das nicht wichtig?
Was hat das für Konsequenzen für unser Glaubensleben, wenn wir - je nach dem, wie es in unser System passt - die einen Aussagen eines Buches bildhaft und andere strikt wörtlich nehmen?
Ich denke, dass wir die Zeit und den Aufwand nicht scheuen sollten, uns gründlich mit den Fragen der Eschatologie auseinander zu setzen. Eben deshalb, weil es ein gutes Übungsfeld für die Hermeneutik ist.
Und auch deshalb, weil wir es nicht den Scharlatanen überlassen dürfen, unsere Gemeinden auf einem relativ grossen Gebiet der Lehre zu prägen!
Freitag, 2. November 2007
Gedanken zur Reformation
In diesen Tagen um den Reformationstag taucht oft die Frage auf, was wir denn heute noch der Reformation gedenken sollen, oder warum die Reformation heute wichtig ist.
Ich möchte nicht mehr dazu sagen, als dass ich denke, dass niemand, der Jesus Christus liebt und der die Wahrheit liebt, sagen kann, dass er nicht auch die Reformation liebt.
Denn in diesem grössten der historischen Ereignisse wurde Jesus Christus wieder annähernd die Ehre gegeben, die Er verdient, wurde der Wahrheit der Bibel wieder der Platz gegeben, den sie haben sollte.
Was mich an der Reformation sonst noch begeistert, ist die Stellng und Haltung der Männer, die in dieses Ereignis involviert waren.
Luther, Calvin, Zwingli, Tyndale, Knox und ihre Mitstreiter waren Männer, die bereit waren, nicht nur ihre gute Stellung, ihren Komfort, ihren Besitz, usw., sondern ihr ganzes Leben in den Dienst der Wahrheit zu stellen und es wenn nötig zu verlieren.
In diesen Tagen hiess 'zu seiner Überzeugung stehen' mehr, als wenn wir heute im wohlständigen Westen bestimmte Wahrheiten der Bibel festhalten und dafür nicht das ganze Einverständnis der übrigen Christenheit erhalten.
Wenn Luther schrieb: "Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr’, Kind und Weib: Lass fahren dahin...", dann meinte er das wörtlich.
Wenn wir heute das Lied im 'Reformationsgottesdienst' und vielleicht ein weiteres mal im Jahr singen, dann merken wir vielleicht oft nicht einmal, was wir da gerade gesagt haben.
Natürlich meine ich nicht, dass wir heute die Verfolgung suchen sollen, die die Reformatoren erlebt haben.
Was uns aber sicher gut tun wird, ist wenn wir (nicht nur um den Reformationstag) die Geschichten dieser Männer studieren. Wenn wir uns bewusst machen, wie sie gedacht haben, wie und was sie gelehrt haben.
Indem wir neben ihren Leben ihre Werke studieren, werden wir lernen, was es heisst, um die rechte Erkenntnis und die rechte Anbetung Gottes zu ringen.
Wir werden lernen, was es heisst, Erkenntnis Gottes, Christi, des Menschen, der Gemeinde, usw. unabhängig vom Einfluss der Kultur allein in der Schrift zu suchen.
Das würde unserem Christentum, unserem Glaubensleben, unserem Gemeindeleben eine gesunde Erneuerung bescheren. Es würde unserer anthropozentrischen "Spiritualität" einen Stoss versetzen und unsere Liebe zu unserem Herrn und Retter Jesus Christus neu erwecken und stärken.
Damit meine ich nicht das feminisierte, romantische Gesülze, das man heute Liebe zu Jesus nennt und es gegen die Treue zur Biblischen Wahrheit stellt.
(War ich jetzt wieder unfair?)
Donnerstag, 25. Oktober 2007
Apologetik
Part 2:
Part 3:
Part 4:
Part 5:
Samstag, 6. Oktober 2007
Mind the Gap
Etwas ganz Entscheidendes. Es ist die Gap-Theorie! [engl. 'gap' = Lücke, Zwischenraum]
Die Evolutionisten haben die langen Zeiträume erfunden, um die Entwicklung von einem zum anderen Lebenwesen irgendwie plausibel zu machen. Wenn nur genügend Zeit zwischen Affe und Mensch geschoben werden kann, soviel Zeit, dass es keine überlebenden Zeugen mehr geben kann, dann wird man das irgendwie glauben, dass aus dem Einen das Andere geworden ist.
Die Dispensationalisten sind ebenfalls gut darin, Lücken oder Zwischenräume zu erfinden, um ihre Theorien zu rechtfertigen. Die früheste Lücke haben sie zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 platziert.
Sie haben sich gedacht, dass das doch nicht sein könne, dass Gott eine Erde schuf, die wüst und leer ist. Also fügten sie einen Zwischenraum ein. Dort haben sie den Fall Satans positioniert. Dieser habe bewirkt, dass die Erde dann wüst und leer war. Aus dem 'war wüst und leer' haben sie dann ein 'wurde wüst und leer' gemacht.
(Ich habe einmal eine noch fantasievollere Theorie gehört, dass nämlich in diesem Zwischenraum der Satan auch noch die Dinosaurier geschaffen habe. Gott könne nicht solche schrecklichen Tiere gemacht haben, die seien vom Satan.)
Das Spiel mit den Zwischenräumen ist aber viel umfassender.
Da man im Dispensationalismus die Biblische Prophetie wenn immer möglich mit der Tageszeitung auslegen will und nicht verstehen will, dass sich die AT-Prophetien in Christus und seinem geistlichen Königreich erfüllen, hat man wieder die Zwischenräume zu Hilfe genommen.
Da ist zum Beispiel die Verheissung der Rückkehr Israels aus dem Exil und die anschliessende Ausgiessung des Heiligen Geistes auf die Erwählten Israels in Hes 36-37.
Man sieht die Erfüllung an Pfingsten nicht, sondern will sie in unserem Jahrhundert in der Staatsgründung und im national-ethnischen Israel sehen, deshalb muss man den Zwischenraum des Zeitalters der Gemeinde einfügen.
Die Dispensationalisten wollen auch um jeden Preis (auch um den einer manipulierten Hermeneutik) denjenigen, der laut Daniel 9,27 die Opfer aufhören lässt, als den Antichristen sehen, der einen in unserem Jahrhundert wiederaufgebauten Tempel einnimmt und dann die Opfer aufhören lässt. Sie sehen nicht, dass Christus derjenige ist, der durch sein endgültiges Opfer alle bisherigen Opfer überflüssig macht.
Deshalb brauchen sie auch hier wieder eine Lücke zwischen Daniels 69. und 70. Jahrwoche.
Eine weitere Lücke wird zwischen 1Kor 15,23-24 kreiert. Dort gibt es zwischen Ver 23 und 24 dummerweise kein tausendjähriges Reich. Also muss wieder eine Lücke her.
So geht das Spiel immer weiter. Es werden die abstrusesten Ideen entwickelt. Sobald ein Problem für das System auftaucht, wird es umgebaut und die Zwischenräume werden eingefügt.
Mein Problem damit ist, dass ich diese Lücken im Text der Schrift nicht sehen kann. Sie werden 'hineingeheimnist'. So wird man ziemlich unglaubwürdig. Wo die Dispensationalisten als Verfechter der göttlichen Inspiration der Bibel den Evolutionisten mit gutem Recht widersprechen, machen sie es in der Konstruktion ihrer Eschatologie genau gleich.
Wer kann eine solche Bastelei ernst nehmen?
Montag, 3. September 2007
Prophetie und Hermeneutik
Warum nur kommen verschiedene Ausleger der Bibel in Bezug auf Fragen der Prophetie auf solch gegensätzliche Ergebnisse?
Weil in manchen Fällen das grundlegende hermeneutische Prinzip "die Schrift mit der Schrift auslegen" nicht oder ungenügend beachtet wird.
Einer der Hauptfehler der Hermeneutik der Dispensationalisten zum Beispiel ist, dass sie grundsätzlich ihre buchstäbliche Auslegung des Alten Testaments dem Neuen Testament überstülpen, anstatt dass sie bei den Aposteln in die Schule gehen und verstehen, wie diese die Verheissungen des AT verstanden haben.
Eine Stelle aus dem Buch Amos kann sehr gut als Beispiel dafür dienen, wie diese apostolische Hermeneutik bezüglich der Wiederherstellung Israels "funktioniert".
Amos 9:11-12 An jenem Tag richte ich die verfallene Hütte Davids auf, ihre Risse vermauere ich, und ihre Trümmer richte ich auf, und ich baue sie wie in den Tagen der Vorzeit, damit sie den Überrest Edoms und all die Nationen in Besitz nehmen, über denen mein Name ausgerufen war, spricht der HERR, der dies tut.
So würde die Stelle gut in die Vorstellung hinein passen, dass es einmal noch einen Kampf gegen die Heiden gibt, die sich gegen (das ethnisch-nationale) Israel stellen, in welchem Israel dann siegen wird. Das ist ja seit dem Ausspruch dieser Prophetie in der Weise nicht geschehen.
Nehmen wir nun aber die Auslegung der Apostel – genau gesagt, des Jakobus – zu dieser Prophetie hinzu, dann erhalten wir plötzlich ein ganz anderes Verständnis.
Die Apostel sind auf dem berühmten ersten Konzil in Jerusalem versammelt und beraten, inwiefern den Heiden etwas von dem Gesetz aufzulegen ist, nachdem von Seiten einiger Judaisten verlangt wurde, die Heiden, die zum Glauben an Christus gekommen sind, sollten noch Teile des Zeremonialgesetzes, insbesondere die Beschneidung, einhalten.
Petrus gibt Zeugnis, wie er erlebt hat, dass Gott den Heiden um den Hauptmann Kornelius, die Petrus besuchte, den Heiligen Geist gegeben hat und somit demonstrierte, dass Er sie in sein Volk aufnimmt.
Darauf antwortet Jakobus:
Jakobus zitiert die Amos-Stelle und erklärt eindeutig und unmissverständlich, dass sich die Prophetie erfüllt – also die Hütte Davids wieder aufgebaut wird (was der Wiederherstellung Israels entspricht), indem die Heiden dazu gewonnen werden.
Die Wiederherstellung Israels ist geschehen, indem der Heilige Geist ausgegossen wurde, die grosse Menge an Juden (d.i. der "Überrest") zum Glauben kam und durch den Dienst der Apostel (die Juden waren) alle Nationen durch Christus zu Gott kommen.
Wenn wir die AT-Prophetie bezüglich der Zukunft Israels in der gleichen Weise, wie das hier exemplarisch gezeigt wird – und in anderen Fällen von den Aposteln ebenso praktiziert wird – verstehen und auslegen, dann erkennen wir, dass das AT keine Wiederherstellung des national-ethnischen Israel lehrt, sondern lediglich den Bau des Reiches Christi meint (welches aus Juden und Heiden besteht, die Christus als Gottes Sohn anerkennen).
Mittwoch, 29. August 2007
Doch nicht ewig sicher?
Pugh's Erläuterungen zeigen meiner Meinung nach sehr gut, wie wir die Aussagen des Hebräerbrief-Autors verstehen müssen.
Der Artikel kann hier als PDF geladen werden.
Dienstag, 28. August 2007
Eklige Fragen für Paedo-Baptisten
Es gibt nicht viele Punkte, in denen ich mit meinen presbyterianisch orientierten Brüdern nicht einig bin.
Einen gibts aber ganz sicher. Das betrifft das Verständnis der Taufe. Im Besonderen die Taufe von Kleinkindern. Ich bin immer noch der Überzeugung, dass es ein paar Fragen gibt, die die Paedobaptisten nicht befriedigend beantworten können und weswegen sie von ihrer Sicht und Praxis abrücken sollten. Ich möchte einige davon in den [virtuellen] Raum stellen.
Paedo-Baptisten begründen ihre Praxis, Kleinkinder zu taufen, gewöhnlich damit, dass diese Kinder Glieder des Bundes sind, den Gott mit ihren Eltern geschlossen hat.
Mein erstes Problem damit ist folgendes: Gemäss Jeremia 31,34 kennen alle Mitglieder des neuen Bundes den Herrn. Keiner sagt zum andern: "Erkenne den Herrn!" Das heisst: Kein Mitglied des neuen Bundes muss evangelisiert werden, sie sind es schon. Paedobaptisten würden aber ihre Kinder nicht als solche ansehen, die den Herrn in diesem Sinn kennen, sondern sie würden sagen, dass man sie ähnlich wie Nicht-Gläubige über Gesetz und Evangelium belehren soll.
Weiter: Paedobaptisten sagen, dass Kinder, die sich vom elterlichen Glauben abwenden, Bundesbrecher sind. Kann aber der neue Bund gebrochen werden? Ich sage nein.
Wer wirklich Mitglied des neuen Bundes ist, wird in diesem Bund bewahrt. Gemäss Jeremia 31,31ff und den Parallelen in Hesekiel 36 und Heb 8 beinhaltet der neue Bund, dass seine Teilhaber Vergebung ihrer Sünden haben und in den Geboten des Herrn wandeln. Das ist die Eigenschaft von Wiedergeborenen. Für sie gilt, dass ihr Heil sicher ist. Ich kann nicht von jemandem sagen, dass er Glied des neuen Bundes ist, dass für ihn jedoch die Lehre des Beharrens der Heiligen nicht gilt.
Ich kann überhaupt nur entweder unter Adam oder Christus als Bundeshaupt sein. Von Geburt (auch als Kind gläubiger Eltern) bin ich unter Adam. Durch die Neugeburt komme ich unter die Bundeshauptschaft von Christus.
Ein weiteres Argument von Paedobaptisten ist, dass Kinder und nicht gläubige Partner von Christen geheiligt sind. Deshalb werden sie auch getauft.
Kleinkinder werden nicht gefragt, ob sie wollen. Teenager ab einem gewissen Alter schon. Erwachsene Partner auch. Was, wenn sie nicht wollen?
Und was, wenn sie einwilligen, in Wirklichkeit aber Christus ablehnen?
Sollten sie dann nicht auch gegen ihren Willen getauft werden?
(Kleinkinder wehren sich ja auch dagegen, das sieht man :-)
Es werden Kleinkinder getauft, wenn mindestens ein Elternteil gläubig ist.
Was ist, wenn die Eltern das nur vorgeben? Weil man das ja nie sicher weiss - können dann nicht doch überhaupt alle Kleinkinder getauft werden?
Ich bin gespannt auf Eure Antworten...
.
Mittwoch, 22. August 2007
Best Audio II
Wer sind die rechtmässigen Empfänger der Taufe?
Das ist der Titel einer Debatte zwischen Gene Cook Jr., Pastor der Covenant Baptist Church in San Diego und Paul Manata, Pastor der New Life PCA in Escondido.
Beide Debaters sind der Bundestheologie verpflichtet, somit drehen sich die Argumente hauptsächlich um die Fragen der Kontinuität, resp. Diskontinuität des Alten und Neuen Bundes. Die Debatte ist von A bis Z spannend, die Argumente sind engagiert vorgetragen, dennoch mit der richtigen Portion Humor gewürzt.
Hier die Links zum Download der Audio-Dateien:
Baptism Debate Part 1
Baptism Debate Part 2
Baptism Debate Part 3
.
Montag, 20. August 2007
Best Audio
Normalerweise wird fünfmal in der Woche eine Sendung ausgestrahlt. Jeder Wochentag hat sein besonderes Thema.
Das Highlight war bisher der Covenant Theology Thursday. Gene Cook, Jason Robertson und Scott Hill, drei Reformierte Pastoren aus Südcalifornien diskutierten "Redemption accomplished and applied" von John Murray. Ab dem nächsten Donnerstag beginnen sie mit der London Baptist Confesion von 1689 (im Vergleich mit dem Westminster Bekenntnis).
Am Dienstag beginnt Gene Cook zusammen mit Johnathan Goundry die Offenbarung durchzulesen und Auslegungsvarianten zu diskutieren.
Der Mittwoch ist für Diskussionen mit Atheisten reserviert, Freitags ist 'Open Phones-Friday'.
Am Montag ist geplant, künftig Interviews mit bekannten Predigern oder Autoren zu bringen.
Alles kommt aus Reformierter Perspektive. Gene's Moderation besteht aus einer gelungenen Mischung von theologischem Tiefgang und einem Humor, der sich selber nicht allzu wichtig nimmt. Also eine ganze Palette interessanter Zeitfresser, die man sich aber trotzdem nicht entgehen lassen sollte.
Die Sendungen werden meistens um 6.00 pm californischer Zeit ausgestrahlt. Das entspricht morgens um 03.00 europäischer Zeit. Aber keine Sorge, die Sendungen können entweder auf dem Blog: The Narrow Mind Aftermath nachgehört werden, oder aber als Podcast abonniert werden. Der Feed hierzu (z.B. für iTunes) ist "http://podcast.unchainedradio.com/xml/rss/feed.xml"
Samstag, 4. August 2007
Ein anhaltendes Verständnis von Gnade
Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Hauptsächlich dürfte es aber an dem arminianischen Klima liegen, das uns umgibt. Hier wird die Gnade Gottes zwar betont, wenn es darum geht, das Heil zu erlangen, das heisst, es wird betont, dass man ohne zusätzliche Leistungen, nur durch den Glauben an Christus, in den Stand des Heils kommen kann.
Danach wird aber - oft nicht ausdrücklich, aber implizit - vermittelt, dass das Bleiben in diesem Stand des Heils in der Hand des Gläubigen liegt. Seine geistlichen Bemühungen, sein "Dranbleiben" in seiner "Stillen Zeit", sein Bibellesen, seine Gebete, sein frommes Leben, all das hält ihn bei Jesus.
Ich sage nicht, dass diese genannten Dinge ohne Folgen vernachlässigt werden können. Im Gegenteil. Aber es sind nicht unsere geistlichen Bemühungen, die uns im Stand des Heils halten.
Wer so glaubt und lehrt, bewirkt, dass er und andere Gläubige anfangen, sich etwas auf ihre Geistlichkeit einzubilden, sofern sie "erfolgreich" sind, respektive an Gott und am Glauben zu verzweifeln, wenn sie hier und da von ihrem Fleisch überwunden werden.
Das mit dem "Verzweifeln" ist vielleicht mit grösseren emotionalen Spannungen und Krisen verbunden, ist aber meines Erachtens weniger gefährlich in den Folgen. Der Verzweifelnde wird eher dazu getrieben, zu Christus zu fliehen und Entlastung zu suchen, vielleicht auf diesem Weg sogar Abstand zu seinen falschen Vorstellungen gewinnen.
Weitaus gefährlicher ist es im Fall desjenigen, der sich etwas auf seine geistlichen Bemühungen einbildet und sich für fähig hält, sich dadurch selbst im Heil zu bewahren.
Er ist in Gefahr, schnell gesetzlich zu werden, hochmütig auf andere zu schauen und die Gnade Gottes gering zu achten und sie zu vergessen.
Er wird immer wieder bemüht sein, seinen Beitrag zum Wohl der Gemeinde so zu betonen und hervorzuheben, dass er auch ganz sicher bemerkt wird. Er wird mit der Zeit immer mehr das Gefühl haben, dass er ein guter Christ ist und dass die andern froh sein können, dass sie ihn haben.
Und er wird gleichzeitig sehr unzufrieden sein, wenn er nicht die Aufmerksamkeit und die Vorzüge erhält, die er sich durch seine Geistlichkeit ja verdient.
Welch ein erbärmlicher Zustand!
Mir scheint es, dass wir sehr viele solche Christen haben in unserer Zeit.
Wir können dem entgegenwirken, indem wir immer wieder die Lehren der Gnade hochhalten; in Gesprächen, in der Verkündigung.
Wir dürfen den Widerstand nicht scheuen, den wir erfahren werden, wenn wir die falsche Theologie jener Leute hinterfragen, die meinen, dass Gott eine solche Hochachtung vor dem "freien Willen" der Sünder hat, dass Er diejenigen zum Heil erwählt, von denen Er lediglich voraussieht, dass sie so gut sein werden, sich zu bekehren.
Die Lehre von der totalen Verdorbenheit des natürlichen Menschen und der bedingungslosen Erwählung derjenigen, die Gott für das Heil vorgesehen hat, ist hervorragend geeignet zur Demütigung von uns arroganten Geschöpfen.
Wer aus der perspektive dieser biblischen Lehren sich im Licht Gottes erkennt, wird auch sehen, dass er niemals in der Lage sein kann, sich auch nur eine Stunde im Stand des Heils zu bewahren. Es ist Gottes Wirken, das dies vollbringt.
Gott selbst hat das den Seinen durch seinen Bund der Gnade versprochen. Diese erhabene Wahrheit wird uns, wenn wir sie wahrhaftig erkennen, jubeln lassen über jeden Funken der unfassbaren Gnade unseres Gottes.
Wir werden auch noch nach Jahrzehnten des Christseins solche Aussagen machen, wie ich sie kürzlich bei Spurgeon gelesen habe:
Verlass dich drauf; wenn du deine Sünde vergeben erhalten hast und so von dem ewigen Zorn Gottes gerettet wurdest, wirst du keinen Handel mehr mit Gott machen wollen, ob du Fleisch zu essen und gute Kleider zum anziehen hast oder ob du hungrig oder nackt bist.
Nein, Herr, ich will schlottern in Lumpen eines Bettlers in voller Zufriedenheit, wenn ich nur begnadigt bin. Ich will im Gefängnis liegen mit einer trockenen Brotrinde als Nahrung, wenn ich nur vor deinem Zorn gerettet sein darf.
Können wir so etwas über uns selbst sagen? Auch nach vielen Jahren als Christen?
Wenn nein, dann sollten wir uns vielleicht noch einmal neu Gedanken über die biblische Botschaft über die Sünde von uns Menschen und die Gnade Gottes machen - unser Verständnis davon überprüfen.
Freitag, 27. Juli 2007
Humor
Ein neuer Pastor kommt eine Kleinstadt. An einem Samstag beschliesst er, seine Gemeindeglieder zu besuchen und klopft an manche Tür.
Alles geht gut, bis er zu einem Haus kommt, wo nach wiederholtem Klopfen niemand aufmacht, obwohl - wie er merkt - jemand zu Hause ist.
Er nimmt einen Zettel und schreibt kurz "Offb. 3,20" drauf.
Am nächsten Sonntag, als er das Opfer zählte, fand er darin einen Zettel, auf dem stand: "1. Mo 3,10"
Montag, 16. Juli 2007
Wird Israel wiederhergestellt?
Von William Hendriksen
Heute glauben viele Christen, dass sich mit der gegenwärtigen Rückkehr von Juden ins Land Israel und der Neugründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 viele alttestamentliche Prophezeiungen erfüllen würden. Diese Sichtweise (die zum theologischen System des Dispensationalismus gehört) lässt sich mit den folgenden 12 biblischen Begründungen darstellen, die anschließend Punkt für Punkt widerlegt werden:
1. Die Rückkehr der Juden in ihr Land ist gegenwärtig real, aber nur teilweise. Sie wird in nicht allzu ferner Zukunft gänzlich vollzogen. Beweis: „Und ich werde eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Nationen und aus allen Orten, wohin ich euch vertrieben habe, spricht der HERR; und ich werde euch an den Ort zurückbringen, von wo ich euch weggeführt habe“ (Jer 29,14).
2. Da diese Rückkehr als eine Heimkehr nicht allein aus Babylon beschrieben wird, sondern „aus allen Nationen und aus allen Orten“ der Vertreibung (Jer 29,14) und „aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamath und aus den Inseln des Meeres [und] von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,11-12), muss sie sich auf die heute begonnene und bald vollendete Wiederherstellung Israels beziehen.
3. Es handelt sich nicht um die erste, sondern um die zweite Rückkehr (Jes 11,11).
4. Da einige diese Rückkehr-Prophezeiungen an solche Juden gerichtet sind, die bereits aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt waren (Sach 8,1-8), müssen sie sich auf spätere Ereignisse beziehen, also auf die Geschehnisse seit dem 20. Jahrhundert.
5. Dies wird bestätigt durch den Ausdruck „am Ende der Tage“ (Jer 30,24).
6. Die angekündigte Rückkehr geschieht „im Unglauben“ (Hes 36,24-26), was mit den gegenwärtigen Geschehnissen übereinstimmt.
7. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 beweist, dass diese alttestamentlichen Prophezeiungen jetzt erfüllt werden.
8. Mit der politischen Neugründung Hand in Hand geht auch die ökologische und wirtschaftliche Wiederherstellung Israels. Schließlich hat Jesaja prophezeit, dass eines Tages die Wüste erblühen und dass die alten Ruinen wieder aufgebaut werden (Jes 35,1; 61,4). Diese Prophezeiungen erfüllen sich heute: Das Land wird nach Jahrhunderten der Öde wieder fruchtbar gemacht, Wasser aus dem Jordan bewässert die Negev-Wüste, zahlreiche neue Städte und Dörfer werden gebaut, natürliche Ressourcen wieder verfügbar gemacht und genutzt und dergleichen mehr. Das Land Israel ist mit seiner neuen Blüte zu einer touristischen Attraktion geworden.
9. Die Voraussagen von Amos 9,14-15 haben sich erfüllt: Im Mai 1948, Oktober 1958 und insbesondere im Juni 1967 (Sechstagekrieg) hat Israel seine Feinde rasch besiegt. Das beweist, dass sich Gottes Verheißungen an Israel in der Gegenwart erfüllen und dass es unmöglich ist, den Staat Israel zu vernichten.
10. In Lukas 21,24 heißt es, dass „Jerusalem von den Heiden zertreten wird, bis die Zeit der Nationen erfüllt ist“. Dass Jerusalem heute wieder im Besitz der Juden ist, beweist, dass sich diese Prophezeiung jetzt erfüllt (hat).
Auch Paulus lehrt, dass nach der Rückkehr der Juden der Tempel wieder aufgebaut wird und dass sich der Antichrist in diesem Tempel setzen wird (2Thes 2,4). Auch diese Prophezeiung wird bald erfüllt werden. Die Vorbereitungen zum Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem sind bereits im Gange.
11. Im Neuen Testament gibt es noch mehr Hinweise auf die Wiederherstellung Israels. So lehrt Mt 19,28, dass die zwölf Stämme wieder gesammelt werden.
12. In 1Kor 10,32 werden die Juden und die Gemeinde als zwei verschiedene Gruppen genannt. Das zeigt, dass Gott noch einen Plan für die Juden hat. Auch Galater 6,6 und Römer 11,26 unterstützen diese Annahme.
Antworten
Zu 1) Der Kontext von Jer 29,14 spricht ausdrücklich von einer Rückkehr „wenn siebzig Jahre für Babel voll sind“ (Jer 29,10). Diese Schriftstelle hat Daniel beachtet (Dan 9,2) und verstanden, dass sie sich auf seine damalige Zeit bezieht. Daher kann nicht behauptet werden, dass sich diese Prophezeiung auf den Zionismus und gegenwärtige oder künftige Rückkehrbewegungen der Juden in ihr Land beziehe. Das gleiche gilt für ähnliche Rückkehr-Prophezeiungen wie 5Mo 30,1-10; 1Kö 8,46-52; Hes 36,17-19.26-28; Hos 11,10-11.
Zu 2) Dass in Jeremia 29 außer Babylon (Sinear) etliche andere Länder erwähnt werden, aus denen die Juden zurückkehren, ist leicht zu erklären: Damals war es üblich, dass Kriegsgefangene an die umliegenden Nationen verkauft wurden, sodass sie weit verstreut lebten (Hes 27,13; Joel 3,7; Amos 1,6.9; Offb 18,13). Bei einer schrittweisen Heimkehr aus der Gefangenschaft – während einige zurückkehren, verbleiben andere noch im Exil und kehren erst später heim – ist es natürlich, dass auch einige dieser weit zerstreuten Juden ins Gelobte Land ihrer Vorväter zurückkehrten. Es ist bekannt, dass der Sklavenhandel insbesondere von den Phöniziern betrieben wurde. Deren Seefahrer bereisten fast die ganze damals bekannte Welt und verkauften ihre „Handelsware“, zu der auch Sklaven gehörten.
Dass bei der Aufzählung der Nationen in Jes 11,11 Assyrien und Ägypten als erstes genannt werden, ist sehr nahe liegend, denn oft hatten die Propheten, insbesondere Jesaja, davor gewarnt, sich auf Assyrien oder Ägypten zu verlassen. Und wie oft hatte sich das Volk mal auf Assyrien, mal auf Ägypten gestützt und hatte sich von einer unheiligen Allianz in die nächste gestürzt, anstatt allein und vorbehaltlos auf den Schutz des HERRN zu vertrauen! Assyrien und Ägypten werden nicht nur hier in Jes 11,11, sondern auch an anderen Stellen zusammen erwähnt (Jes 7,18; 19,24.25; 20,4; 27,13; Jer 2,36.37; Hos 7,11; Sach 10,10 u.a.). Aus all diesen Gegenden kehrten Juden zurück – mal mehr, mal weniger. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass dies tatsächlich so geschah. Die Heimkehrer waren dabei nicht nur vom Stamm Juda (und Benjamin, die zwei Stämme des Südreichs), sondern auch von den anderen zehn Stämmen des Nordreichs, siehe 1Chr 9,33.34; Esra 2,59). Als während der Regierung des Darius der Tempel wiederaufgebaut wurde, wurde ein Sündopfer dargebracht, und zwar, „für ganz Israel zwölf Ziegenböcke, nach der Zahl der Stämme Israels“ (Esr 6,17).
Auch das Neue Testament sieht Israel als wiedervereintes „zwölfstämmiges Volk“ (Apg 26,7; Jak 1,1; vgl. Offb 7,1-8; 21,12; Mt 19,28), sei dies nun buchstäblich oder sinnbildlich gemeint. Joseph und Maria waren vom Stamm Juda (2Sam 7,12.13; Mt 1,20; Lk 1,27; 2,4.5, Apg 2,30; Röm 1,3; 2Tim 2,8; Offb 5,5) und Zacharias und Elisabeth waren vom Stamm Levi (2Mo 2,1; 4,14; 1Chr 24,1.10; Lk 1,5) und die Prophetin Anna war vom Stamm Asser (Lk 2,36). Über alle Stämme, die als ein einziges Volk gesehen werden, regiert ein einziger Hirte, wie Hesekiel prophezeit hat (Hes 37,15-28). Die Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft betrifft zwar hauptsächlich den Stamm Juda, aber die die anderen Stämme waren keineswegs ausgeschlossen. Sie waren bei dieser Rückkehr wahrscheinlich stärker vertreten, als die meisten heute meinen.
Das alles macht deutlich, dass Jes 11,11.12 keineswegs so verstanden werden muss, dass damit die moderne Rückkehrbewegung Zionismus gemeint sei. Im Gegenteil, diese Sichtweise bringt viele Schwierigkeiten mit sich: Im Zusammenhang wird gesagt, dass die Heimkehrer „nach Westen auf die Berglehne der Philister fliegen. Miteinander werden sie die Söhne des Ostens ausplündern. Edom und Moab werden ihre Hand greifen, und die Söhne Ammons werden ihnen hörig sein“ (Jes 11,14). Aus dem apokryphen Makkabäer-Büchern wird deutlich, dass diese Prophezeiungen bereits erfüllt worden sind (1Makk 3,41; 5,1-8.68; 10,83-89; 11,60.61 u.a.). Wer jedoch glaubt, dass diese Philister, Edomiter, Moabiter und Ammoniter heute oder in naher Zukunft mit den Israeliten konfrontiert werden müssten, wird Probleme allein damit haben, diese Völker zu finden!
Zu 3) Dass Jes 11,11 von einer zweiten Rückkehr spricht, hat überhaupt nichts mit einer gegenwärtigen oder künftigen Rückkehr zu tun. Dem Kontext zufolge war die erste Rückkehr jene unter Mose „aus dem Land Ägypten“ (11,16). Die zweite Rückkehr war demzufolge die aus Babylon und Assyrien, von wo die Juden in mehreren Phasen heimkehrten. All das hat sich vor langer, langer Zeit erfüllt. Es gibt keinen Anlass, diese Prophezeiungen so zu interpretieren, als bezögen sie sich auf Ereignisse in unserer Zeit.
Zu 4) Das Gleiche gilt für die Prophezeiungen an die damals bereits ins Land Heimgekehrten. Sacharia wirkte um das Jahr 520 v.Chr. Seine Prophezeiung einer weiteren Heimkehr von Juden aus der Gefangenschaft und von einer Wiederherstellung des friedevollen, glücklichen Lebens in Jerusalem (Sach 8,1-8) erfüllte sich in der Zeit von Esra und Nehemia und danach (Esr 7,1-10; Neh 11,1-2; 1Makk 14,8-12).
Zu 5) Der Ausdruck „am Ende der Tage“ (oder „in der Endzeit“) kommt auch an folgenden Stellen vor: 1Mo 49,1; 4Mo 24,14; 5Mo 4,30; 31,29; Jes 2,2; Jer 23,20; 48,47; 49,39; Hes 38,16; Dan 10,14; Hos 3,5; Mi 4,1. An allen diesen Stellen muss die Bedeutung entsprechend dem jeweiligen Kontext interpretiert werden. Schon aus dem ersten Vorkommen in 1Mo 49,1 wird klar, dass dieser Ausdruck nicht unbedingt die Wiederkunft Christi oder einen kurzen Zeitraum der allerletzten Endphase der Weltgeschichte meint: „Jakob rief seine Söhne und sprach: Versammelt euch, und ich will euch verkünden, was euch begegnen wird in künftigen Tagen.“ Jakob wollte nicht seinen Söhnen Sagen, was mit ihnen nach über 3500 Jahren geschieht (beachte: was euch begegnen wird). Er kündigte an, was noch zu Lebzeiten seiner Kinder und ihrer Nachkommen geschehen wird. Gewiss, auch das erste Kommen Jesu aus dem Stamm Juda wird hier erwähnt (1Mo 49,10), aber über die Zeit des zweiten Kommens Christi wird hier nichts gesagt. Und wo sind die zwölf einzelnen Stämme heute? Während der Ausdruck tatsächlich mit „am Ende der Tage“ übersetzt werden kann, ist die Übersetzung „in künftigen Tagen“ ebenfalls möglich und in diesem Fall zutreffender.
Auch in unserem Text Jer 30,24 ist der Kontext völlig klar: „Erst wenn siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen … Und ich werde euch an den Ort zurückbringen, von dem ich euch gefangen weggeführt habe. Und ihr werdet mein Volk, und ich werde euer Gott sein. Nicht wendet sich die Glut des Zornes des HERRN, bis er getan und bis er ausgeführt hat die Pläne seines Herzens. Am Ende der Tage werdet ihr das verstehen“ (Jer 29,10.14; 30,22.24). Der Ausdruck „am Ende der Tage“ ist hier also wie folgt zu verstehen: Erst wenn Gottes Strafe beendet ist und die siebzig Jahre vergangen sind, wird das Volk verstehen, dass ihnen diese Strafe auferlegt wurde, um sie geistlich zurechtzubringen.
Daher ist klar, dass keiner der aufgezählten Schriftstellen (Jes 11,11-12; Jer 29-30; Sach 8,1-8) etwas mit dem modernen Zionismus zu tun hat. Gleiches gilt für andere Schriftstellen wie 5Mo 30,1-10; 1Kö 8,46-52; Jer 18,5-10; Hes 36,17-19.26.28.33 und Hos 11,10.11. Sie alle sprechen von der Strafe Gottes und der anschließenden Wiederherstellung zur Zeit des damaligen Volkes Israel. Die Botschaften der Propheten galten dem Volk zu ihrer Zeit. In ihrem buchstäblichen Sinne galten die Botschaften den damaligen Israeliten und ihren Kindern und Enkeln, aber nicht den heutigen Juden. Das schmälert natürlich nicht die Tatsache, dass die moralischen und geistlichen Belehrungen daraus für alle Generationen gültig sind (Röm 15,4; 1Kor 10,11).
Zu 6) Wenn das AT nun überhaupt keine Voraussagen über eine jetzige Rückkehr der Juden enthält, dann lehrt es folglich auch nicht, dass sie zunächst im Unglauben heimkehren. Eine solche Rückkehr im Unglauben wurde noch nicht einmal für die Heimkehr aus Babylon vorausgesagt. Es ist bezeichnend, dass die Verfechter der „Rückkehr im Unglauben“ keinerlei Begründung bieten können, die einer Prüfung an der Schrift standhält. Auch Hes 36,24-26 lehrt keine Rückkehr im Unglauben. Der HERR sagt in Hesekiel nicht: „Ich werde euch in euer Land bringen, und danach werde ich euch ein neues Herz geben.“ Er erwähnt einfach zwei Dinge, die er für sein Volk tun wird, ohne sich dabei auf eine zeitliche Reihenfolge festzulegen. Sofern der Kontext überhaupt Licht über die Reihenfolge der Ereignisse gibt, scheint eher die geistliche Reinigung – Buße und Glaube – der Wiedererstehung als Nation zuvorzukommen. Doch beides geschieht am selben „Tag“, einem Tag von nicht näher bestimmter Länge. Man beachte Vers 33: „So spricht der Herr, HERR: An dem Tag, da ich euch von all euren Sünden reinige, da werde ich die Städte bewohnt sein lassen, und die Trümmerstätten sollen aufgebaut werden.“
Diese Reihenfolge mit der Umkehr zuerst und der darauffolgenden Wiederherstellung ist auch die übliche Reihenfolge in der Schrift. Gott belohnt nicht Ungehorsam, sondern Gehorsam. Daher ist die von den Propheten angekündigte Wiederherstellung eine bedingte Verheißung. Mit ihrer Botschaft von der Heimführung aus der babylonischen Gefangenschaft sagten die Propheten folglich: „Israel wird wiederhergestellt, wenn es Buße tut. Dann, und nur dann, werden ihre Sünden ausgetilgt und es wird in sein Land zurückgeführt werden.“
Man möge dies selber anhand der bereits genannten Schriftstellen überprüfen:
„Und es wird geschehen, wenn all diese Worte über dich kommen, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es dir zu Herzen nimmst unter all den Nationen, wohin der HERR, dein Gott, dich verstoßen hat, und du umkehrst zum HERRN, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchst nach allem, was ich dir heute befehle, du und deine Kinder, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, dann wird der HERR, dein Gott, dein Geschick wenden und sich über dich erbarmen. Und er wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, wohin der HERR, dein Gott, dich zerstreut hat“ (5Mo 30,1-3).
„Wenn sie gegen dich sündigen … und du über sie erzürnst und sie vor dem Feind dahingibst und ihre Bezwinger sie gefangen wegführen in das Land des Feindes … und sie nehmen es sich zu Herzen in dem Land, wohin sie gefangen weggeführt worden sind, und kehren um und flehen zu dir im Land ihrer Bezwinger, indem sie sagen: Wir haben gesündigt und haben uns schuldig gemacht, wir haben gottlos gehandelt; und sie kehren zu dir um mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele im Land ihrer Feinde, die sie gefangen weggeführt haben, und sie beten zu dir in Richtung auf ihr Land, das du ihren Vätern gegeben hast, auf die Stadt, die du erwählt hast, und auf das Haus, das ich deinem Namen gebaut habe, dann höre im Himmel, der Stätte, wo du thronst, ihr Gebet und ihr Flehen und schaffe ihnen ihr Recht! Und vergib deinem Volk, worin sie gegen dich gesündigt haben, und alle ihre Vergehen, mit denen sie sich gegen dich vergangen haben; und lass sie Erbarmen finden vor ihren Bezwingern, dass die sich über sie erbarmen!“ (1Kö 8,46-51).
„Einmal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es ausreißen, niederbrechen und zugrunde richten zu wollen. Kehrt aber jenes Volk, über das ich geredet habe, von seiner Bosheit um, lasse ich mich des Unheils gereuen, das ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es bauen und pflanzen zu wollen. Tut es aber, was in meinen Augen böse ist, indem es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das ich ihm zu erweisen zugesagt habe“ (Jer 18,7-10). Wann immer der Herr ein Wehe über ein Volk ausspricht, wird er sich das Unheil gereuen lassen, das er über das Volk gebracht hat, wenn es Buße tut. Andererseits gilt: Wann immer er einem Volk Segen verheißen hat, dieses Volk jedoch ungehorsam wird, wird er sich des Guten gereuen lassen, das er für das Volk vorgesehen hatte. Hier wird eine feste Regel definiert, die verdeutlich, dass Gottes Segen tatsächlich eine bedingte Sache ist. Wir müssen jedoch stets bedenken, dass diese Bedingungen allein durch Gottes Gnade und Kraft erfüllt werden können. Dennoch gilt die Bedingung ohne Abstriche. Wir haben kein Recht, das „Wenn …“ aus der Bibel zu streichen. Man beachte daher den Konkunktiv (Möglichkeitsform) in Jer 18,8 und dass der Herr in Jer 18,5-10 selbst erklärt: Wann immer er einem Volk Wohl oder Wehe verheißt, gilt die Bedingung immer. Daher gilt dies auch für Jer 31,35-37, auch wenn manche Ausleger bei dieser Schriftstelle die Aussage von Jer 18,5-10 außer Acht lassen.
Auch in Hosea 11,10-11 geht, wie immer, die Buße der Heimkehr und Wiederherstellung voraus: „… zitternd werden die Söhne herbeikommen vom Meer. Sie werden zitternd herbeikommen aus Ägypten wie ein Vogel und wie eine Taube aus dem Land Assur. Und ich werde sie in ihren Häusern wohnen lassen, spricht der HERR.“ (Übrigens setzt die Erfüllung voraus, dass Assur noch existiert. Wo aber ist es heute?) Der bekannte Ausleger J. Ridderbos kommentiert: „Als Resultat der Liebe Gottes, die sich jetzt aktiv zeigt, wird Israel aus dem Exil zurückkehren. Der Herr selbst geht voraus, und die Heimkehrer werden ihm freudig folgen, denn sie sind geheilt worden von ihrem Begehren, fern von ihm zu sein.“
Zu 7) Nunmehr ist deutlich geworden, dass die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 im Unglauben – denn die führenden Politiker Israels lehnen Christus nach wie vor ab – nichts mit biblischer Prophetie zu tun hat, und zwar aus zweierlei Gründen: a) Die biblische Prophetie sagt nichts über eine Rückkehr und Wiederherstellung der Juden nach Jahrtausenden, und b) selbst wenn sie von einem solchen Ereignis sprechen sollte, dann wäre es die Rückkehr eines gläubigen Überrestes.
Dass zur Zeit der Heimkehr aus der babylonischen Gefangenschaft tatsächlich eine Gesinnung der Buße im Volk Israel vorhanden war, wird u.a. aus folgenden Schriftstellen deutlich: Dan 9,1.2.5.6; Esr 3,5.10.11; 6,16-22; 7,10; 8,35; 10,11.12; Neh 1,4-11; Hag 1,12.13 etc.
Zu 8) Außerdem ist klar geworden: Insofern Schriftstellen wie Jes 35,1; 61,4 und andere tatsächlich von einer buchstäblichen ökologischen und ökonomischen Wiederherstellung Israels sprechen, bezieht sich das ebenfalls auf die Zeit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Das Buch Jesaja erwähnt Assyrien (Assur) und die Assyrer über vierzig Mal. Babylon und die Chaldäer werden über zwanzig Mal genannt. Kyrus, der den Erlass zum Wiederaufbau Jerusalems gab, wird in 44,28 und 45,1 erwähnt. Die Nationen, über denen in Kap. 13-24 Gericht verheißen wird, sind Babylon, Assyrien, Philistäa, Moab, Syrien, Äthiopien, Edom und Phönizien. All das passt auf die alte damalige Zeit, aber nicht auf unsere heutige.
Aus den Schriften von Josephus und den Makkabäerbüchern wird deutlich, dass während der Zeit zwischen den Testamenten in Israel tatsächlich die Wüste aufgeblüht ist. Josephus spricht von einer „Wiederherstellung der früheren Blüte“ und von der „Kultivierung des Landes“, die Makkabäerbücher berichten vom „Pflügen des Landes in Frieden“, vom „Land, das seine Frucht bringt“, und dass „jeder Mann unter seinem Wein und Feigenbaum sitzt“ (vgl. Mi 4,4). Daher ist es gänzlich unnötig und unberechtigt, die buchstäbliche Erfüllung solcher und ähnlicher Prophezeiungen in die heutige Zeit zu platzieren.
Zu 9) Sprach Amos in 9,14-15 wirklich vom heutigen Staat Israel? Wo in der ganzen Bibel, sei es AT oder NT, nennt der Herr konkret heute Staaten und sagt uns genau, was mit ihnen geschehen und was nicht geschehen wird? Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich an eine Artikelserie in einem religiösen Journal während des 2. Weltkriegs. Darin wurden detaillierte Voraussagen getroffen, die allesamt auf biblischer Prophetie basierten. Eine davon besagte, dass Italien den Krieg gewinnen werde! Diese Artikel waren sehr gefragt. Doch die Geschichte selbst hat diese „Auslegungen“ widerlegt. Das gilt auch für die Schriften jener, die angeblich auf Grundlage der Schrift meinen voraussagen zu können, was mit Ländern wie Deutschland, Russland, China und den USA geschehen wird. Die Sensations- und Spekulationslust der Menschen ist unersättlich. Insofern unsere menschliche Neugier sich auf das fixiert, was Gott offenbart hat, mag sie von reichem Segen sein. Aber wenn diese Begier über die Grenzen von 5Mo 29,29 hinausgeht, bringt sie keinen Segen. Wenn Neugier zu Spekulations- und Sensationslust umschlägt, ist Vorsicht geboten. Schon zu alttestamentlicher Zeit behaupteten manche, Israel, Jerusalem oder der Tempel sei unzerstörbar (vgl. Jer 6,14; 7,4; 8,11; 1Kö 22,6ff; s.a. Josephus: Bell. Jud. VI,2). Aber Jerusalem viel im Jahre 586 v.Chr. und noch einmal in Jahre 70 n.Chr. und abermals 135 n.Chr.
Amos 9,11-12 wird von Jakobus in Apg 15,16-17 zitiert und so interpretiert, dass es sich in der damals beginnenden Heidenmission erfüllt hat. Offenbar hat er diese Schriftstelle unter Gottes Inspiration so verstanden, dass die „verfallene Hütte Davids“ (das Königtum Davids) in Christus wieder hergestellt (vgl. Apg 2,34ff) und somit die Vorbedingung zur Heidenmission erfüllt ist („damit die übrigen der Menschen den Herrn suchen“, Apg 15,17). Die Verse Amos 9,14-15 stehen in demselben Zusammenhang.
Zu 10) Dispensationalisten und ihre Gesinnungsgenossen sind sich keineswegs einig, dass Jerusalem heute nicht mehr von den Nationen zertreten wird. Befindet sich die Stadt nicht noch immer in einer sehr instabilen Lage? „Zertreten“ (Lk 21,24) kann auch eine geringschätzige, schlechte Behandlung meinen, was für Jerusalem bis heute zutrifft. Manche Dispensationalisten meinen, die „Zeit der Nationen“ sei erst mit der Wiederkunft Christi erfüllt. Dann würde Lk 21,24 lediglich besagen, dass Jerusalem und die Menschen, die es repräsentiert, während der ganzen Zeitepoche bis zur Wiederkunft Christi diskriminiert und gedemütigt werden. Die Nationen werden es bis zum Ende des gegenwärtigen Zeitalters unterdrücken. Zudem sagt diese Schriftstelle ebenso wenig über eine buchstäbliche Wiederherstellung Jerusalems nach der Wiederkunft Jesu wie alle anderen Bibelstellen auch.
Sicherlich spricht dieser Vers von einem „Zertretenwerden bis …“ Aber „bis“ bedeutet nicht unbedingt, dass danach exakt das Gegenteil eintritt. Allein auf Grundlage von Lk 21,24 wäre es sehr problematisch zu behaupten, dass das irdische Jerusalem oder das Volk, das es repräsentiert, bei der Wiederkunft Jesu in neuer Herrlichkeit erstrahlen wird. Das Wort „bis“ muss stets entsprechend des jeweiligen Kontexts interpretiert werden. Hier in Lk 21,14 besteht die Aussage lediglich darin, dass Jerusalem nicht unvermittelt wieder aufgebaut, sondern unaufhörlich zertreten wird, bis das Zeitalter beendet ist. Ganz ähnlich wird das Wort „bis“ verwendet in Röm 11,25; 1Kor 11,26; 15,25 und Offb 2,25. Insbesondere aus Offb 2,25 wird deutlich, dass jede Schriftstelle in ihrem eigenen Kontext betrachtet werden muss. Bedeutet der Aufruf „halte fest, was du hast, bis ich komme!“, dass wir nach Christi Wiederkunft nicht mehr an den geistlichen Schätzen festhalten sollen, die uns anvertraut worden sind? Bedeutet es nicht viel mehr, dass wir unter allen Umständen unbeirrt an Gottes Offenbarung in Christus festhalten sollen? Das sollen wir niemals preisgeben! Nicht heute, nicht morgen, niemals. Daher ist klar, dass in Lk 21,24 weder das Wort „bis“ noch irgendetwas anderes von einer nationalen Wiederherstellung Israels vor oder nach der Wiederkunft Jesu spricht.
Wir wollen einmal annehmen, dass in Jerusalem der Tempel wiederaufgebaut wird. Würde das ein Tempel sein, in dem sich die Juden versammeln, um das Kreuz Christi zu rühmen (Gal 6,14)? Wenn nicht, wäre dann der Wiederaufbau eines solchen Tempels nicht ein weiterer Beweis dafür, dass kein Wohlwollen Gottes auf den dort Anbetenden ruht? Hat nicht unser Herr Jesus Christus gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als nur durch mich“ (Joh 14,6; vgl. Mt 1,21; Apg 4,12; Hebr 10,12.14; Offb 7,14)?
Zu 11) „Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was wird uns nun werden? Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten“ (Mt 19,27-28).
Es ist unmittelbar klar, dass diese Vorhersage sich weder in irgendeiner Weise auf die Ereignisse unserer Zeit bezieht, noch damit irgendetwas gemeint ist, was geschehen muss, bevor Christus wiederkommt. Hier geht es eindeutig um das, was in dem neuen Himmel und der neuen Erde sein wird, in der „Wiedergeburt“ der Schöpfung (Röm 8,20-22; Mt 25,31ff; Offb 21,1.5; vgl. Jes 65,17; 66,22; 2Petr 3,13). Aussage dieses Verses ist die Zusicherung, dass diejenigen, die viel für den Herrn aufgegeben haben, auch viel Herrlichkeit bekommen werden. Sie werden mehr als andere an der Herrlichkeit des Erlösers teilhaben. Schriftstellen wie 1Kor 15,41-42; 2Tim 2,12; Offb 3,21; 20,4 werfen Licht auf diesen Lohn. Wer hier dem Herrn am treuesten gewesen ist, wird ihm dort am nächsten sein.
In dem Ausdruck „die zwölf Stämme Israels“ sehen viele Ausleger das wiederhergestellte neue, himmlische Israel, das gesamte Volk Gottes. Ob damit nur alle Erwählten aus den zwölf Stämmen des Israel nach dem Fleisch gemeint sind oder alle Erwählten aus Juden und Heiden (vgl. Röm 11,26; Gal 6,16), so müssen es jedenfalls Wiedergeborene sein, denn in die neue Welt von Mt 19,28 kann nichts Unreines hineingelangen (Offb 21,27). Daher ist klar, dass hier keine Massenrückkehr der Juden ins Land Israel gemeint sein kann.
Zu 12) In 1Kor 10,32 lesen wir: „Seid unanstößig, sowohl für Juden als auch für Griechen als auch für die Gemeinde Gottes!“ Paulus ermahnt hier die Korinther, sich in der Ausübung ihrer christlichen Freiheit freiwillig zurückzuhalten. Er möchte nicht, dass sie für irgendjemanden anstößig sind. Die Gläubigen sollen nicht nur im Hinblick auf „die Gemeinde Gottes“ auf ihr Verhalten achten, sondern auch auf andere Rücksicht nehmen: auf Juden wie auf Griechen (Heiden). Man beachte, dass die Juden hier nicht zusammen mit der Gemeinde Gottes erwähnt werden, als hätte der Apostel zwei Völker Gottes im Sinn. Im Gegenteil werden die Juden zusammen mit den Griechen erwähnt, denn beide Gruppen zusammen bilden die Ungläubigen. Die Aussage ist also folgende: „Vermeidet alles Anstößige für Nichtchristen, seien es Juden oder Heiden, und nehmt ebenso Rücksicht auf alle Gläubigen.“ Die Nichtchristen werden in zwei Klassen unterteilt: Juden und Griechen. Diese Interpretation wird von der Terminologie dieser Schriftstelle gestützt. Die beiden Unterklassen der ersten Gruppe nennt Paulus beide im Plural – „Juden und Griechen“, während er die zweite Gruppe mit dem Wort „Gemeinde“ im Singular bezeichnet. Diese Schriftstelle zeigt also einfach, dass Paulus klar zwischen a) Ungläubigen und b) der Gemeinde Gottes unterschieden hat, und dass er a) nochmals unterteilt in ungläubige Juden und ungläubige Heiden. In keinerlei Sinne bringt er Juden und die Gemeinde in einen Zusammenhang, als seien es beides Gruppen, für die Gott jeweils einen bestimmten Heilsplan habe. Wer auf eine von Gott autorisierte Wiederherstellung des Judentums in seinem früheren Land hofft, findet in diesem Vers jedenfalls keinen Beleg dafür.
Somit ist deutlich geworden, dass die Sichtweise, heute würden alttestamentliche Prophezeiungen der Wiederherstellung Israels vor unseren Augen erfüllt, ein Irrtum ist. Auf eine Sache muss aber noch hingewiesen werden: Wir haben gezeigt, dass die verschiedenen Prophezeiungen über die Rückführung der Israeliten erfüllt wurden mit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Das betrifft die Erfüllung des buchstäblichen Sinns dieser Prophezeiungen. Es gibt jedoch alttestamentliche Prophezeiungen, die sich geistlich in Christus als dem wahren Israel und in allen, die an ihn glauben, als den wahren Kindern Abrahams und dem neuen, himmlischen Jerusalem erfüllen (vgl. z.B. Gal 4,27). Darauf werden wir, so Gott will, noch an anderer Stelle ausführlich eingehen.
Quelle: William Hendriksen: Israel in Prophecy. Übersetzt und bearbeitet von Hans-Werner Deppe
Montag, 9. Juli 2007
Eine Portion Spurgeon
C.H. Spurgeon besticht in seinen Predigten immer wieder durch seine treffenden und entwaffnenden Analysen von bestimmten Typen.
Hier eine Kostprobe aus einer Predigt über Markus 5,17-19 (Metropolitan Tabernacle Pulpit Vol. 38, No. 2262):
Wir finden im 17. Vers: "Sie begannen ihn zu bitten, er möge aus ihrem Gebiet weggehen", im 18. Vers: "Er, der von den Dämonen besessen war, bat ihn, dass er mit Ihm bleiben dürfe."
Die Leute wollten, dass Jesus von ihnen weggehen solle, der Mann, den Er geheilt hatte, wollte da sein, wo immer Er hingehen würde. Zu welcher Klasse gehörst du, mein teurer Freund? Ich hoffe, du gehörst nicht zur ersten Klasse, zu denjenigen, die Jesus zum Weggehen bringen wollten. Warum wollten sie, dass Er gehe?
Ich denke, es war zuerst deshalb, weil sie es liebten, ihre Ruhe zu haben und in Bequemlichkeit zu verweilen. Es war eine grosse Katastrophe, die geschehen war. Die Schweine waren in den See gestürzt. Sie wollten nicht noch mehr solche Katastrophen erleben, und offensichtlich besass die Person, die zu ihnen kam, ausserordentliche Macht.
Hatte Er nicht den Besessenen geheilt? Nun, sie wollten Ihn nicht. Sie wollten nichts Ausserordentliches. Sie waren Männer, die das Behagliche liebten, sie wollten auf ebenen Wegen gehen. So baten sie ihn: "Sei doch so gut und geh!"
Es gibt einige Leute dieser Art, die heute noch leben. Sie sagen: "Wir wollen keine Erweckung hier; wir sind zu ehrbare Leute. Wir wollen hier keine aufrührerische Predigt, es geht uns gut soweit. Störe nicht unseren Frieden!"
Solche Menschen, wenn sie denken, dass Gott am Werk ist an irgend einem Ort, sind sie halb entschlossen, anderswo hinzugehen. Sie wollen ihre Ruhe haben; ihr Motto ist: "Ein Königreich für ein ruhiges Leben". "Lass uns in Ruhe, lass uns unseren alten Weg gehen", ist der Ruf dieser närrischen Leute. So wie es der Ruf der Israeliten war, als sie zu Mose sagten: "Lass uns in Ruhe, dass wir den Ägyptern dienen!"
Freitag, 29. Juni 2007
Wozu ein theologisches System?
Uns Calvinisten wird immer wieder vorgeworfen, wir würden der Bibel ein theologisches System überstülpen, resp. die biblischen Aussagen in ein theologisches Gerüst einzwängen.
Sie – unsere Kritiker – würden dagegen die Bibel einfach so nehmen, wie sie ist, resp. das was dasteht, so verstehen, wie es dasteht.
Dahinter steht die Prämisse, es brauche überhaupt keine systematische Theologie, die Bibel würde genügen, so wie sie ist.
So fromm das klingen mag, diese Grundhaltung ist sehr problematisch. Leute mit dieser Einstellung verfallen der eigenen Willkür und praktizieren meist eine völlig haltlose und am Ende eine unbiblische Art, die Bibel zu lesen und auszulegen.
Wenn sie mit ihrer Haltung konsistent sind, werden sie zu einem Thema mal diese Ansicht aus der Bibel ableiten, ein anderes Mal eine völlig andere.
Das Ziel reformierter Schriftausleger war es immer, die Schrift mit der Schrift auszulegen. Das ist der Grund, warum es biblische (systematische) Theologie gibt.
Es geht nicht darum, die Bibel in ein Gerüst zu zwängen, sondern die Aussagen der Bibel in Lehren zusammenzufassen, die der Bibel entsprechen.
Systematische Theologie sammelt z.B. alle Aussagen der Bibel über den Charakter Gottes, über das Wesen des Menschen vor und nach dem Sündenfall, über Christus, über den Weg des Heils, usw. und ordnet sie so, dass man spezifische Fragen an die Bibel klar beantworten kann.
Weil das getan wurde, muss heute nicht jeder einzelne Christ alle Fragen wieder neu beantworten. Schon dass er überhaupt Christ geworden ist, verdankt er klaren Aussagen über Gott, seine Beziehung zu Ihm, seine Erlösungsbedürftigkeit, usw.
Er wird besser im Glauben wachsen, weil es ein System gibt, durch das er in die Wahrheit der Bibel eingeführt werden kann.
Es versteht sich von selbst, dass ein 'theologisches System' kein unbewegliches, starres Korsett sein darf. Obwohl es Punkte gibt, hinter die wir nicht zurückgehen dürfen, an denen wir nicht rütteln lassen dürfen.
Z.B. dass wir allein aus Gnade, allein durch den Glauben, ohne Werde des Gesetzes gerechtfertigt werden, ist eine unumstössliche Tatsache, die wir starrsinnig festhalten dürfen.
Es gibt aber andere Punkte, die wir nicht in der gleichen Weise festhalten. Wir lesen die Bibel fortwährend und nehmen jede Aussage der Bibel ernst, die unserem 'System' zu widersprechen scheint. Wir lesen sie im Kontext ihres Abschnittes, des betreffenden Buches, der Heilsgeschichte und der ganzen Bibel und sehen dann, ob wir einen Punkt unserer bisherigen Theologie anders formulieren, resp. widerrufen müssen.
Solange aber keine biblische Aussage unsere Theologie in Frage stellt, halten wir fröhlich daran fest als an einer Zusammenfassung der biblischen Lehre, die uns in unserer Beziehung zu Gott hält und leitet.
Ich kann es nicht unterlassen, zum Abschluss noch darauf hinzuweisen, dass die reformierte/calvinistische Zusammenfassung der biblischen Lehre das theologische System ist, das sich über die Jahrhunderte darin bewährt hat, die Erkenntnis Gottes und seines Heils zu bewahren und sie am Wirksamsten gegen alle Irrlehren und Sekten zu verteidigen.
Samstag, 16. Juni 2007
Ein Atheist im Gottesdienst
In einem Interview befragte er den Atheisten Hemant Mehta, der durch sein Buch "I sold my soul on e-bay" bekannt wurde, über seine Eindrücke, die er über Christen und Gemeinden gesammelt hat.
Hemant Mehta ist auch ein cleverer Bursche. Nicht so clever wie Matt Slick, sonst wäre er ja auch kein Atheist, sondern ein Calvinist wie Matt.
Er nennt sich "Friendly Atheist" (=freundlicher Gottloser), was meines Erachtens ein Oxymoron ist. Er widerspricht damit seiner eigenen Weltanschauung. Sobald er das erkennt, wird er kein Atheist mehr sein.
Dies weiter auszuführen und zu begründen, betrachte ich aber hier nicht als meine Aufgabe. Dafür gibt es andere Instanzen wie das Verax Institut oder eben Matt Slicks CARM, die ich beide wärmstens empfehle.
Worum es mir jetzt geht, sind einige Eindrücke, die Mehta in dem Interview wiedergibt. Er hat eine Reihe von Gottesdiensten christlicher Gemeinden besucht - kleine, konservativere, liberalere, grössere, Megachurches, usw. - um sich ein Bild zu machen von den Christen (er selbst hat keinerlei christlichen Hintergrund, sondern ist im Jainismus aufgewachsen und hat sich mit 14 Jahren davon gelöst und ein materialistisches Weltbild angenommen).
Einige der Dinge, die ihm aufgefallen sind bei diesen Besuchen, haben mir zu denken gegeben.
Z.B. hat es ihn verwirrt, dass viele der Christen während den Predigten oft so umherschauten oder auf die Uhr guckten oder sich sonst so verhielten, als ob sie gezwungen wären, da zu sein und zuzuhören. Dabei würde es doch in den Predigten darum gehen, weswegen sie hergekommen waren...
Weiter kam es ihm eigenartig vor, dass die Leute, die ja hier mit Gleichgesinnten zusammen seien, sozusagen als Einzelne und Familien in ihrer Gross-Familie, sich so plazierten, als wollten sie überhaupt nicht nahe zusammen sein, sondern eher Abstand voneinander haben.
Ein Weiteres, das er nannte, kann ich nur mit Vorsicht wiedergeben, weil ich dadurch sicher einem gewissen Klischee-Denken Vorschub leiste und ein Stück weit meine eigenen Vorurteile bestätige: Er war auch in Bill Hybels Willow Creek Community Church. Da seien ihm die Predigten so angenehm gewesen, es sei ihm richtig wohl gewesen (als Atheist).
Seine grundsätzliche Kritik an den christlichen Gottesdiensten und Predigten ist, dass die Leute nicht richtig denken würden. Dass sie sich nicht qualifiziert mit ihrem Glauben und den Gegenpositionen auseinandersetzen würden.
Es ginge in den Gottesdiensten und Predigten immer nur darum, dass es behaglich sei, dass es den Leuten wohl ist oder dass sie herausfänden, wie sie dieses oder jenes Problem lösen könnten.
Der Mann sagt, er hätte erwartet, dass mal jemand gegen seinen Atheismus predigen würde, dass ihm jemand sagen würde, warum seine Sicht falsch sei.
Das betrifft offenbar auch die Kommentare von Christen auf seiner Website oder per e-mail. Er bekomme gesagt: "Jesus liebt dich" oder "wir beten für dich". Aber niemand würde sich wirklich mit seiner Weltanschauung auseinandersetzen.
Das alles gibt mir ziemlich zu denken.
Da sitzt ein Atheist im Gottesdienst und es kommt ihm vor, als würden sich die Christen dort langweilen. Und als würden sie sich nicht besonders lieben. Und als würden sie nur um ihre Wellness besorgt sein.
UND: Er wird nicht durch das Evangelium herausgefordert! Obwohl der Mann ja eigentlich darauf wartet!
Das wirft Fragen auf, denen wir uns stellen müssen - auch wenn wir nicht auf Atheisten hören und nicht sie fragen sollen, wie wir unser Christenleben gestalten sollen.
Dennoch bleiben die folgenden Fragen stehen und sollten uns herausfordern:
- Haben wir selbst noch Hunger nach Gottes Wort?
- Warum besuchen wir sonst den Gottesdienst?
- Haben wir ein Klima der Liebe in unserer Gemeinde?
- Ist Christus das Zentrum unseres Gottesdienstes und ist das erkennbar?
- Können wir unseren Glauben einem Aussenstehenden verstehbar bezeugen?
- Sind wir in der Lage, unseren Glauben gegen falsche Weltanschauungen zu verteidigen? Oder verstecken wir uns nur in unserer "christlichen" Tradition?
Donnerstag, 14. Juni 2007
Prophetie und Sola Scriptura
Es ging im Zusammenhang um die Frage der Prophetie in der heutigen Zeit.
Was mir beim Zuhören und im weiteren Nachdenken bewusst wurde, ist, dass die Proponenten für prophetisches Reden als neue Offenbarung oder neues Reden Gottes in eine aktuelle Situation durch menschliche Offenbarungsträger das Prinzip "Sola Scriptura" nicht oder mangelhaft beachten.
Sie gehen davon aus (müssen sie, wenn sie mit ihrer Position konsistent sein wollen!), dass Gott auch neben der Schrift spricht.
Sie bekennen damit nicht "Allein die Schrift als Gottes Offenbarungsquelle", sondern "Die Schrift plus menschliche Medien".
Damit sind sie eigentlich in diesem Punkt wieder hinter die Reformation zurück gegangen und haben sich zu den katholischen Mystikern gesellt, die in subjektiven Eindrücken das Reden Gottes sehen.
Wenn wir sagen, dass die Schrift allgenugsam ist für das Reden und Wirken Gottes zu und an den Menschen, dann müssen und dürfen wir keine zusätzlichen Offenbarungen annehmen.
Das einzige prophetische Reden, das noch geduldet werden kann, ist das Reden der Heiligen Schrift des AT und NT und ihre schriftgemässe Auslegung (d.i. Auslegung der Schrift durch die Schrift - also exegetische Verkündigung).
Der einzige Weg, auf dem die Charismatiker diese Position angreifen könnten, wäre der, dass sie plausibel bestreiten, dass das Prinzip "Sola Scriptura" (=Allgenugsamkeit der Schrift) nicht biblisch ist.
Das haben sie meines Wissens bisher noch nicht explizit getan...
Samstag, 9. Juni 2007
I'm a Narrow Mind addict
When I began to listen to The Narrow Mind Radio Program, I would never have thought that it could hit me. As a former drug addict, I should have known better… Now I have to confess, that I am fully addicted to The Narrow Mind and I even don't hesitate to recommend it to you!
Why? Not just because I want to become the Narrow Mind – Addict of the Week, but because I really love this radio show. It is saturated with sound biblical insight blended with a humorous way to approach the issues of real live.
I particularly love the presuppositional approach of Apologetics from which you can learn at the Atheistic Wednesday - Program and the really good discussions between Gene and his friends Jason Robertson and Scott Hill at Covenant Theology Thursdays.
But I also love all the rest on the other days. But what did I say? I don't just love it, I AM ADDICTED.
So check it out, if you don't fear to loose your free will!
Just follow these links: Unchained Radio or The Narrow Mind Aftermath
Freitag, 8. Juni 2007
"Zurück"(?) nach Rom # 2
Wohl vor allem deshalb, weil er einer der führenden "evangelikalen Theologen" war, bis im März sogar der amtierende Präsident der ETS (Evangelical Theological Society).
Man fragt sich: "Wie kann so etwas passieren? Wie kann ein Mann in dieser Position einen solchen Schritt machen?"
Die Antwort auf diese Frage scheint mir nicht so schwierig zu sein.
Beckwith verkörpert etwas, das im breiten Evangelikalismus gang und gäbe ist.
Er ist ziemlich sicher nie weit entfernt gewesen von der Theologie der Kirche, in die er zurück kehrte (er ist in der römischen Kirche aufgewachsen und später "evangelisch" geworden).
Was in der Evangelikalen Szene als "evangelisch" gilt, ist in Wirklichkeit gar nicht so evangelisch im Sinne des Erfinders, d.h. auf der Grundlage der geistlichen Erneuerung der Reformation.
Was im evangelikalen Lager z.B. unter Gnade verstanden wird, ist näher an der römischen Lehre als am reformatorischen Sola Gratia.
Das Schriftverständnis der meisten Evangelikalen ist in Wirklichkeit nicht mehr das Sola Scriptura der Reformation, sondern näher am römischen "Schrift plus Tradition" (wobei die Tradition nicht unbedingt dieselbe wie die der römischen Kirche ist - aber auf jeden Fall hat Pelagius ein grosses Wort mitzureden).
Auch das Christus-Verständnis ist nicht mehr das Solus Christus der Reformation, sondern es ist näher am römischen "Christus und..."
Beckwith hat in seinen Studien (die er als "Evangelikaler" betrieben hat), offenbar festgestellt, dass die Artikel des Tridentinischen Konzils grundsätzlich mit der evangelikalen Auffassung überseinstimmen und dass sie von einem Grossteil der Protestanten missrepresentiert worden seien. Dies sagt er jedenfalls in einem Interview, das hier nachzulesen ist.
Dass die Tridentinischen Artikel vom Protestantismus missrepresentiert wurden, ist einfach lächerlich. Man nehme sich nur einmal die Artikel 830ff (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, S. 515f) vor. Hier wird die evangelische Lehre der Rechtfertigung frontal angegriffen und verflucht.
Dass aber die evangelikale Welt in Wirklichkeit näher am Tridentinum ist, als sie weiss, und dass die genannten Artikel der evangelikalen Auffassung nicht sehr stark widersprechen, damit hat Beckwith wohl nicht Unrecht.
Deshalb konnte er es so lange aushalten als katholizistischer Evangelikaler, bevor er in den Schoss seiner Alma Mater zurückkehrte.
Deshalb konnte er am Ende seiner Stellungnahme auf dem Blog "Right Reason" (hier) auch sagen: "ETS’s tenacious defense and practice of Christian orthodoxy is what has sustained and nourished so many of us who have found our way back to the Church of our youth."
[Übersetzung: Die beharrliche Verteidigung und Praxis Christlicher Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) ist es, was so viele von uns erhielt und nährte, die wir unseren Weg zurück in die Kirche unserer Jugend gefunden haben.]
So wurde also seine eigentlich katholische Theologie im evangelikalen Lager gepflegt und genährt. Das soll uns herausfordern, genau nachzuprüfen, worauf wir unser "evanglisch" aufbauen. Und hatnäckig immer wieder die reformatorischen Grundlagen der Schriftauslegung zu betonen.